Zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Hans Müncheberg
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Читать онлайн книгу Zwischen Wunsch und Wirklichkeit - Hans Müncheberg страница 6
Schweigend gingen die drei Berliner zu ihrem Auto. Helga entschied sich spontan, mit Malte hinten einzusteigen. Georg verstand, jetzt ging es ihr um den Jüngsten, also setzte er sich ebenfalls auf die Rückbank. Nun hatten sie Malte zwischen sich – und warteten.
„Also?“ fragte Helga schließlich.
„Naja ..., könnte klappen ...“, lautete die Antwort.
Kapitel III.
Wenige Tage später erhielt die Familie Berger bereits ein amtliches Schreiben des Referats Jugendhilfe. Danach waren sie berechtigt, „das Kind Thorsten Jäger, geb. am 2.11.1970, am Wochenende und zu festgelegten Beurlaubungen im Haushalt zu haben.“
Die schnelle Genehmigung überraschte. Sie erinnerte Georg im ersten Augenblick an das Verhalten der Heimleiterin, eine dringliche Bitte der potenziellen Pflegeltern zu ignorieren. Helga gab ihm einen Kuss und meinte, es könnte auch ein Zeichen besonderen Zutrauens des Amtes in ihre dafür erforderliche Eignung sein. Beide waren sich hingegen noch nicht sicher, ob die wenigen Stunden in Bad Freienwalde ausreichten, um Thorsten über ein Wochenende nach Berlin zu holen.
Am nächsten Abend kündigte der Wetterdienst einige hochsommerliche Tage an. Malte fragte sofort, ob sie nach Schmöckwitz fahren könnten oder wieder nach Freienwalde fahren müssten. Als seine Eltern nicht gleich antworteten, schlug er plötzlich vor: „Oder beides, erst zu dem Heim und dann zusammen mit diesem Thorsten nach Schmöckwitz.“
Das entschied. Georg rief im Kinderheim an und bat, für Thorsten vorsorglich zusammenzupacken, was er für eine Übernachtung benötigen würde.
Alles schien hochsommerlich gestimmt, nicht nur das Wetter und der fröhlich schnatternde Malte, selbst der Zweitaktmotor des Wartburg schien den Tag zu genießen. Ungewohnt leise surrte er über die Chaussee.
Als der Wartburg vor dem Hilde-Coppi-Heim hielt, stand Thorsten bereits, mit einem kleinen Rucksack versehen, auf dem Podest vor der Eingangstür.
„Ich konnte ihn nicht länger zurückhalten“, erklärte Frau Schultes, die für ihn zuständige Betreuerin. „So sehr freut er sich!“
Auf der Rückfahrt hörten, die vorn sitzenden Erwachsenen, vor allem die Stimme ihres Sohnes, der seinem neuen Spielkameraden ausführlich erklärte, wo in Schmöckwitz die kleine Sommerwohnung liegt, wie man über eine hohe Brücke zu einem breiten Badestrand kommt, wo ein Schiff am Ufer eines großen Sees liegt und in Wirklichkeit ein tolles Restaurant ist.
Georg blickte hin und wieder zur Seite. Helga lächelte zufrieden. Mehr als einmal deutete sie mit einer Kopfbewegung auf die hinten sitzenden Knaben. Dann nickte er. Beide waren froh und einer Meinung.
Hinter Blumberg ging es auf die Autobahn. Die beiden Jungen hielten für einen Moment den Atem an, als Georg den Wagen auf die erlaubte Höchstgeschwindigkeit beschleunigte. Jedes Mal, wenn ein anderes Fahrzeug überholt wurde, jubelten sie. Erst, als sie bei Erkner das breite Betonband verließen, kehrte etwas Ruhe ein.
Zwischen Erkner und Neuzittau freuten sich Helga und Georg über den romantisch gewundenen Flusslauf der Spree. Malte nahm an ihrer Naturliebe nur mäßigen Anteil. Dafür staunte er in Wernsdorf zusammen mit Thorsten über die großen Schleusen des Oder-Spree-Kanals. Als das Auto dann die Schmöckwitzer Brücke erreichte, rief Malte, nach links auf das gegenüber liegende Ufer weisend: „Da drüben, da wohnen wir heute ... und hier links, hier gehen wir baden!“
Malte bestand darauf, auch auf dem lang gestreckten Wassergrundstück der Erklärer zu sein. Die Sommerwohnung, in einem schmalen Seitengebäude, bestand aus drei Räumen, vorn eine Wohnküche, anschließend zwei Zimmer, das hintere war jetzt für die Jungen bestimmt, das vordere für die Eltern.
