Schattenschwestern. Maya Shepherd
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„Warte bitte hier. Es kommt dich gleich jemand abholen“, wies sie mich an und deutete auf eine Holzbank, die vor einer Glastür stand. Gehorsam ließ ich mich dort nieder, nachdem ich ein leises „Danke“ gemurmelt hatte. Meine Hände zitterten, sodass ich sie auf meine Knie drückte. Nun gab es kein Zurück mehr. Wie würde Eliza reagieren, wenn sie mich sah? Bereute sie vielleicht schon, dass sie alles aufs Spiel gesetzt hatte, nur um mich von dem Jägersfluch zu befreien? Vielleicht hatte ich zu lange gewartet und sie dadurch so sehr enttäuscht, dass sie mich nun gar nicht mehr sehen wollte?
Ein stämmiger Polizist trat durch die Glastür. „Winter Rice?“, fragte er an mich gewandt.
„Ja, das bin ich“, brachte ich mit piepsiger Stimme hervor.
„Dann komm mal mit“, forderte er und hielt mir die Tür auf, die er hinter uns sorgsam wieder verschloss. Er führte mich durch einen grauen Flur mit vielen Türen. Schließlich hielt er vor einer davon und schloss sie auf. Das war meine letzte Chance einen Rückzieher zu machen. Ich könnte mich bei ihm entschuldigen und sagen, dass ich es mir doch anders überlegt hatte. Aber ich tat es nicht, als ich eintrat, zitterten meine Knie so sehr, dass ich mich kaum auf den Beinen halten konnte. Eliza stand vor einem kleinen Tisch, der sich in der Mitte des Raumes befand. Sie trug eine graue Stoffhose und ein schwarzes Tanktop. Ihr sonst so seidiges Haar, um welches ich sie schon immer beneidet hatte, war in einem strengen Pferdeschwanz zurückgebunden. Ihre Haut erschien mir blasser als sonst und in ihrem Gesicht fehlte die Schminke, mit der sie sonst ihre Schönheit hervorhob. Ich hatte sie noch nie in einem so schlechten Zustand gesehen.
Sie hatte die Augen weit aufgerissen und ihre Hände eng an ihren Körper gepresst. Wir sahen einander ungläubig an, bevor ein Schluchzen meine Kehle verließ. Eliza war mit einem Satz bei mir und drückte mich fest an sich. Ihre Tränen vermischten sich mit meinen, während wir uns beide heulend umklammert hielten. Doch schon im nächsten Moment wurden wir grob von dem Polizisten wieder auseinandergerissen. „Kein Körperkontakt!“, erinnerte er uns scharf. Hatte dieser Mensch denn gar kein Mitgefühl?
Wir ließen uns an dem Tisch nieder und legten unsere Hände so auf den Tisch, dass sich unsere Fingerspitzen berührten. Wir hatten beide das Bedürfnis der anderen so nah wie möglich zu sein. Eliza mit verweinten Augen und tränenfeuchtem Gesicht vor mir zu sehen, rief eine Sehnsucht nach ihr in mir wach, die ich so nicht kannte. Sie war meine große Schwester und erst jetzt merkte ich, wie sehr sie mir fehlte.
„Ich kann nicht glauben, dass du wirklich gekommen bist“, hauchte Eliza. Ihre vollen Lippen waren von unschönen Rissen durchzogen.
„Ich hätte früher kommen sollen“, entschuldigte ich mich, doch Eliza schüttelte den Kopf. „Du bist hier und das ist alles, was zählt. Wie geht es dir?“
Ein unglückliches Lachen verließ meine Kehle. „Du sitzt in Haft und fragst mich wie es mir geht?!“
Sie begann ebenfalls zu lachen. „Ich habe das Gefühl von der Welt abgeschnitten zu sein.“
„Mum und Dad sind sich sicher, dass Tante Rhona dafür sorgen wird, dass du freigesprochen wirst.“
„Lass uns über etwas anderes reden, ja?“, bat sie. „Erzähl mir irgendetwas aus der Schule. Wie geht es Dairine? Ist sie jetzt mit Evan zusammen?“
Ich war erstaunt darüber, wie gut sie über Dairines Liebesleben Bescheid wusste. Besser als ich. Obwohl ich die gewohnte Eifersucht bereits an mir nagen spürte, ignorierte ich sie. „Sieht so aus. Sie lassen es wohl langsam angehen.“
Sie kicherte. „Ich habe ihr gesagt sie soll den ersten Schritt machen, wenn sie auf Evan warten will, kann sie sonst ewig warten. Dieser Junge ist die Schüchternheit in Person.“
Eliza kannte sich damit aus, den ersten Schritt zu machen. Sie schien nie auch nur eine Sekunde zu befürchten, dass ein Junge sie abweisen könnte. Ich beneidete sie um ihr Selbstbewusstsein. „Nicht jeder ist so mutig wie du.“
Sie zuckte mit den Schultern. „Das hat nichts mit Mut, sondern mit Dummheit zu tun. Wenn ich erstmal darüber nachdenken würde, was ich tue, hätte ich mir schon viele Probleme erspart“, gestand sie einsichtig. Ich wusste nicht, ob sie damit auch die Situation meinte, in der sie sich gerade befand, fragte sie aber auch nicht weiter danach. Einsicht kam bei Eliza eher selten.
