DAS GESCHÄFT - TEIL 1. Christoph Hoenings
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Graf blickte zu ihr herüber. Wieder das gleiche Spiel, Blickkontakt für zwei, drei Sekunden und dann das fast unmerkliche Lächeln.
Roxana fragte sich, ob Graf ein guter Liebhaber sei. Garcia rammelte immer nur hastig und kam schnell zum Höhepunkt. Wenn sie sich nach den Beischläfen Garcias nicht noch selbst streichelte, wäre das Ganze unerträglich. Aber Garcia hatte ihr den Job beim Dienst verschafft, hatte dafür gesorgt, dass sie gut bezahlt wurde, besser als viele Angestellte in der Behörde. Sie konnte von ihrem Einkommen ihr Häuschen bezahlen, sogar ein Auto hatte sie. Sie war sicher, wenn ihr Verhältnis mit Garcia endete, würde er dafür sorgen, dass ihr gekündigt würde. Als ihre Eltern verhaftet worden waren, war Roxana nach Lima gebracht worden, nur mit einem Koffer mit ihren Habseligkeiten. Damals war sie sechzehn. Ein Verwandter ihres Vaters hatte sie nach ihrer Ausbildung als Sekretärin im Gesundheitsministerium untergebracht. Dort hatte sie fünf Jahre später, als er wegen einer persönlichen Angelegenheit vorsprach, Garcias Aufmerksamkeit erregt. Garcia hatte sie eingeladen, in seine Abteilung ins Verteidigungsministerium zu kommen und ihr gleich klargemacht, was er außerdienstlich von ihr wollte.
Es hatte Roxana ausgesprochen überrascht, als Garcia ihr die Aufgabe für den heutigen Abend beschrieb. Sonst war er eifersüchtig bis dort hinaus und stellte sich an, wenn sie mit Freundinnen ausging oder über das Wochenende wegfuhr! Und jetzt forderte er sie auf, einen wildfremden Mann anzusprechen! Es musste ihm viel daran liegen, Señor Graf auszuhorchen. Für solche Aufgaben gab es geschulte Leute. Aber er hatte sie hinzugezogen! Sie wunderte sich vor allem, dass er trotz seiner Eifersucht nicht dabei war heute Abend. Wahrscheinlich hatte er seiner Frau versprechen müssen, zeitig zuhause zu sein. Vor seiner Frau, das wusste Roxana, hatte Garcia Heidenangst. Aber seit sie am Abend Graf auf dem Parkplatz gesehen hatte, auch wenn es nur für wenige Augenblicke war, als alle in das Restaurant gingen, hatte Roxana inständig gehofft, Gelegenheit zu bekommen, diesen Mann kennenzulernen.
Wieder ein Blick von Graf, wieder dieses kleine Lächeln.
Plötzlich schreckte sie auf, weil sie angesprochen wurde. Vor ihr stand, mit einem Glas Whisky in der einen und einem Glas Planter´s Punch in der anderen Hand der Mann, der an der Bar gesessen hatte, und fragte:
"Miss, kann ich Sie zu einem Drink einladen?"
Im selben Moment standen Graf und das Paar vom Tisch auf und gingen zum Ausgang. Graf drückte im Rausgehen dem Kellner einen Geldschein in die Hand, blickte zu Roxana herüber und lächelte sie kurz und amüsiert an.
Dann verließen alle drei die Bar.
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"Was hast du überlegt?" fragte Liliana ihren Mann, während sie im Auto nach Hause fuhren. „Beim Abendessen sah es so aus, als ob du die ganze Zeit gegrübelt hättest."
"Habe ich auch. Ich habe überlegt, wie ich ein Gespräch zwischen Präsident Scaloni und Graf auf die Reihe bringe. Graf will zu Scaloni, bevor er überhaupt etwas tut. Er will hören, dass Scaloni das Projekt unterstützt. Wir kennen zwar die Scalonis, aber nicht gut genug. Ich brauche jemanden, der offen mit Scaloni sprechen kann und dem er vertraut. Schließlich muss er sicher sein können, dass alles im engsten Kreise bleibt. Am liebsten wäre mir Carlos Bustamante. Er ist Scalonis Weggefährte. Sie waren gemeinsam auf der Universität und haben zusammengeklebt wie Pech und Schwefel. Als Scaloni Bürgermeister von Lima war, hat er Bustamante Aufträge zugeschanzt, irgendwas mit Telekommunikation und Straßenbau. Bustamante hat im Gegenzug Scalonis Wahlkampf bezahlt. Scaloni hat Bustamante, kaum, dass er seinen Amtseid als Präsident abgelegt hatte, zum Minister für Fischereiwesen gemacht, eines der wichtigsten Ressorts. Bustamante wäre der Richtige, aber ich weiß nicht, wie ich an ihn herankomme."
