Zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Hans Müncheberg
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Um die Schlemmerei vollständig zu machen, durften sich die Knaben noch spezielle Eisbecher bestellen.
„Ham Se ooch det Jrüne?“ fragte Thorsten, und als die Serviererin fragend in die Runde schaute, erklärte Malte: „Er meint Waldmeister.“
Wieder auf dem Wassergrundstück mussten sich die Knaben im hinteren Zimmer auf den Campingbetten zur Mittagsruhe ausstrecken. Wenn sie es schafften, eine Stunde absolute Ruhe zu halten, so wurde ihnen versprochen, würde man mit ihnen nach dem Kaffeetrinken im Schlauchboot um die Halbinsel Altschmöckwitz herum paddeln. Thorsten versprach es sofort, wollte aber zuvor nochmals 'uffs Klo' gehen.
Bergers mussten nicht lange warten, bis das Flüstern im Nebenzimmer verstummte. Vom Baden und der reichlichen Mahlzeit waren beide Jungen müde genug, um sich und den Erwachsenen etwas Ruhe zu gönnen.
Helga und Georg gingen vor die Tür. Sie zogen eine erste Bilanz. Ihr Wagnis schien sich gelohnt zu haben. Thorsten erwies sich als ein etwas schlichter, aber doch anpassungsbereiter Bursche, in seiner Art allerdings recht egoistisch. Das mochte daran liegen, dass er ein Heimkind war. Enttäuschend fanden sie seinen engen Kreis des Wissens und seine offenbar auf alles materielle begrenzten Interessen. Auch sein Wortschatz ließ zu wünschen übrig. Das würde sie für den Fall der Fälle in der Zukunft vor große Aufgaben stellen.
„Würde er ..., oder wird er?“ Helga sah ihren Mann forschend an. Aus einem mütterlichen Impuls heraus neigte sie dazu, diese Herausforderung anzunehmen.
„Kann ich noch nicht sagen. Wir kennen ihn erst zwei halbe Tage.“
„Na gut, noch haben wir ja Zeit.“ Ihr genügte es in diesem Moment, dass er sich einer solchen Aufgabe nicht von vornherein verschloss.
Die Stunde war um. Im hinteren Zimmer wurde wieder geflüstert. Helga erlöste die Jungen und lief mit ihnen ans Ufer, wo Georg bereits ein großes, silberig glänzendes Schlauchboot von der Flanke eines Schuppens genommen hatte und es am Bootssteg ins Wasser setzte.
Das Einsteigen in das Wassergefährt klappte ohne Probleme. Jeder Erwachsene hatte nun einen Jungen vor sich zu sitzen. Georg konnte nach dem Paddel greifen und das Schlauchboot vom Steg weg und näher an die Fahrrinne der Fahrgastschiffe lenken. Von den vorbeirauschenden Motorbooten kamen immer wieder hohe Wellen auf sie zu, die er, so gut es ging, durch Drehen des Bootes in die Längsachse zu parieren suchte. Manchmal schaukelte es so heftig, dass die Jungen in einer Mischung aus Furcht und Spaß laut aufschrieen. Erst als sie weit genug um die Halbinsel herum gefahren waren, konnten sie von den Bugwellen fremder Boote nicht mehr erreicht werden. Sie glitten gemächlich an Seerosen, Schilf und Binsen entlang.
Malte kannte die gelben und die weißen Seerosen, er wusste auch, warum es die dicken Schilfkolben gab. Für Thorsten war alles neu. Als man Blesshühner, Wildenten und sogar Haubentaucher sehen konnte und ihn zuerst danach befragte, meinte er nur summarisch: „Det sind Viecher ...“
Malte mochte vor allem die Haubentaucher, weil sie oft unvermittelt unter Wasser verschwanden und meist weit entfernt wieder auftauchten. Er war eifrig bemüht, sie als Erster zu entdecken. Thorsten ließ sich auf das Spiel ein, sein Interesse erlahmte jedoch schnell. Er wirkte plötzlich müde und ließ sich rückwärts an seine vertraute Beschützerin sinken.
Georg nahm es als Zeichen, zügig zurückzufahren. Er lenkte das Schlauchboot möglichst dicht am Ufer der Halbinsel entlang, um hohen Wellen zu entgehen. Dabei kam ihm zugute, dass gerade ein Schleppdampfer mit mehreren Lastkähnen flussabwärts auf die Schmöckwitzer Brücke zusteuerte. Die sonst mit dröhnenden Motoren dahinjagenden Sportboote mussten nun ihre Geschwindigkeit drosseln.