Sie schien die traurigen Gedanken beiseite zu schieben und lächelte mich frech an. „Wie geht es Aidan?“
Ich erstarrte augenblicklich. Sie schien nicht zu wissen, dass er mittlerweile mit Mona zusammen war. „Ich nehme an gut“, sagte ich ausweichend.
Sie hob irritiert die Augenbrauen. „Du nimmst es an? Seid ihr nicht mehr zusammen?“
„Wir waren es nie“, erwiderte ich und fügte zögernd hinzu: „Er mochte mich nicht auf dieselbe Weise wie ich ihn.“
„Oh“, machte sie bedauernd. Wir hatten zuvor noch nie über mein Liebesleben gesprochen, das im Grunde auch immer nur daraus bestanden hatte, dass ich Lucas anhimmelte. „Wenn ich hier rauskomme, kann er sich auf etwas gefasst machen“, knurrte sie schließlich, was ich allerdings lachend abwinkte: „Er hat mir nie etwas vorgemacht, ich habe ihn lediglich falsch verstanden. Er ist ein guter Kerl und hat es nicht verdient, dass du ihn in Angst und Schrecken versetzt.“
Sie grinste und drückte ihre Finger liebevoll gegen meine. „Wenn du es dir doch anders überlegst, brauchst du nur ein Wort zu sagen.“
Ich sehnte mich danach sie zu umarmen. Mit jeder Minute, die ich Eliza gegenübersaß und ihr in die grünen Augen sah, fühlte sich mein Herz etwas leichter an.
„Was ist mit Liam? Benimmt er sich?“, fragte Eliza weiter, worauf ich den Mund verzog. „Er arbeitet wieder als Lehrer an unserer Schule.“
Eliza begann erneut zu lachen. Obwohl sie jeden Grund gehabt hätte zu weinen, brachte sie es fertig für die Dauer unseres Gesprächs alles um sich herum zu vergessen und mir das Gefühl zu vermitteln, als säßen wir in einem kleinen Café bei einem Glas Latte Macchiato. „Ich kann ihn mir so gar nicht als Lehrer vorstellen. Macht er seine Sache gut?“
„Er hält sich nicht an den Lehrplan“, erwiderte ich, als würde das alles erklären. „Du hättest ihn als Schülerin sicher gemocht.“
Sie nickte traurig. Gab es für Eliza überhaupt noch Hoffnung, dass sie je einen Schulabschluss bekommen würde? Sie hatte es schon schwer genug gehabt, wie Lucas mir erzählt hatte, aber jetzt erschien eine Rückkehr an die Schule geradezu unmöglich.
„Mona ist sicher froh, dass er wieder zurück ist, oder?“
„Sicher“, sagte ich, obwohl ich es nicht genau wusste. Mona war zwar zurück zu ihm in das Anwesen der Familie gezogen, aber einen glücklichen Eindruck machte sie selten, wenn ich sie sah. Lediglich wenn sie mit Aidan sprach, hellte sich ihr Gesicht ein wenig auf.
Eliza sah auf ihre Hände. Ihr schienen langsam die Fragen auszugehen. Sie hatte mich nach so ziemlich jedem gefragt, den wir beide kannten, nur einen dabei bewusst ausgelassen: Lucas.
Ich legte meine Fingerspitzen sanft über ihre. „Lucas denkt an dich.“
Die Tränen