Die STERNENKÖNIG - Saga. P.K. Stanfay

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Die STERNENKÖNIG - Saga - P.K. Stanfay

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Sagen und Legenden nach stammten die Berserker einst von den barbarischen Nordländern ab. Sie waren schon immer tapfere und mutige Krieger gewesen, die von allen Stämmen dort geachtet, aber mehr noch gefürchtet wurden. Denn wenn man sie reizte und wütend machte, verwandelten sie sich in gnadenlose, ohne Rücksicht auf Verluste vorgehende Kampfmaschinen. Und in diesem Zustand konnten hundert von ihnen ein ganzes Heer in die Flucht schlagen. Deshalb waren sie auch immer gern gesehene Bündnispartner bei den zahlreichen Kriegszügen der Nordländer gewesen.

      Doch dann kam die Zeit des legendären Großhäuptlings Belgador, eines außerordentlich klugen und weisen Mannes. Er überzeugte sein Volk davon, das Ackerbau, Viehzucht, Handwerk und Handel mehr einbrachten als ständige Raubzüge und Blutvergießen. Und er sollte Recht behalten!

      Einige Generationen später waren die Berserker eines der reichsten und mächtigsten Völker des Nordens geworden. Doch immer mehr wuchsen Neid und Missgunst bei den anderen Stämmen der Nordländer und brachen letztendlich in offene Feindseligkeit aus. Den alten Überlieferungen nach kam es zu zahlreichen Auseinandersetzungen, Kämpfen und Intrigen und schließlich war das Volk der Berserker so ausgelaugt und ausgeblutet, das es beschloss, die alte Heimat zu verlassen, um sich in der Fremde eine neue zu suchen.

      So begann der Große Marsch gen Süden. Getreu den Gesetzen des weisen Belgador schlossen sie mit jedem Volk, auf das sie unterwegs stießen und das ihnen nicht feindlich gesinnt war, Frieden. Nach einigen Jahren der Wanderung erreichten sie schließlich das Mossoc-Gebirge, fanden den Übergang und von der außerordentlich guten strategischen Lage angetan, beschloss man, das hier die neue Heimat der Berserker aufgebaut werden sollte und gründete das Königreich Berseria.

      Als Karra und Kratos aus dem Wald traten, bot sich ihnen ein überwältigender Anblick.

      Ungefähr zweihundert Meter vor ihnen wölbte sich das schon erwähnte Felsviadukt in einem sanften Bogen auf die andere Seite. Nicht weit dahinter erhob sich eine gigantische, etwa zehn Meter hohe Mauer, die sich, so weit das Auge reichte, nach links und rechts fortsetzte. Genau gegenüber der Felsbrücke war ein großes, eisernes Tor in diese Mauer eingelassen worden, welches von zwei mächtigen Wachtürmen flankiert wurde, die ihrerseits die Mauer noch um ein gutes Stück überragten. Aus den vielen, regelmäßig angeordneten Schießscharten, starrten drohend die Spitzen langer Speere, die von gewaltigen Katapulten abgefeuert wurden konnten. Da sich dahinter der Berghang allmählich immer weiter in die Höhe zog, konnte man in weiter Ferne eine große, prächtige Stadt erkennen - Berror.

      „Hach, dieser Anblick beeindruckt mich immer wieder aufs Neue“, seufzte Karra.

      „Na, dann reiß dich mal los und komm endlich“, quetschte Kratos zwischen seinen Kiefern, die den Bastkorb trugen, hervor. „Ich hab´ nämlich einen gewaltigen Hunger und bin schon ganz gespannt, was die Küche König Ragadors heute so an Leckerbissen zu bieten hat.“

      Gemeinsam trabten sie über den breiten Felsbogen auf das eiserne Tor zu.

      Dort öffnete sich jetzt eine eingelassene Tür. Ein Mann trat heraus und wartete mit verschränkten Armen auf sie. Er war, wie alle Männer seines Volkes, gut zwei Meter groß. Die dunkelgrauen Haare, die jeder Berserker, ob Knabe oder Mädchen, hatte, fielen ihm bis auf die breiten Schultern. Seine kräftige Gestalt steckte in einem knielangen, silbrig schimmernden Panzerhemd, das in der Taille von einem breiten Ledergürtel zusammengehalten wurde, auf dessen goldener Schnalle das Wappen der Berserker abgebildet war - eine Weizenähre, die sich mit einem Schwert kreuzte. Der dunkelrote Umhang, den er trug, zeigte an, das er zur Abteilung der Tor - und Mauerwächter gehörte. Waffen trug er keine bei sich.

