Liebe ist tödlich. Tessa Koch
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Читать онлайн книгу Liebe ist tödlich - Tessa Koch страница 11
Es scheint etwas zu dauern, ehe Leon sie erkennt. Solange blickt er sie an, mit diesen leeren, beinahe toten Augen, die ihr kalte Schauer den Rücken hinab jagen. Doch dann schüttelt er mit einem Mal schnell den Kopf und der Ausdruck ist verschwunden. Er dreht sich zu dem Mann um, der leise stöhnend da liegt, und blickt dann wieder zu Lela. Kurz glaubt sie, dass er etwas zu ihr sagen möchte. Doch dann fasst er sie unerwartet kräftig bei den Handgelenken und dreht ihre Handflächen schmerzhaft nach oben, um sie sich zu besehen. Kleinere Scherben stecken in ihrem Fleisch und Blut rinnt ihre Handgelenke hinab. Doch im Grunde sieht es schlimmer aus als es ist. Es ist fast nichts im Vergleich zu dem Mann.
Es ist fast nichts im Vergleich zu ihrem plötzlich versteinerten Herzen.
Der Beamte sieht zu, wie der Arzt die Scherben aus Lelas Händen zieht, die Wunden desinfiziert und dann zu Nadel und Faden greift, um einen der Schnitte zu vernähen. Lela sieht im ausdruckslos dabei zu und Leon hat einen seiner Arme fest um ihre Schultern geschlungen, als wolle er sie nie wieder gehen lassen. Nie wieder.
„Sie sagen also, dass er sie belästigt hat?“, hakt der Beamte noch einmal nach.
„Ja.“ Leon nickt. „Dabei ist ihr die Tüte aus der Hand gefallen. Die Gläser sind zersprungen und dann ist sie gestürzt.“ Mit einem Mal spannen sich seine Muskeln wieder an. Bei der bloßen Erinnerung wird er wieder wütend.
„Nun“, setzt der Polizist an, „Herr Wegers hat behauptet, dass die Tüte der Dame …“ Er deutet auf Lela, die sich teilnahmslos verarzten lässt „… gerissen ist, sie dann über die Einkäufe stolperte und hinfiel. Er wollte ihr nur aufhelfen. Zumindest glaube ich, dass er das gesagt hat. Sie haben ihn übel zugerichtet, Herr Berger.“
„Weil er gelogen hat“, antwortet Leon knapp, die Lippen fest aufeinander gepresst. „Ich weiß, was ich gesehen habe! Ich prügel nicht einfach so auf fremde Männer ein, nur weil sie meiner Freundin helfen wollten! Er ist an alldem hier …“ Er deutet auf Lelas Hände „… überhaupt erst Schuld, verdammt nochmal!“
Der Polizist nickt. „Frau Foster.“ Lela sieht leicht abwesend zu ihm auf. Es scheint beinahe so, als nehme sie ihn nun zum ersten Mal richtig wahr. „Können Sie mir vielleicht erzählen, was geschehen ist? Hat Herr Wegers sie belästigt?“
„Wer?“ Lela ist benommen und erschöpft.
„ Der Mann, der von ihrem Freund zusammengeschlagen worden ist.“
Lelas Blick huscht zu Leon, der sie aufmerksam mustert. „Wieso wollen Sie das wissen?“
„Naja.“ Der Beamte kratzt sich an der Nase. „Wenn die Geschichte, die mir Ihr Freund soeben erzählt hat, stimmt und Sie von Herrn Wegers tatsächlich belästigt worden sind, dann wirkt sich das positiv auf die Anzeige gegen Herrn Berger aus. Immerhin hat er dann in Notwehr gehandelt, um Sie zu beschützen. Vielleicht hat er es etwas übertrieben“, fügt er leicht spitz hinzu, „doch es wird sich immer noch mildernd für ihn auswirken. Doch sollte Herr Wegers Sie nicht belästigt haben, so kann dies eine Gefängnisstrafe für Ihren Freund bedeuten. Deswegen ist es wichtig, dass Sie mir jetzt sagen – und zwar die Wahrheit –, was geschehen ist.“
Lelas Blick wird leer, als sie an den freundlichen Ausdruck in den Augen des Mannes denkt, als er ihr aufhelfen wollte. Er hat ihr nichts Böses gewollt. Er hat ihr helfen wollen, weil die verdammte Tüte unter der Last gerissen und sie unglücklich gestürzt ist. Und nun liegt er auf einem der Zimmer dieses Krankenhauses, um seinen gebrochenen Kiefer heilen zu lassen, der sofort gerichtet worden ist, sobald sie eingetroffen sind. Außerdem hat er mehrere Prellungen und eine Gehirnerschütterung. Und trotz alledem auch noch die Kraft, um gegen Leon auszusagen.
