Afrikanische Märchen auf 668 Seiten. T. von Held
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»Wo ist meine Laingo?«
»Ich habe sie für meine Zähne verbraucht,« erwiderte
Rafotsibe.
Ikotafetsy wurde darauf sehr böse und schalt die
schöne Rafotsibe; diese aber sagte:
»So werde ich dir eine kleine Nadel für deine Laingo
geben.«
Der Knabe war dessen zufrieden, nahm die Nadel
und ging mit ihr zu einem Fischer, dem er sie zeigte.
»Laß uns tauschen!« sprach dieser. »Wenn du mir
die Nadel gibst, so werde ich dir einen Fisch geben.«
»Wirst du mir den Fisch auch wirklich geben?«
fragte der Knabe.
»Ganz bestimmt.«
Da tauschten sie, und Ikotafetsy nahm den Fisch zu
einem Holzfäller, der ihm eine Axt dafür bot. Wiederum
wurde der Knabe handelseinig mit dem Manne,
nahm die Axt und zeigte sie einem Totengräber. Der
sprach:
»Gib sie mir; damit ich mit ihr Vieh töten kann
zum Schlachten.«
Ikotafetsy willigte ein.
»Doch,« sagte er, »ich kann nicht zugeben, daß du
bei deiner Arbeit meine Axt zerbrichst; es ist die einzige,
die ich habe.«
»Wie werde ich sie zerbrechen!« rief der Totengräber
und begab sich an die Arbeit; indessen nach wenigen
Minuten schon war die Axt entzwei.
Da sprach Ikotafetsy:
»Du hast meine Axt zerbrochen, und ist es nur gerecht,
wenn ich das geschlachtete Vieh behalte.«
Da gab der Totengräber ihm, was er haben wollte.
Das Fleisch brachte der Knabe einem alten Manne,
der ihm dafür eine Trommel gab. Mit der Trommel
lief Ikotafetsy nach dem Markt, und auf dem ganzen
Wege trommelte er fortwährend, so daß die Leute stehen
blieben und zueinander sagten:
»Seht, seht, was für eine schöne Trommel Ikotafetsy
hat!« Und einer nach dem anderen nahm die Trommel
und trommelte. Schließlich ging sie entzwei.
Ikotafetsy aber wurde sehr böse und rief:
»Als ich mir Laingo im Walde gegraben hatte,
nahm Rafotsibe es und gab mir dafür eine Nadel, die
gab ich dem Fischer für einen Fisch, den der Holzfäller
mir für eine Axt eintauschte, die der Totengräber
zerbrach, der mir für sie Fleisch gab; das Fleisch gab
ich dem alten Manne, von dem ich diese Trommel
bekam. Nun ihr mir diese zerbrochen habt, seid ihr
alle meine Sklaven und müßt mir gehorchen.«
Da gingen die Leute zu ihrem König und baten ihn,
daß er sie schütze. Doch der König sagte:
»Wenn ihr ihm sein Eigentum zerstört habt, so
kann ich euch weder helfen, noch euch schützen. Ihr
seid sein.«
Eine Geschichte von der Sierra Leonaküste.
Es war einmal ein Kind, welches nahe bei einem
Wasserfall eine Vogelfalle aufstellte. In ihr fing sich
ein Vogel, den das Kind mit sich in die Hütte seiner
Mutter nahm. Es bat:
»Brate mir doch den Vogel, den ich am Wasserfall
gefangen habe, liebe Mutter!«
»Ich will es wohl tun,« entgegnete diese, »wenn du
inzwischen schnell auf das Feld läufst, auf dem meine
Hühner sind, und die Raubvögel dort vertreibst.«
Während nun das Kind auf dem Felde war, rupfte
und briet die Frau den Vogel und aß ihn schließlich
selber auf. Als das Kind wieder nach Hause zurückkam,
fragte es nach dem Vogel.
»Den habe ich gegessen,« sagte die Mutter.
Da weinte das Kind und rief:
»Wie konntest du meinen Vogel essen, den ich bei
dem Wasserfalle fing?«
Als es fortfuhr zu klagen und sich gar nicht beruhigen
wollte, gab die Frau ihm frischen jungen Mais zur
Entschädigung. Den Mais nahm das Kind, legte ihn
auf einen Baumstumpf und ging davon. Da kamen
weiße Ameisen, die fraßen alles auf. Als das Kind zurückkam
und den Mais essen wollte, war kein Korn
davon mehr zu finden.
»Weiße Ameisen,« rief es, »warum habt ihr meinen
Mais gefressen, den ich auf diesen Baumstumpf gelegt
hatte? Meine Mutter hatte ihn mir gegeben, weil
sie den Vogel gebraten und gegessen hat, den ich
nahe bei dem Wasserfall an unserer Hütte gefangen
hatte.«
Alsbald machten die weißen Ameisen eine irdene
Schale für das Kind und gaben ihm die für den Mais.
Mit der Schale ging es zum Bach, um Wasser zu
schöpfen; aber