Die Geschwister Bourbon-Conti - Ein fatales Familiengeheimnis. Bettina Reiter
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6. Kapitel
Henriette blickte in den goldumrahmten Spiegel, der im Gang des ersten Stockes hing. Sie trug ein hellgrünes einteiliges Seidenkleid, das sich an der Taille teilte. Darunter schimmerte der dunkelgrüne Unterrock hervor. Der Saum war mit goldenen Rosenbordüren bestickt. Ihren Ausschnitt verzierte filigrane Spitze aus Weißstickerei, ebenso wie die ellenlangen Flügelärmel. Es war eines der neuen Kleider, die Lotti in Auftrag gegeben hatte und sie musste zugeben, dass es wunderschön war. Allerdings hatte es bestimmt seinen Preis gehabt.
Flüchtig betastete Henriette ihr Haar. Wie üblich hatte sie es zu einem Zopf geflochten und hochgesteckt, an den Seiten kräuselten sich Locken herab. Auf Schmuck hätte sie gern verzichtet, doch Lotti hatte die Familienschatulle gebracht und erbost darauf bestanden, dass sie die dreireihige Goldkette mit den grünen Smaragden trug und die dazu passenden Ohrringe. Den Spruch, sie wolle sich nicht blamieren, konnte Henriette inzwischen nicht mehr hören, hatte sich aber gefügt.
Der Schmuck funkelte im fahlen Abendlicht, das durch die hohen Rundbogenfenster fiel. Hinter ihr öffnete sich die Tür und sie fing Élisabeths Blick im Spiegel auf. Henriette drehte sich um, gleichzeitig verließ Charlotte ihre Kammer.
„Wie hübsch du bist, Élisabeth“, entfuhr es Henriette. Die Angesprochene drehte sich lächelnd um die eigene Achse. Sie trug ein kirschrotes Taftkleid, das je nach Lichteinfall an die frische Farbe reifer Orangen erinnerte. Auf ihren Schultern lag ein rotes Tuch und ihren Kopf schmückte eine weiße Haube mit roter Verzierung.
„Ich schätze, das Kompliment hat mir gegolten“, mokierte sich Charlotte und zog Élisabeth mit sich, ohne Henriette eines Blickes zu würdigen, der es schwerfiel den Mund zu halten. Krankheit hin oder her. „Im Gegensatz zu dir, Élisabeth, sehe ich nämlich wie eine Dame aus“, hörte sie Charlotte, deren Kleid eher an ein Nachtgewand erinnerte. Der tiefe Ausschnitt hätte ebenso in ein Bett gehört. Ihre Haare hatte sie über eine Fontange hochgekämmt. Das blaue Seidentuch hielt sie in der Hand, statt züchtig die Blöße zu verdecken.
Neuerlich öffnete sich die Tür und flog gleich darauf wieder lautstark ins Schloss. Maria trippelte der Mutter nach. Das Mädchen war in ein viel zu enges Gewand gezwängt, mit einem Ausschnitt nicht weniger tief als Charlottes. Fürchterlich, wie konnte sie ihrem Kind das antun?
Henriette schaute ihnen nach, bis sie über die Treppe verschwunden waren. Dann schlenderte sie zum Fenster. Fingerabdrücke übersäten das zerkratzte Glas. Wie Zuckerguss lag Schnee auf der Landschaft. Manchmal glitzerte er, denn viele Fackeln brannten vor dem Schloss. Diener eilten von einer Kutsche zur anderen. Überall lagen Pferdeäpfel.
Ein ihr unbekannter Mann spazierte zum Pavillon, der im Sommer von weißen Rosen förmlich überwuchert war. Sogar jetzt standen einige in voller Blüte. Es waren Dianas Lieblingsblumen. Eine zähe Sorte, die dem Wetter trotzte. Vielleicht war auch Diana zäher als gedacht? Ob sie tatsächlich eine Lösung finden würde?
„Henriette, wie nett Euch alleine anzutreffen.“
Sie erstarrte und drehte sich unwillig um. „Philippe.“ Mehr brachte sie nicht heraus. Weil sie Angst hatte, obwohl er sie freundlich anlächelte und nicht gefährlich wirkte. Das wenige Haar am Stirnansatz hatte er zur linken Seite hin gekämmt, das füllige am Hinterkopf war zu einem Zopf geflochten. Er trug einen dunkelblauen Samtanzug mit einem weißen Hemd darunter. Auch der herbe Duft, der ihn umwehte, war nicht aufdringlich. „Verzeiht“, bat sie hastig. „Ich muss mich um unsere Gäste kümmern.“ Sie wollte an ihm vorbei, doch er hielt sie jäh am Arm zurück. Nicht grob, dennoch mit Nachdruck. Ihre Nackenhaare sträubten sich, weil er so nahe war und sie anstarrte – mit einem seltsamen Funkeln in den Augen.
