Zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Hans Müncheberg

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Zwischen Wunsch und Wirklichkeit - Hans Müncheberg

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wollen Sie wohl ...“

      Seine Frau unterbrach ihn: „Georg ...!“

      Sie sahen sich an. Helga hob mit einer hilflosen Geste die Schultern, blickte dann mit einem wehen Lächeln auf das Kind. Der Junge hob seinen Kopf ein wenig und blickte sie mit ängstlich fragendem Gesicht an. Ihr Mitgefühl ließ ihr keine andere Möglichkeit. Sie nickte und zeigte auf die Ausgangstür. Sofort griff er nach ihrer Hand, dann blickte er erwartungsvoll zu dem wie entwaffnet dastehenden Georg.

      „Na dann gehen wir,“ sagte er.

      Unfreiwillig zu dritt, liefen sie schweigend die Straße entlang. Der Knabe mühte sich, möglichst schnell voranzukommen. Er hatte noch auf den Stufen des Heims Georgs Hand ergriffen. Nun war es, als ob er die beiden Erwachsenen vom Kinderheim wegziehen wollte. Leicht vorgebeugt, schaute er zuerst nur auf das Pflaster des Gehwegs.

      Helga und Georg sahen sich ratlos an. Ihnen war die entstandene Zwangslage in seiner Unausweichlichkeit bewusst geworden.

      „Das wird ein Nachspiel haben“, murmelte er verärgert.

      Helga erwies sich wieder einmal als weitaus praktischer veranlagt. „Aber jetzt ...? Wohin?“

      Auf der letzten Etappe ihrer Herfahrt hatten sie, nicht weit vom Heim, einen kleinen Park gesehen, in dem ein silbern glänzendes Jagdflugzeug so auf einen Sockel montiert war, dass es aussah, als wolle es schräg aufwärts fliegen.

      „Wollen wir zu dem Flugzeug gehen?“ fragte Georg den Jungen.

      Man sah es dem Knaben an, dass er nicht wusste, wonach er gefragt wurde. Da es aber ein Ziel fern vom Heim war, sagte er nach einiger Überlegung: „Hm ... ja.“

      Als er endlich den Kopf hob, erkundigte sich Helga: „Geht Ihr oft in den Park?“

      Er blickte hin und her, dann sagte er: „Nöö.“

      „Was machst du denn am liebsten?“ wollte sie nun wissen.

      „Stulle!“ Diese Antwort kam sofort. Er hatte offenbar statt -machst du‚ magst du- verstanden. Die Esslust, die aus seiner Antwort abzulesen war, ließ die Erwachsenen einen verständnisvollen Blick wechseln. Dann mussten sie über ihre Reaktion lächeln.

      „Hast du Freunde ..., hier im Heim?“ fragte Helga, als er wieder still zwischen ihnen voranschritt.

      Er schien nachzudenken. Dann hob er die Schultern: „Weeß nich ... “

      In dem Stadtpark sahen sie sich den Düsenjäger an. Georg versuchte, das Interesse des Jungen zu wecken, aber er wusste nichts über Flugzeuge, kaum etwas über Autos, nichts von Eisenbahnen und Schiffen. Die Fragen schienen ihn zu ermüden.

      Georg konnte seine Enttäuschung nicht verbergen. Er blickte Helga an und schüttelte ablehnend den Kopf.

      Ihr tat der Junge leid. Es musste doch nicht seine Schuld sein, wenn er im Wissen so zurückgeblieben war. In einem mütterlichen Impuls fragte sie schließlich: „Wie wär’s mit einem Schokoladeneis?“

      Sofort hellte sich das verschlossene Kindergesicht auf. Der Junge nickte heftig und griff wieder nach ihrer Hand. Er wusste zwar nicht, wo es eine Eisdiele gab, aber er zeigte dahin, wo man hohe Häuser sehen konnte.

      Sie mussten nicht lange suchen. Der Junge strahlte, als man ihm einen Eisbecher und einen kleinen Löffel reichte. Sobald sie zu dritt einen geeigneten Platz gefunden hatten, war er mit allen Sinnen auf den für ihn offenbar seltenen Genuss konzentriert.

