Zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Hans Müncheberg

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Zwischen Wunsch und Wirklichkeit - Hans Müncheberg

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wir es noch einmal mit ihm versuchen?“ Helga blickte ihren Mann fragend an.

      „Wenn Malte und er miteinander können – ja.“

      „So machen wir es.“ Sie nickte mit einem wehmütigen Lächeln.

      Er beugte sich zu ihr und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, die sie so mutig der Heimleiterin geboten hatte.

      Wieder in Berlin wurden sie erst von Maltes Großmutter nach ihren Eindrücken befragt. Den Wortbruch durch die Heimleiterin fand auch sie unfair. Dadurch erfuhr der gespannt lauschende Malte endlich, wohin seine Eltern gefahren waren. In ihre Überlegungen, einen Weggefährten für ihn zu finden, fühlte er sich sofort einbezogen. Für ihn ging es um einen festen Spielgefährten und so erklärte er großspurig: „Beim nächsten Mal, in dem Heim dort, wenn ich endlich dabei bin, dann krieg ich schon raus, ob der zu uns passt.“

      „Recht hat er“, meinte Helga, „schließlich ist er es, der sich die nächsten Jahre mit diesem Thorsten verstehen müsste.“

      Auch am zweiten Julisonntag lagen Berlin und die Straße nach Bad Freienwalde unter einem blauen Sommerhimmel, an dem die typischen Schönwetterwolken schwebten. Malte hatte sich seiner Teilnahme an dieser Fahrt wiederholt mit einer Mischung aus Neugier und Abwehr vergewissert. Nun thronte er hinter den Eltern im Auto und beobachtete durch die weite Öffnung des Schiebedachs die Wolken, die ihm wie kleine Plastiken erschienen. Auch die Erwachsenen sollten entdecken, dass die eine wie ein Elefant aussah, eine andere wie ein Igel. Am meisten hatten sie über eine Lokomotive zu staunen.

      Als sie die lange Straße hinab ins weite Flusstal rollten und sich dem Kinderheim näherten, verstummte Malte. Nun zeigte sich, unter welcher Anspannung auch er stand. Da sie nicht unmittelbar vor dem Heim parken wollten, hatten sie mit Malte verabredet, dass der Vater den fremden Jungen allein abholen würde und dann mit ihm zum Auto käme. Außerdem mochte Helga nicht erneut auf die Heimleiterin treffen.

      Das Heimkind Thorsten stutzte, als es Georg allein auf der Hofterrasse sah. „Wo is’n die Frau?“

      „Sie ist auch da“, beruhigte der ihn. „Sie wartet im Auto auf dich ... und nicht nur sie allein. – Guten Tag erst mal.“ Er reichte ihm die Hand.

      „Tach“, sagte er, ergriff Georgs Hand und ließ sie nicht wieder los. Unsicher blickte er sich zu der Erzieherin um, die von der Heimleiterin bei jenem ersten Besuch mit 'Frau Schultes' angesprochen worden war. Als sie nickte, wandte sich Thorsten um und zog Georg mit erstaunlicher Kraft in Richtung Straße.

      Sowie er Helga aus dem Auto steigen sah, ließ er los und rannte zu ihr. Sie fing seinen Lauf ab, hob ihn hoch und drehte sich einmal mit ihm um die eigene Achse. Dabei hörte sie ihn zum ersten Mal aufjuchzen.

      Malte war gleichfalls ausgestiegen. Er lief zu Georg: „Ich auch!“

      Der fand den Wunsch berechtigt. Er hob Malte hoch, schleuderte ihn im Kreis umher. Dann stellte er ihn neben Thorsten auf den Gehweg. „So Ihr beiden. Schaut Euch an ...“ Da sie sich nur stumm anstarrten, schlug er vor: „Hallo, was meint ihr? Gehen wir zuerst ins Eiscafé?“

      „Jaaa!“ rief Thorsten, griff nach Helgas Hand und zog sie in die ihm bereits bekannte Richtung.

      Malte sagte nichts, nahm mit einem sich absichernden Impuls die Hand seines Vaters. Als Georg ihn fragend ansah, hob er mit einer vagen Geste die Schultern. Dann folgten sie den zügig Vorangehenden.