Liliana blickte Walter an.
"Sofia?"
"Deine Schwägerin?"
"Sofia ist mit der Frau von Bustamante, Patricia, gut befreundet. Sie spielen Bridge und Tennis, und neulich waren sie zusammen in Miami zum Einkaufen. Ich rufe sie gleich an, wenn du einverstanden bist."
"Das könnte die Lösung sein! Sie soll mir einen Termin mit Bustamante machen. Aber sei vorsichtig am Telefon! Ich fahre noch mal eben bei Rogerio vorbei, um von dem Gespräch mit Graf zu berichten. "
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Graf verabschiedete sich vor dem Hotelportal von Karin und Ludwig Kinzel, wartete aber, bis der Page das Auto vorgefahren hatte. Dann ging er zurück in die Bar. Die junge schwarzhaarige Frau saß noch auf ihrem Platz, immer noch allein. Sie war beschäftigt mit ihrem Mobiltelefon. Den Amerikaner hatte sie offenbar abblitzen lassen.
Graf trat auf sie zu und sagte:
"Señorita, entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie anspreche! Ich will keineswegs aufdringlich sein. Ich hatte eingehend Gelegenheit, Sie anzuschauen und wollte nicht zu Bett gehen, ohne Ihnen gesagt zu haben, dass Sie eine bemerkenswert anziehende junge Frau sind. Gestatten Sie mir, Ihnen eine gute Nacht zu wünschen.“
Roxana war verblüfft, aber erleichtert über das flüssige Spanisch, das Graf sprach.
"Muchas Gracias, Señor, fürIhr nettes Kompliment. Ich war mit einer Freundin verabredet, die gerade abgesagt hat. Und wie Sie vielleicht gesehen haben", sagte Roxana mit unschuldigem Augenaufschlag, „ist es nicht leicht, als Frau alleine hier zu sitzen, ohne belästigt zu werden. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir noch auf einen Drink Gesellschaft leisten.“
Sie spürte ihr Herz klopfen.
"Eine so charmante Aufforderung werde ich nicht ausschlagen."
Er winkte dem Kellner und fragte Roxana:
"Noch einen Planters Punch oder lieber ein Glas Champagner?"
Roxana wollte gerne Champagner. Gleichzeitig freute sie sich, dass er sie genügend beobachtet hatte, um zu wissen, was sie getrunken hatte.
Graf bestellte ein Glas Louis Roederer und für sich einen trockenen Weißwein.
"Ich bin erst heute früh angekommen und betrachte es als Glücksfall, gleich am ersten Abend die Bekanntschaft einer so reizenden jungen Dame zu machen. Bitte erlauben Sie, mich vorzustellen. Meier, Alfons Meier. Wie darf ich Sie ansprechen?"
"Roxana Torreblanca. Ihr Name klingt deutsch. Sind Sie aus Deutschland?"
Dieser Filou, dachte Roxana, stellt sich unter falschem Namen vor! Wahrscheinlich hält er die Geschichte von der Freundin für eine Ausrede, und mich hält er für ein Freudenmädchen.
"Ja, Señorita, ich bin geschäftlich hier. Sprechen Sie Deutsch?“
„Leider kein Wort!“
„Sind Sie aus Lima?"
"Ich bin aus Arequipa, wohne aber schon lange in Lima. Und Sie? Was machen Sie hier?"
„Geschäfte.“
„Darf ich fragen, was für Geschäfte?“
"Ach, wissen Sie, ich spreche ungern darüber, insbesondere gegenüber einer jungen Dame. Sie könnten in Verlegenheit geraten. Es ist, wie sagt man, etwas anrüchig."
Er sah sie mit harmlosem Blick an.
Das interessierte Roxana!
"Oh,