In der Mitte des lang gestreckten Grundstücks führte ein schmaler Weg hinab zum Ufer. Dort konnte man am Ende eines hölzernen Stegs eine kurze Leiter erreichen, die den Abstieg, in hier sogleich tieferes Wasser, ermöglichte. Weil Malte nur wenig, Thorsten aber gar nicht schwimmen konnte, wurden die Jungen mit allem Nachdruck verpflichtet, nicht allein zum Ufer zu laufen. Den anderen Sommergästen und dem Besitzer des an der Straße gelegenen Wohnhauses stellten Bergers den plötzlich schweigsam gewordenen Thorsten als Maltes Gast vor. Mehr schien vorerst nicht erforderlich.
Um unvermeidlicher Neugier zu entgehen, liefen Helga und Georg mit den Jungen schon bald über die Straßenbrücke und suchten sich auf der Liegewiese oberhalb der Badestelle einen Platz, dicht am Ufer. Natürlich wollten die Burschen sofort ins Wasser. Georg folgte den übermütig schreienden Knaben und warf ihnen einen Ball zu. Malte erklärte seinen Vater zum Torwart und warf auf ein imaginäres Tor. Thorsten war sofort an seiner Seite. Beide zwangen den gutmütig mitspielenden Georg nun zu kühnen Sprüngen. Nach einer Weile erlahmte Maltes Interesse an diesem Spiel. Er gewährte Thorsten großmütig eine ausgeglichene Bilanz der erzielten Treffer und verkündete, nunmehr Hunger zu haben. Dem stimmte Thorsten sofort und lautstark zu.
„Wer zuerst angezogen ist!“ rief Malte herausfordernd und hatte danach alle Mühe, mit dem offenbar darin geübten Thorsten gleichzuziehen. Helga und Georg rafften die Badesachen zusammen. Bis zur Brücke liefen sie gemeinsam, dann trug Vater Georg die Utensilien zurück in die Sommerwohnung, während Mutter Helga mit den Jungen weiter zum Ufer des Seddin-Sees ging.
Das Schiffsrestaurant, vom Ufer aus durch eine gangwayähnliche Brücke zu erreichen, war Maltes liebstes Ausflugsziel. Er stürmte sofort hinauf.
Thorsten zögerte einen Augenblick. Er glaubte, das Ufer verlassen zu müssen. Als Helga seine Unsicherheit erkannte und ihn fragend ansah, erklärte er: „Ick ... auf so ’nem Wackelding ...“ Er schüttelte den Kopf und griff nach ihrer Hand.
„Schau mal nach da unten! Das Schiff schwimmt gar nicht mehr. Es liegt schon auf festem Grund.“ Sie musste Thorsten ein wenig näher an die Stegbrücke ziehen. Dann aber kam Malte auf die Gangway zurück und rief: „Da wird grade ein Tisch frei!“
Nun ließ Thorsten Helgas Hand los und rannte zu dem heftig winkenden Malte.
Es stimmte. Von dem Tisch aus hatten sie einen freien Blick auf den See mit seinem lebhaften Schiffsverkehr. Segel- und Motorboote, Ausflugsschiffe und sogar ein langer Schleppzug waren zu beobachten. Malte liebte diese freie Sicht seit dem ersten Besuch an Bord und fing auch sofort an, Thorsten auf alle Attraktionen aufmerksam zu machen. Sie saßen natürlich auf den Außenplätzen, doch dann wurde vor allem Thorsten abgelenkt, als eine Serviererin die Speisekarte auf den Tisch gelegt hatte.
Helga las vor. Thorsten lauschte gespannt, was angeboten wurde. Er rief „Ja!“, als es hieß: „Spaghetti mit Tomatensoße?“
„Für mich auch,“ erklärte Malte und ergänzte: „und ’ne Brause ... bitte!“
„Die ooch!“ nickte Thorsten sofort.
Für Helga gab es noch eine Rinderroulade, dem gerade eintreffenden Georg blieb nur übrig, sich ein reichliches Bauernfrühstück zu bestellen.
Es stellte sich schnell heraus, wie gut es war, dass die vorsorgende Hausfrau immer ein Päckchen Papiertaschentücher bei sich trug. Die Tomatensoße hing oft an pendelnden Spaghettibündeln und wurde in einem beachtlichen Umkreis umhergeschleudert.
Malte zeigte plötzlich auf sein emsig stopfendes Gegenüber, dessen Gesicht mit roter Soße verziert war. Grienend rief er: „Der sieht aus