Einer von Zweien. E. K. Busch

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Einer von Zweien - E. K. Busch страница 5

Автор:
Серия:
Издательство:
Einer von Zweien - E. K. Busch

Скачать книгу

im Wald herum und kommt mit zerrissenen Hosen zurück!“

      Doch Frau Grubers Gesicht quoll über vor Wärme und Stolz. Dann fügte sie noch hinzu: „Er ist eben ein kleiner Rabauke und deinen Bruder steckt er jetzt, wo du hier im Haus sitzen musst, auch noch mit seinen verrückten Ideen an.“

      „Sie bauen da draußen ein Baumhaus“, erklärte ich: „Es wird wunderbar werden, hat Fred gesagt. Ein richtiges Baumhaus!“ Frau Gruber lächelte und zeigte dabei ihre schiefen Zähne. „Na, dann nehme ich die gute Seife. Ich werde sie brauchen.“ Sie drückte mir eine zusätzliche Münze in die Hand und flüsterte: „Wenn du fleißig sparst, kannst du dir ein Modellflugzeug kaufen oder eines dieser kleinen Autos.“ Ich erwiderte lächelnd: „Vielen Dank, Frau Gruber. Ich kaufe mir aber lieber ein neues Buch. Wir haben so wenige Bücher.“

      „Na, dann geh doch Mal in die Bibliothek und leihe dir welche aus. Das ist praktischer und günstiger noch dazu.“

      Ich sah sie fragend an. Die Biblio-Was?

      „Du weißt schon, Konrad: Das Haus gegenüber von der Kirche. Im Erdgeschoss!“ Sie winkte mir zu, als sie aus dem Laden trat und die Glocke ertönen ließ.

      Ich quälte mich also, zwei Krücken zur Seite – Vater hatte sie mir gemacht -, zum Haus gegenüber der Kirche. Vater schnitzte sehr gerne und jeden Abend saß er im Hinterhof und verwandelte ein unförmiges Stück Holz in ein Figürchen – ob Mensch oder Tier - , in ein Türschild, das jemand bestellt hatte, oder eben in Krücken für seinen Sohn. Wahrscheinlich hätte ich Vater lediglich fragen brauchen: „Kannst du mich bitte auf deinem Gepäckträger zur Bibliothek bringen?“, und er hätte in seinem Lied innegehalten und geantwortet: „Steig einfach auf und halte dich gut fest!“

      Dann wäre er mit mir auf seinem rostigen Fahrrad summend durchs Dorf gefahren. Die blaue Farbe wäre bei jedem Treten abgeblättert und wir hätten wohl eine Spur aus kleinen Lackschuppen hinterlassen. Aber ich hatte Vater beim Aussortieren der alten Zeitungen nicht stören wollen und mich also allein auf den Weg zur Bibliothek gemacht. Und so stieg ich nun mühsam die drei Stufen hinauf, die zur Haustür des ziemlich kargen Gebäudes führten. Ich hatte nicht gewusst, dass sich hinter dieser dunklen Holztür die Bibliothek befand, obwohl wir jeden Sonntag an dem Haus vorbeikamen. Aber nicht einmal ein Schild wies auf den Schatz im Bauch des Gebäudes hin. Die Tür war schwer und ich konnte sie kaum öffnen, musste mich mit voller Kraft gegen sie lehnen. Dann betrat ich ein kahles Treppenhaus, in dem nur ein Pappschild stand.

      Erdgeschoss: Öffentliche Gemeindebibliothek

      Obergeschoss: Kanzlei Dr. Eichinger

      Dachgeschoss: Privat

      Ich ging auf die Tür gegenüber der Treppe zu und versuchte sie zu öffnen. Verschlossen. Enttäuscht und erschöpft ließ ich mich gegen sie fallen. Alle Mühe also vergebens! Dann bemerkte ich einen Zettel an der Wand. In unleserlicher Schrift, die erst entschlüsselt werden wollte, stand dort geschrieben:

      Wer ein Buch ausleihen möchte, der wende sich bitte an Dr. Eichinger (1. OG)

      Mo – Mi: 9:00 bis 12:00 Uhr

      Ich machte mich also auf den Weg zu Dr. Eichinger, klammerte mich an das abgegriffene Holzgeländer und hangelte mich mühsam aufwärts. Ich klingelte an der Tür und der kleine Mann mit dem lockigen grauen Haar und dem faltigen Gesicht, der mir noch so oft die Tür öffnen sollte, sah mich misstrauisch durch seine Brille an.