      Helga flüsterte ihrem Mann zu: „Siehst du, man muss nur den Schlüssel finden ... “

      Auf dem Rückweg kam ihnen eine in Zweierreihe laufende Gruppe von Heimkindern entgegen. Sowie der Junge sie entdeckt hatte, hob er stolz den Kopf, auch der Griff seiner Hände wurde fester.

      Als die Kinder an ihnen vorbei waren, hörten sie, wie eines der Kinder sagte: „Nun hat der Thorsten auch eine neue Mutti und einen neuen Vati!“

      Die Heimleiterin stand bereits auf dem kleinen Podest vor der Eingangstür. Als Bergers mit dem Jungen zu ihr hinaufstiegen, beugte sie sich etwas vor und fragte den Jungen: „Na? Wie war’s?“

      „Schööön ...!“ Es war ein freudiges Stöhnen. Er nickte heftig und blickte dankbar zu Helga auf.

      „Gut, gut ... du kannst jetzt wieder auf den Hof gehen.“

      Der Knabe machte einige Schritte ins Haus hinein, dann dreht er sich schnell um und schaute das Ehepaar mit großen Augen an. „Kommta wieda?“

      Ohne sich mit ihrem Mann zu verständigen, nickte Helga Berger. „Vielleicht schon nächsten Sonntag.“

      Der Junge atmete erleichtert auf und schlenderte den Gang entlang zur Hofterrasse.

      „Ihre Zusage freut mich“, sagte die Heimleiterin nun. „Sie wurden uns ja vom Referat Jugendhilfe Ihres Stadtbezirks nachdrücklich empfohlen. Falls Sie jetzt noch Fragen haben ...?“ Sie wies einladend ins Innere des Hauses.

      „Sehen Sie unsere Zusage dem Jungen gegenüber bitte nicht als bindende Entscheidung an. Das Kind kann nichts dafür, dass Sie unseren dringlichen Wunsch einer ersten unverbindlichen Beobachtung durchkreuzt haben.“ Helga Berger war nicht bereit, einen erlittenen Wortbruch leichthin abzutun. Sie sprach nicht laut, aber mit allem Nachdruck.

      „Ach, wissen Sie,“ meinte die Heimleiterin leichthin, „nach unseren Erfahrungen kann das bloße Zuschauen leicht zu falschen Schlüssen führen. Da ist ein direkter Kontakt viel aussagekräftiger.“

      „Nichts gegen Ihre Erfahrungen, aber bitte auch nichts gegen unsere Überlegungen.“ Helgas Stimme hatte eine Schärfe erreicht, die Georg alarmierte.

      „Wir haben noch Fragen zu diesem Knaben,“ warf er rasch ein. „Er scheint uns in seinem altersgemäßen Wissen und im Spektrum seiner Interessen sehr begrenzt zu sein.“

      „Ach, wissen Sie,“ die Heimleiterin breitete ihr Hände zu einer allumfassenden Bewegung aus, „man kann den Entwicklungsstand von Kindern, die aus belasteten Elternhäusern herausgenommen werden mussten, nicht mit dem eines Gleichaltrigen aus einem ...,“ nun mokant betonend, „Intelligenzler-Haushalt vergleichen.“

      Helga mochte nicht auf diese unterschwellige Anspielung eingehen. Sie spürte, dass sich Georg nicht mehr lange zurückhalten konnte und fragte knapp und sachlich: „Was hätten Sie zu Thorsten Jäger noch für Hinweise?“

      „Nur soviel,“ kam es aus leicht verkniffenem Mund, „der Junge ist völlig gesund und für seine bisherigen Verhältnisse normal entwickelt.“

      Schweigend liefen sie zu ihrem Auto, blieben unschlüssig neben ihm stehen. Nein, sie konnten nicht einfach davonfahren. Georg wusste, in bestimmten Situationen brauchte Helga einen guten Kaffee, wenigstens einen Espresso.

      In dem Eiscafé, in dem sie mit dem Jungen gesessen hatten, fanden sie ein abseits stehendes Tischchen und konnten ihrem Ärger über das einseitige, offenbar zielgerichtete Vorgehen der Heimleiterin Luft machen. Für Helga war es aber wichtig, ihre Haltung dem Knaben gegenüber nicht davon abhängig zu machen. Der kleine Kerl hatte sich derart über ihr Erscheinen, über den Spaziergang und dort an dem Tisch über das Schokoladeneis gefreut, dass all seine aufgeflammten Hoffnungen in der

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