Zerrissen. Andreas Osinski

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Zerrissen - Andreas Osinski страница 12

Автор:
Серия:
Издательство:
Zerrissen - Andreas Osinski

Скачать книгу

wir dahin. Mitten in die sternklare Nacht. Mit meiner Musikauswahl hatte ich scheinbar genau ihren Geschmack getroffen, denn ein leises Summen drang vom Sitz neben mir an mein Ohr. Ich drehte meinen Kopf ein wenig nach rechts und bemerkte, daß Susann den Text des Songs mitsang. Immer genau einen halben Ton unter der schnarrenden Stimme des Sängers. Genau einen halben Ton.Nicht mehr und nicht weniger. Minutenlang! Ich konnte mir ein anerkennendes Lächeln nicht verkneifen, denn es war wirklich nicht einfach, so genau falsch zu singen. Susann hatte mein Lächeln offenbar bemerkt, denn sie beendete abrupt ihre Gesangseinlage, hüstelte verlegen und schaute dann zu mir herüber. „Hast Du eigentlich eine Waffe?“ fragte sie nach einer kurzen Pause. „Ich habe keine Waffe, ich bin eine Waffe!“ antwortete ich bewußt langsam und mit einem männlichtiefen Unterton in der Stimme. „Hast Du oder hast Du nicht?“ fragte sie ungeduldig. „Ich hab.“ „Und? Hast Du schon einmal geschossen?“ „Schon oft!“ antwortete ich geheimnisvoll. Susann beugte sich vor, wandte ihren gesamten Oberkörper nach links und blickte mich interessiert und zugleich fragend an.„Ich war als Kind im Schützenverein!“ fügte ich so beiläufig wie möglich hinzu, während ich eindringlich in ihre Augen schaute und ein Lächeln in meinem Gesicht nicht vollständig unterdrücken konnte. Susann knuffte leicht und mit gespielter Wut meine rechte Schulter, lehnte sich dann mit einem lauten Seufzen in ihrem Sitz zurück und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. „Na klar habe ich eine Waffe.“ versuchte ich sie zu beruhigen. „Sie liegt in meinem Schreibtisch im Büro. Ich habe sie aber noch nie gebraucht. Ich nehme sie auch nie mit.“ Susann schaute mich fragend an. „Weißt Du, wenn man ständig eine Waffe bei sich trägt, kommt man sehr leicht in Versuchung, sie auch zu benutzen.“ versuchte ich ihr zu erklären. „Und dann richtet man vielleicht eine Menge Schaden an. Schaden, den man möglicherweise nicht wieder gutmachen kann. Bis jetzt habe ich sie auch noch nie vermißt!“ fügte ich vorsichtshalber noch hinzu. „Und wenn Du dich mal verteidigen mußt?“ fragte sie besorgt. „Dann laufe ich ganz schnell weg!“ entgegnete ich schulterzuckend mit einem Lächeln im Gesicht. „Ich bin ein sehr, sehr guter Läufer! Außerdem bin ich lieber ein lebendiger Feigling als ein toter Held!“ Susann lachte kurz auf, wandte ihren Kopf zur anderen Seite und blickte durch das Seitenfenster meines Wagens nach draußen. Sie schien beruhigt zu sein. Ich beugte mich ein paar Zentimeter nach rechts und öffnete die Klappe meines stets aufgeräumten Hanschuhfaches auf der Beifahrerseite. Gerade als ich im Begriff war, eine neue Schachtel Benson & Hedges hervorzu-kramen, löste sich zu meinem Entsetzen ein Wust kleiner Notizzettel, zerknüllter Zigarettenschachteln mit Telefonnummern darauf, defekter Einwegfeuerzeuge, kaputter Kugelschreiber, alter und neuer Kaugummis, gebrauchter Papiertaschen- tucher und unbezahlter Strafzettel aus dem Fach und ergoß sich teilweise über Susanns Knien, teilweise über das Bodenblech meines Wagens. Das war eines meiner wenigen Probleme: Ich konnte mich von nichts wirklich trennen! „God damned! What the hell ist this?“ entfuhr es Susann lang und gedehnt, als sie mit verächtlicher Mine das Stilleben auf ihren Knien betrachtete. Sie hob beide Hände zu einer beschwörenden Geste und blickte strafend zu mir herüber. Ich habe möglicherweise vergessen zu erwähnen, daß Susann redete, wie ihr der Schnabel gewachsen war und daß sie viel und laut fluchte. Hauptsächlich in Englisch. Dieser Umstand hatte uns mit Sicherheit vor der einen oder anderen peinlichen Situation bei Simonsens bewahrt, denn diese Lady hatte Sprüche drauf, die ich nicht einmal nachts um zwölf an die Tür einer öffentlichen Toilette gepinselt hätte. Aber das war ganz offensichtlich das irische Blut, das durch ihre Adern floß. „Das ist nur mein Büro!“ entgegnete ich lapidar und um Schadensbegrenzung bemüht. Ich angelte mir die angebrochene Packung Benson & Hedges von ihrem Schoß, fingerte mit meiner rechten eine angeknitterte Zigarette aus der Schachtel und steckte sie zwischen die Lippen. „Weißt Du, wenn man so viel Zeit im Auto verbringt wie ich, muß man alles Wichtige auch im Wagen haben.“ versuchte ich ihr zu erklären. „Gibst du mir mal bitte das Feuerzeug da vorne.