      „Sei mir gegrüßt, Herrscher der Lupoden“, sagte der Mann lächelnd, als sie bei ihm angelangt waren. „Ihr habt uns ja schon lange nicht mehr besucht. Und heute sogar in Begleitung eurer werten Frau Gemahlin.“ Er verbeugte sich leicht vor Karra. „Was führt euch zu uns?“

      „Es ist uns eine Ehre, von Boldor, dem Hauptmann der Torwächter, persönlich empfangen zu werden“, entgegnete Kratos, der den Bastkorb vorsichtig vor sich hingestellt hatte. „Wir müssen König Ragador in einer wichtigen Angelegenheit sprechen.“ Und er deutete mit der Schnauze auf den Korb.

      Interessiert trat Boldor näher und schaute hinein. „Aber das ist ja ein Kind!“ rief er überrascht. „Ein Menschenkind! Wie, bei allen Mondgöttern, kommt ihr denn dazu?“

      „Das ist eine wirklich lange Geschichte, Hauptmann“, antwortete Karra. „Aber wir sind seit drei Tagen und Nächten unterwegs, erschöpft, müde ...“

      „Und hungrig“, brummte Kratos dazwischen.

      „Das auch, ja“, bestätigte sie mit einem ärgerlichen Seitenblick auf ihn. „Und außerdem denke ich, das wir diese Geschichte nur einmal erzählen sollten - und zwar dem König. Das versteht ihr doch sicher, Hauptmann?“ Sie schenkte ihm ihr liebenswürdigstes Lächeln.

      „Natürlich, Königin Karra“, erwiderte Boldor. „Bitte entschuldigt mein ungastliches Benehmen. Ich werde sofort einen Boten zur Stadt schicken, um eure Ankunft zu melden und begleite euch dann persönlich nach Berror.“

      Es war schon erstaunlich, was die Berserker dem einst so kargen Gebiet jenseits der Mauer im Laufe der Zeiten abgetrotzt hatten.

      Durch die Umleitung einiger Bergquellen und Anlegung vieler Brunnen war eine fruchtbare Landschaft entstanden. Goldgelbe Weizenfelder wurden unterbrochen von blühenden Obst - und Gemüseplantagen und auf den saftigen Wiesen grasten große Schaf -, Rinder - und Pferdeherden. Eine breite, gut befestigte Straße schlängelte sich zwischen zahlreichen kleinen Dörfern vom eisernen Tor bis zur Stadt.

      Reger Verkehr herrschte auf ihr. Zwei - und vierrädrige Holzkarren, gezogen von Ochsen - oder Pferdegespannen, beladen mit Mehl, den verschiedensten Obst - und Gemüsesorten, Wein und noch vielem mehr, rollten Richtung Stadt. Im Gegenzug kamen die Händler und Handwerker aus Berror, um auf den Märkten der Ortschaften ihre Waren feilzubieten. Von den Minen in den Bergen brachten Fuhrwerke Ladungen voller Kohle, Erz und wertvollen Edelmetallen hinunter.

      Die Stadt selber war von einer doppelten Mauer umgeben, wobei die hintere noch ein Stück höher gebaut worden war, um einen eventuell angreifenden Feind von beiden zugleich unter Beschuss nehmen zu können. Getrennt wurden sie zusätzlich noch von einem tiefen, mit Wasser gefüllten Burggraben, der nur über die Zugbrücken der vier Tore, von denen es in jeder Himmelsrichtung eines gab, überschrit-ten werden konnte. Aufgrund dieser schweren Befestigungen trug Berror deshalb auch den Beinamen ‚die Unbezwingbare’. Die vier Torstraßen führten geradewegs ins Zentrum der Stadt zu einem großen, kreisrunden, mit Marmorplatten gepflasterten Platz, in dessen Mitte eine überlebensgroße, ganz aus Gold bestehende Statue stand, die den legendären, vom ganzen Volk verehrten Großhäuptling Belgador darstellte. Das war der Krönungsplatz, jener Ort, an dem jeder neue König der Berserker in einer feierlichen Zeremonie Krone und Zepter entgegennahm.

      Unmittelbar hinter diesem Platz erhob sich der prächtige Königspalast von Berror, wo in seinem privaten Audienzsaal König Ragador dem Bericht des weißen Wolfs lauschte.

      Das ansonsten offene und freundliche Gesicht des stattlichen Mannes, der in der Blüte seines Lebens stand, verdüsterte sich immer mehr und die eigentlich fröhlich leuchtenden braunen Augen hatte er nachdenklich zusammengekniffen.

      „ ... und deshalb kam ich zu dem Entschluss, Euch zu bitten, dieses Menschenkind aufzunehmen“, beendete Kratos seine Ausführungen.

      Eine Weile schwieg Ragador. „Ihr bringt wahrlich keine guten Nachrichten, Herrscher der Großen Grauen Wölfe“, sagte er schließlich. „Aber das erklärt so einiges.“

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