      Im Eiscafé begannen nicht nur die farbigen Kugeln in den blanken Metallkelchen zu schmelzen. Die Jungen hatten sich nacheinander ihre Nascherei selbst auswählen dürfen. Am Tisch war es für die Knaben wichtig herauszufinden, was den Becher des jeweils anderen füllte.

      Thorsten hatte sich für das ihm Bekannte entschieden, für Schokoladen-Eis, Malte jedoch für verschiedenfarbiges Frucht-Eis. Während Malte bereits eifrig löffelte, schaute Thorsten immer wieder auf die bunten Kugeln. Endlich raffte er sich zu der Frage auf: „Is’n det Jrüne?“

      „Waldmeister“, antwortete Malte. Und da Thorsten wie hypnotisiert auf das Eis starrte, rang er sich zu dem Angebot durch: „Will’ste kosten?“

      Heftiges Nicken war die Antwort.

      Malte schob seinen Becher ein wenig in dessen Richtung. Sofort stieß Thorsten seinen langen Löffel in Maltes Becher, hob eine ansehnliche Portion grünes Eis heraus und schob es sich in den Mund.

      Es dauerte, dann lautete sein Befund: „Hm ... schmeckt ooch jut, det Jrüne, det ... Walmster.“

      Malte lachte laut auf: „Walmster!!! – Waldmeister ... der Meister im Walde!“

      Nun lachte auch Thorsten: „Meist im Walde.“

      „Da habt ihr beide Recht!“ rief Helga und strich ihnen über den Schopf.

      Die Jungen hatten ihre Eisbecher schneller geleert, als Helga und Georg ihre hohen Gläser mit Eiskaffee. Weil Malte schon unruhig auf seinem Stuhl umherrutschte, während Thorsten noch dabei war, die letzten Reste aus der Tiefe des Bechers zu kratzen, fragte Helga: „Was machen wir jetzt?“

      „Uffräum!“ meinte Thorsten, stieg vom Stuhl, nahm beide Eisbecher und lief zu der Glasplatte, auf der bereits benutztes Geschirr stand.

      Überrascht sah Georg seine Frau an. „Das ist doch was.“

      Auch Malte hatte bei der Einfahrt in den Ort das Jagdflugzeug auf seinem Sockel entdeckt. Nun zog es ihn in den kleinen Park und er zog seinen Vater mit sich. Helga und Thorsten blieb nichts übrig, als ihnen zu folgen.

      Der ausgemusterte Düsenjäger löste bei Malte eine Kette von Fragen aus. Bald versuchte auch Thorsten, es ihm gleich zu tun und auf bestimmte Teile des Flugzeugs zu zeigen. Dabei stießen sie einander an, musterten sich erst kritisch, mussten dann aber lachen.

      Später bewarfen sie sich unter den alten Kiefern mit Kienäpfeln, rannten umher und probierten, wer am weitesten springen konnte. Georg musste Schiedsrichter spielen und mit einem Stock die erreichten Weiten markieren. Helga setzte sich mit einem Gefühl tiefer Erleichterung auf eine Parkbank. Ja, so war es richtig. Die Jungen respektierten einander und konnten gelöst miteinander spielen. Bei gelungenen Sprüngen applaudierte sie den eifrigen Sportlern.

      Auf dem Eingangspodest des Kinderheims wurden sie bereits von der Heimleiterin erwartet. Sie betrachtete mit sichtbarem Interesse den dicht neben seinem Vater stehenden Malte. Sich leicht zu ihm beugend, erkundigte sie sich: „Na, habt Ihr Euch gut vertragen?“

      „Geht so.“ Er blickte zu Thorsten, aber der lehnte sich an Helga und beobachtete mit zusammengekniffenen Augen, was die Heimleiterin tat.

      „Und, habt Ihr was zusammen unternommen?“

      Malte antwortete entgegen seiner sonstigen Gewohnheit ungewöhnlich knapp: „Auch.“

      „Na, Hauptsache, es hat Spaß gemacht.“

      Malte sah seinen Vater an. Der zog ihn an sich.

      Thorsten, noch Helgas Hand haltend, lehnte sich sofort enger an, sagte aber kein Wort. Erst als die Heimleiterin ihn ansah und ihn mit energischer Geste ins Haus schicken wollte, holte er tief Luft und fragte: „Kommta wieda?“

      Als Helga nickte, wandte er sich Malte zu und sagte „Tschüs!“ Dann erst verschwand er in dem langen

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