Die Zeit bis zum Abendbrot verging für Georg und die Jungen mit Vorlesen aus bunten Kinderbüchern. Helga bereitete schon die Betten für die Knaben vor.
Dass frische Luft hungrig macht, erwies sich erneut beim Abendessen in der schmalen Küche der Sommerwohnung. Man saß vor der mit dunklem Holz halbhoch verkleideten Wand um einen Tisch, der fast die ganze Breite des Raumes benötigte. Einen Herd gab es nicht, nur eine elektrische Kochplatte und einen Wasserkocher, aber für die wenigen wirklich sommerlichen Wochenenden wurde das seit je als ausreichend empfunden.
Auch wenn am Tage ausgiebig gebadet worden war, musste vor dem Zubettgehen eine gründliche Reinigung erfolgen. So waren es Helga und ihre Familie gewöhnt. In der Sommerwohnung wurde dafür stets eine große Schüssel mit handwarmem Wasser auf einen Hocker gestellt und eine Badematte davor gelegt. So erklärte sie es auch ihrem kleinen Gast, der sich, wie Malte, nun völlig zu entkleiden hatte. Thorsten legte seine Kleidung ordentlich auf den Stuhl, auf dem er zuvor gesessen hatte, während Malte alles wild durcheinander über eine Stuhllehne warf.
Georg ärgerte sich erneut über die unbekümmerte Schlampigkeit Maltes und wies seinen Sohn auf die vorbildliche Ordnung bei Thorstens Kleidung hin. Für Malte war das Anlass zu einer nicht ernst gemeinten Schubserei. Thorsten wehrte sich und stieß Malte von Mal zu Mal kräftiger zurück.
„Aufhören!“ rief Helga, doch Malte war verbissen in das Gerangel. Er wollte dem nächsten Stoß Thorstens ausweichen und taumelte derart ungeschickt zurück, dass er rückwärts gegen die Konsole stieß, auf der das Wasser im Kocher bereits zu sprudeln begonnen hatte. Der Kocher kippte nach vorn und das siedende Wasser ergoss sich über seinen nackten Rücken.
Noch nie hatte man in der Sommeridylle so grelle Schmerzensschreie gehört.
„Malte ...!!!“ Fassungsloses Entsetzen ließ Helga Stimme brüchig klingen. Sie beugte sich vor, um seinen verbrühten Rücken zu sehen, doch er wand sich vor Schmerzen. Sein Oberkörper schien sich aufzubäumen.
Im ersten Moment war auch Georg vor Schreck wie erstarrt, dann rief er: „Gibt’s hier Verbandszeug?“
Herr Neusche, der Besitzer des Grundstücks, eilte herbei. Als erfahrenes Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr erfasste er, was geschehen war und rief Helga zu: „Ein nasses Handtuch auf den Rücken und sofort ins Krankenhaus!“ Nach einem Moment des Nachdenkens fügte er mit aller Entschiedenheit hinzu: „Ich fahre mit!“
Georg rannte sofort zur Straße. Herr Neusche griff sich eines der bereitliegenden Tücher und drückte es in die auf dem Hocker stehende Schüssel. „Halten Sie den Jungen!“ rief er Helga zu und legte das Tuch auf den grellroten Rücken des Kindes. Der ließ sich auf die Arme seiner Mutter sinken. Seine Schreie gingen in ein hilfloses Schluchzen über.
Herr Neusche bat seine herbeigeeilte Frau, sich um den stumm und verängstigt dastehenden Thorsten zu kümmern, dann folgte er Helga, die bereits, den nackten Malte auf ihren Unterarmen, hinauf zur Straße lief.
Georg hatte schon die Türen des Autos aufgerissen. Er nahm Helga behutsam den Jungen ab, ließ sie im Fond einsteigen und reichte ihr dann das aufstöhnende Kind.
Herr Neusche setzte sich auf den Beifahrersitz und riet Georg: „Am besten: Scheinwerfer an und volle Pulle!“
Mit höchstmöglicher Geschwindigkeit, voll aufgeblendeten Scheinwerfern und wiederholten Hupsignalen rasten sie auf der langen Chaussee nach Grünau. Herr Neusche dirigierte sie über Spindlersfeld nach Köpenick und wusste als Mitglied der Feuerwehr auch, wo bei dem Krankenhaus die Auffahrt zur Notaufnahme lag.
Malte weinte und schrie immer wieder vor Schmerz. Helga strich ihm über den Kopf und sucht nach Worten, die sie dem Jungen sagen konnte. Ihr war,