      „Du bist aber nicht Herr Tulpe, oder?“, dann blickte er auf seine goldene Armbanduhr und murmelte: „Ohnehin haben wir erst einen Termin in einer halben Stunde ausgemacht.“

      Ich sah den Mann etwas ängstlich an und erklärte: „Guten Morgen, Herr Eichinger“, so wie meine Mutter es mir beigebracht hatte. „Konrad, und dass du die Leute auch immer bei ihrem Namen ansprichst!“

      „Doktor Eichinger“, wandte der Mann ermahnend ein. Ich sah ihn fragend an.

      „Die Titel, mein lieber Junge, darfst du nicht vergessen.“

      „Die Titel?“

      „Nun, den Doktortitel zum Beispiel.“

      „Sind Sie denn Arzt?“

      „Nein, ein Anwalt bin ich. Der einzige in diesem Provinznest.“

      Es folgte ein kurzer Vortrag über die Art seines Berufes und das Studium an der Universität im Allgemeinen und schließlich noch über die Promotion im Besonderen. Ich hörte aufmerksam zu und kam mir sehr dumm dabei vor. Von alledem hatte ich noch nie etwas gehört. Hätte dieser seltsame Mann etwas über den Bussard erzählt oder über die Eidechse, dann hätte ich etwas Kluges erwidern können, aber so konnte ich nur seiner etwas schrillen Stimme lauschen.

      „Ich bin hier, weil unten ein Zettel hängt...“, erklärte ich, als er mich endlich zu Wort kommen ließ.

      „Ach, die Bibliothek. Weshalb hast du das denn nicht gleich gesagt?“

      Nun machte sich ein gelassenerer Ausdruck in seinem Gesicht breit.

      „Ich hole den Schlüssel.“ Damit verschwand er, wie ich später lernen würde, in seiner Anwaltskanzlei. Er half mir, nachdem er meine Krücken bemerkt hatte, die Treppe hinunter und führte mich dann in die seiner Meinung nach überaus bescheidene Gemeindebibliothek ein.

      „Dort hinten findest du Prosa und unsere drei Lyrikbänder. Hier vorne stehen die Sachbücher. Es sind bestimmt zwanzig. Wir sind besonders was die heimische Flora betrifft reich bestückt.“

      Er lachte gackernd. Er schien mir etwas verrückt zu sein, dieser Doktor Eichinger. Doch ich war so fasziniert von den vielen Büchern, dass ich auf den alten Mann nicht weiter achtete, der da etwas gelangweilt neben mir stand. Ich fragte vorsichtig: „Und die darf ich alle lesen?“

      „Du darfst sie sogar mit nach Hause nehmen, mein Junge. Du musst nur gut auf sie acht geben und sie nach einem Monat wieder heil zurückbringen. Für den Fall, dass noch ein zweiter Mensch in diesem Provinznest auf die Idee kommen sollte, ein Buch zu lesen.“

      Ganze zwei Bücher brachte ich heim. Mehr konnte ich in Anbetracht der Krücken nicht transportieren. Es gelang mir gerade, eines auf jeder Seite unter den Arm zu klemmen. Als ich zu Hause ankam, begann ich sogleich mit der Lektüre. Das eine Buch hieß Das Geheimnis der Zahlen und war ein Mathematikbuch, das seine besten Tage bereits hinter sich gebracht hatte. Die Seiten rochen nach altem Käse und ich hielt es daher immer in einiger Entfernung, wollte es schon gar nicht auf mein Kopfkissen legen, wo ich doch gerne auf dem Bauch liegend las. Das andere Buch war ein Märchenbuch mit unheimlichen Zeichnungen. Eigentlich hatte ich ja ein Buch über Gartenkräuter ausleihen wollen, hatte es schon aus dem Regal gezogen. Doch als ich dann das Märchenbuch entdeckt hatte, hatte ich nicht länger an dem Bildungsvorsatz festhalten können. Außerdem: Auch über Märchen hätte ein gebildeter junger Mann Bescheid zu wissen!

      Früher hatte uns Vater oft Märchen vorgelesen, manchmal bis tief in die Nacht. Auch wenn sein Lesen nie besonders flüssig gewesen war, hatte es mir doch immer sehr gefallen. Vater hatte stets mit ganzer Seele gelesen. War eine Geschichte traurig gewesen, und viele Märchen waren im Grunde sehr traurig, hatte er oftmals zu weinen begonnen.

      „Das ist so furchtbar. Das arme Mädchen. Erst verliert es die Mutter und jetzt...“

      Fred und ich hatten dann unsere dünnen Arme um seinen wuchtigen

Скачать книгу