Lela hingegen hat fast zwei Stunden warten müssen, ehe sie behandelt worden ist, da heute die <<Hölle>> im Krankenhaus los sei, wie der Arzt, der sie nun behandelt, ihr erklärt hat. Leon hat sich dennoch beschwert, weil sie so lange hat warten müssen. Doch nun wird sie ja behandelt. Während sie dasitzt und vor sich hin starrt, vernäht er ihre Hand, in stiller Neugier an dem Gespräch zwischen Lela, Leon und dem Polizisten beteiligt.
Diese freundlichen, ehrlichen Augen wollen ihr einfach nicht mehr aus dem Sinn gehen. Sie sieht wieder zu dem Beamten auf. „Ich wollte nicht, dass er mich anfasst“, sagt sie dann und wieder wird ihr Blick leer. „Ich habe mich fast zu Tode erschrocken. Und als ich dann herum fahren wollte, ist diese verdammte Tüte gerissen. Er hat mich losgelassen und als ich los laufen wollte, bin ich ausgerutscht und in die Scherben gefallen. Dann hat er mich einfach wieder angefasst.“ Tränen steigen in ihren Augen auf.
„Also hat er sie belästigt?“
Das Bild der freundlichen Augen verblasst langsam. „Ja, hat er.“
„Würden Sie das auch unter Eid aussagen?“
„Natürlich.“
Der Beamte nickt. Er ist sich sicher, dass Lela die Wahrheit sagt. Der Blick aus diesen entsetzten braunen Augen kann nicht lügen, dass spürt er. Diese Frau hat einen schrecklichen Abend hinter sich. Einen sehr schrecklichen. Sie würde nicht lügen. Niemals.
Doch genau das hat Lela getan.
Kapitel 10
Seit Tagen hat sie Leon nicht mehr gesehen.
Seit sie ihre Aussage zu seinen Gunsten bei der Polizei gemacht hat. Ja, der Mann hat sie belästigt. Ja, Leon wollte ihr nur helfen. Nein, sie sagt das nicht, um ihren Lebensgefährten zu schützen. Ja, sie würde dies sogar unter Eid bestätigen. Nein, sie braucht niemanden, der sie nach Hause fährt. Ja, für weitere Nachfragen ist sie jederzeit offen.
An dem Tag hat sie Leon das letzte Mal in die Augen gesehen. An dem Tag, an dem sie einen unschuldigen Mann bezichtigt hat, sie sexuell belästigt zu haben, nur um ihren Freund zu schützen, ihre große Liebe, ihren ach so perfekten Traumprinzen. An dem Tag hat sie sich das letzte Mal von Angesicht zu Angesicht mit ihm befunden. Im Grunde ist Lela über diese Tatsache nicht einmal bestürzt. Im Gegenteil sogar, sie ist erleichtert ihn nach der Sache im Parkhaus erst einmal nicht mehr sehen zu müssen. Sie weiß, dass sie nun erst einmal etwas Zeit braucht, um das alles irgendwie zu verarbeiten. Um ihre eigenen Schlüsse aus dem zu ziehen, was geschehen ist und was sie selbst getan hat.
Sie weiß, dass er sie sehen möchte. Seine Anrufe, die sie nie entgegen nimmt, die SMS, die sie nicht beantwortet, die Blumensträuße, die sie einfach wegwirft, und die Briefe, die sie ungelesen zerreißt, sprechen für sich. Doch sie kann es einfach noch nicht. Sie will es einfach noch nicht. Und obwohl er sie in jeder einzelnen seiner Nachrichten anfleht, wieder mit ihm zu sprechen, sich mit ihm zu treffen, versucht er dennoch nicht, sie zu einer direkten Konfrontation zu zwingen. Bis jetzt zumindest.
Stella ist die einzige, die weiß, was in dem Parkhaus tatsächlich geschehen ist. Sie weiß auch, dass Lela die Polizei belogen hat. Zuerst hat sie versucht, sie dazu zu bewegen, ihre Aussage zurück zu nehmen, doch sie hat es nicht geschafft, Lela umzustimmen. Sie hat zu große Angst. Dabei weiß sie nicht einmal genau, ob sie diese vor ihrer Strafe für die Falschaussage oder vor Leon hat. Doch sie glaubt, dass es eher an ihm liegt. Sie ist einfach zu geschockt von dem, was sie in dem Parkhaus gesehen hat. Von dem Leon, der sich ihr dort offenbart hat. Es war nicht der, den sie zuvor gekannt hat. Nein, es war ein Monster. Ein unaufhaltsames Wesen, das sich in ihm Bahn gebrochen, die Kontrolle