„Ein paar Minuten solltet Ihr mir gönnen, schließlich bin ich bald Euer Mann.“ Sein Atem roch nach Minze.
Henriette fixierte sein Muttermal unter dem rechten Auge. „Wie gesagt, ich muss mich um die Gäste kümmern.“
„Ich bin auch ein Gast.“
„Lasst mich gefälligst los! Sofort!“
„Wie Ihr wollt.“ Er gab sie frei. Henriette trat zwei Schritte zurück. „Nun, wir können es uns einfach machen – oder schwer.“
„Wir machen gar nichts. Erst recht feiern wir keine Hochzeit.“
„Weshalb? Gefalle ich Euch etwa nicht?“ Seine Frage klang spöttisch und erwartungsvoll zugleich.
„Mit gefallen hat das weniger zu tun“, erwiderte Henriette. „Mir geht es vielmehr um Euren Ruf, der denkbar schlecht ist.“ Hoffentlich bemerkte er nicht das Zittern in ihrer Stimme.
Philippes Augen wurden zu schmalen Schlitzen. „Sagt wer?“
„Der gesamte Hof, ganz Paris“, rief sie aus. „Was sage ich, ganz Europa!“
„Und das glaubt Ihr natürlich?“
„Immerhin ist Euer Vater Euer größter Kritiker und der muss es ja wissen. Im Übrigen besteht meine Großtante auf diese Hochzeit, weil sich keine andere Frau dazu bereit erklärt. Oder lasst es mich anders ausdrücken: Françoise tut alles, um meine Familie zu beleidigen.“
Plötzlich packte er sie an beiden Armen. „Wofür haltet Ihr Euch?“, zischte er.
„Aua, Ihr tut mir weh!“ Sie wand sich unter seiner harten Umklammerung. Als er sie losließ, wich sie erneut zurück und rieb sich die schmerzende Stelle. „Ihr seid ja verrückt.“
„Wenn Ihr das sagt.“ Sein Blick war undurchschaubar. „Eigentlich hatte ich gehofft, dass unser Kennenlernen anders verläuft. Immerhin werden wir unser restliches Leben miteinander verbringen. Je eher Ihr Euch damit abfindet, desto besser. Diese Ehe ist nichts anderes als ein Geschäft, das von beiden Seiten geschlossen wurde. Bindend. Doch glaubt mir, ich leide nicht weniger als Ihr, denn auch ich bin alles andere als begeistert von Françoises Wahl. Ihr seid weder schön noch ansprechend, obwohl mein Vater hingerissen ist, seitdem er ein Familienportrait von Euch auf Versailles gesehen hat. Allerdings kann es mit seinen Augen nicht zum Besten stehen, wie mir scheint. Oder er hat gelogen wie alle anderen. Hinzu kommt Euer wohlgehütetes Familiengeheimnis, das ich auf mich nehmen muss. Wenn Ihr es uns also unbedingt schwermachen wollt, werde ich eine Bombe platzen lassen, die ganz Paris erschüttert. Nein, was sage ich, ganz Europa!“
„Was wollt Ihr damit andeuten?“ Ihr Puls raste förmlich.
Einige Sekunden starrte Philippe sie an, dann lächelte er. „Ihr habt keine Ahnung?“
„Wovon?“
Seine Miene wurde starr. „Wie gesagt, legt Euch besser nicht mit mir an. Ihr würdet es bitter bereuen.“
„Wollt Ihr mir drohen? Ihr? Für den sich sogar der eigene Vater schämt? Weil er einen Sohn hat, der sich überall wichtigmachen muss, damit man ihn wahrnimmt? Oder der die Hand gegen andere erhebt, wenn ihm die Argumente fehlen?“, verhöhnte sie ihn. „Wenn es nicht so traurig wäre, würde ich jetzt lachen.“
„Tut Euch keinen Zwang an.“ Philippe deutete eine Verbeugung an. „Wir sehen uns vor dem Altar und danach werdet Ihr am eigenen Leib erfahren, ob ich tatsächlich der bin, für den Ihr mich haltet.“ Ohne dass sie darauf gefasst war, beugte er sich