“ bat ich sie, mit einem leichten Kopfnicken die Richtung andeutend. Susann nahm das grüne Feuerzeug aus der Ablage und drückte es mir wortlos in die Hand. Mit ihrer Rechten hatte sie mittlerweile begonnen, das Handschuhfach wieder einzuräumen. Periodisch blickte sie strafend aber doch mit einem durchaus gütigen Gesichtsausdruck zu mir herüber, während sie die kleinen Notizzettel säuberlich ordnete und den Stapel schließlich wieder in das Handschuhfach verbannte. Mit einer gezielten Handbewegung drückte Susann die Klappe des Faches schließlich ins Schloß und lehnte sich anschließend wieder in ihrem Sitz zurück. Ich hielt das Feuerzeug an das hintere Ende der Zigarette und blickte auf die Uhr des kirschbaumfurnierten Armaturenbrettes meines Wagens. Da es noch einigermaßen früh am Abend war, entschloß ich mich spontan, kurz auf einen Sprung in unserem Büro vorbeizuschauen. Es lag ohnehin auf dem Weg in die City, so daß es sich förmlich aufdrängte. Ich hatte meinen Partner Marc morgens gebeten, mir eine bestimmte Information zu besorgen und mich dann im Laufe des Abends bei Simonsens zurückzurufen. Marc hatte sich jedoch nicht gemeldet, obgleich ich ihm die Telefonnummer des Restaurants vorsorglich auf einem kleinen gelben Zettel notiert hatte. Mit Sicherheit schmorte dieser Fetzen Papier nun zusammen mit einem Haufen weiterer Zettel und anderem Krimskrams im Handschuhfach seines Wagens! Also ging ich davon aus, daß Marc mir eine Nachricht auf meinem Schreibtisch hinterlassen hätte. Marc war Franzose, hatte ein paar Jahre in Montreal gelebt und war dann nach Deutschland gekommen. Marc war ein guter Freund und zugleich mein Partner. Allerdings auch das krasse Gegenteil von mir, was die Sache nicht immer leicht machte. Und manchmal -aber auch nur dann- ging er mir wirklich auf die Nerven mit seiner pedantischen Art! Wir hatten uns vor ungefähr fünf Jahren entschlossen, unsere Brötchen zukünftig als Privatdetektive zu verdienen. Wir hatten unsere Jobs aufgegeben, ein paar Detektivkurse an der Volkshochschule besucht, den Waffenschein gemacht und mehrere Kurse für Selbstverteidigung belegt. Und um das nötige Kleingeld für die nicht ganz günstige Ausrüstung zusammenzubekommen, hatten wir bei einer Warenhaus-detektei angeheuert. Von irgendetwas mußten wir ja schließlich leben. Wie heißt es doch so schön: Wir waren jung und wir brauchten das Geld! Dann hatten wir einen Kredit aufgenommen und unser kleines Büro in der City angemietet. Am Anfang hatte es überhaupt nicht rosig ausgesehen, doch seit ungefähr zwei Jahren schrieben wir nun „schwarze Zahlen.“ Reich werden konnte man mit diesem Job nicht. Aber es machte Spaß, obgleich es manchmal schon ziemlich stressig war. Jedenfalls hätte ich für nichts auf der Welt tauschen mögen! Die Information, die ich auf meinem Schreibtisch vorzufinden erhoffte, betraf einen ziemlich miesen Typen mit Playboyambitionen, den Marc und ich momentan beschatteten. Genauer gesagt war es Marc, der ihn gerade beschattete, da er mich wegen der Verabredung mit Susann um kurz vor sieben abgelöst hatte. Yuppie Tom war ein aalglatter Playboytyp und hatte scheinbar nichts besseres zu tun, als seine junge Frau Sarah Kerlin, eine Bankierstochter aus sehr guten Haus, bei jeder sich bietenden Gelegenheit nach Strich und Faden zu betrügen und ihr Geld mit vollen Händen aus dem Fenster zu schmeißen. Der Typ war kein Heiratsschwindler im eigentlichen Sinn, dazu war er zu einfältig und zu schmalbrüstig. Thomas Kerlin war nur jemand, der offenbar die angenehmen Seiten des Lebens zu schätzen wußte und nicht das Geringste von regelmäßiger Arbeit hielt. Dabei schrammte er immer haarscharf an der Grenze der Legalität entlang, denn „Recht“ und „Unrecht“ waren für Tom durchaus dehnbare Begriffe. Sarahs Vater, ein eloquenter älterer Herr, hatte Marc und mich ohne Wissen seiner Tochter engagiert, da er das Treiben seines Schwiegersohnes und die Demütigungen seiner geliebten Tochter nicht mehr tatenlos hinnehmen wollte. Und Marc und ich taten, wie immer, unser Bestes. Ich kurbelte das Seitenfenster meines Wagens ein Stück herunter und schnippte den Zigarettenstummel achtlos auf die Straße. Die frische Luft tat mir gut und ich atmete tief durch. Susann hatte den Kopf an die Seitenscheibe gelehnt und schaute durch die Frontscheibe meines Wagens in die sternenklare Nacht. Träge floß der nicht abreißende Verkehrsstrom durch die Vorortstraßen unserer beschaulichen Stadt in Richtung City. Ich hatte den Eindruck, als ob dort etwas ungemein Wichtiges passierte, was sich keiner, aber auch wirklich keiner entgehen lassen durfte. Also mußte jeder genau jetzt mit dem Wagen dorthin. So ging es trotz der vorgerückten Stunde nur langsam voran und der Blechstrom quälte sich förmlich durch die Straßen. Und je mehr wir uns der City näherten, desto mehr staute sich der Verkehr, bis er schließlich völlig zum Erliegen kam. Da standen wir nun, Seite an Seite, Stoßstange an Stoßstange, Tür an Tür. Nichts ging mehr. Ich legte den Leerlauf ein, nahm den Fuß von der Kupplung und zog die Handbremse an. Laute Musik und ein undefinierbares Stimmengewirr wehten plötzlich durch das geöffnete Seitenfenster zu uns herüber. Ich seufzte kurz, blickte zu

Скачать книгу