Afrikanische Märchen auf 668 Seiten. T. von Held
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Vieh für sie je zahlen würde als jetzt für das Kind
Numbakatalis gegeben wurde. Da sie auf jeden Fall
nicht zurückstehen wollte, so tat sie ihr möglichstes,
ihre Tochter durch reiche Kleider zu verschönen,
immer in der Hoffnung, daß der reiche Freier sie auch
zum Weibe nehmen würde. Der Name dieses Mädchens
war Malungulaza, d.h. Schwester der Krähen;
des anderen Mädchens Name war Mbulukazi, weil sie
stets ein Kleid trug, das aus dem weichen Fell des
Mbulu gemacht war. Malungulazas Mutter bestürmte
ihren Mann mit Bitten, er solle Mbulukazi doch ja
nicht ihrem Freier zum Weibe geben, wenn er nicht
auch ihre Tochter heiraten wolle. So kam es, daß der
junge Mann schließlich einwilligte und beide Schwe-
stern zu seinen Frauen machte. Ehe sie das Land verließen,
bekam jede von ihrem Vater einen Ochsen
zum Geschenk; Mbulukazi einen schönen, jungen und
Malungulaza ein altes, schwaches Tier. So zogen
beide denn mit ihrem Manne, und als sie an ihrem
neuen Wohnorte anlangten, gab ihr Mann jeder eine
Hütte; Mulungulaza mußte aber mit einer zerbrochenen,
alten vorlieb nehmen, während für Mbulukazi
eine schöne, neue Hütte gebaut wurde. Malungulaza
aber ergrimmte und wurde eifersüchtig und neidisch,
so daß sie ihrer Schwester nach dem Leben trachtete.
Lange sann sie darüber nach, wie sie es wohl am
klügsten anfangen könne, Mbulukazi zu töten, ohne
daß der Verdacht auf sie fallen könne. Endlich hatte
sie einen Plan sich zurechtgelegt. Sie sprach eines
Tages zu ihrer Schwester:
»Ich habe gehört, unser Vater sei sehr krank und
man glaube, er werde sterben. Es ist daher nur richtig
von uns, zu gehen und ihn noch einmal vor seinem
Ende zu sehen.«
»Laß uns gehen,« sprach Mbulukazi, und beide
machten sich auf den Weg. Ihr Pfad führte sie an
einem steilen Abhang entlang, an dessen Fuß ein tiefer
See war. Malungulaza legte sich dicht an den
Rand des Felsens und gab vor, sie sehe etwas ganz
Außergewöhnliches in der Tiefe, das sie ihrer Schwester
zeigen müsse. Kaum aber hatte diese sich nieder-
gelegt, als Malungulaza schnell aufsprang und sie mit
geschicktem Stoß in die Tiefe stieß. Dann kehrte das
böse Weib heim zu ihrem Manne und erzählte ihm,
Mbulukazi sei noch bei ihrem Vater geblieben.
Am folgenden Tage lief der Ochse der Ermordeten
laut blökend durch das ganze Dorf, blieb schließlich
vor der Hütte Malungulazas stehen und stieß mit seinen
Hörnern so lange an dem alten, zerbröckelten
Bauwerk, bis es einfiel. Das wunderbare Gebaren des
Tieres erregte die Aufmerksamkeit der Leute, und sie
sprachen untereinander:
»Was will der Ochse uns sagen? So wild hat er
sich noch nie gebärdet!«
Kapitel 4
Als das Vieh nun spornstreichs zu dem See bei
dem Felsen lief, gingen die Männer des Dorfes ihm
nach und sahen, wie der Ochse schnüffelnd an dem
Ufer entlang ging und schließlich in das Wasser
sprang, untertauchte und gleich darauf mit dem leblosen
Körper Mbulukazis wieder zum Vorschein kam.
Sanft legte er sie auf weiches Gras und leckte sie so
lange am Gesicht und am Körper, bis sie zu neuem
Leben erwachte. Sobald sie kräftig genug war, erzählte
sie, was sich begeben hatte.
Als Breitbrust erfuhr, wie schändlich Malungulaza
an Mbulukazi gehandelt hatte, ward er sehr zornig
und verließ das böse Weib.
»Denn,« sprach er, »ich habe dich gar nicht zum
Weibe begehrt; nur weil deine Mutter darauf bestand,
daß ich dich heiraten solle, habe ich es getan. Nun
aber kehre zurück zu deines Vaters Kraal!«
Da zog Malungulaza beschämt von dannen; aber
Mbulukazi blieb bis an ihr Lebensende die Hauptfrau
ihres Mannes Breitbrust.
Der stolze Schmetterling.
Aus Boilats Grammaire de la langue Wollosse.
Paris 1858.
Ein wunderschöner Schmetterling umflatterte eine
duftende Blume. Da bemerkte er eine häßliche Raupe,
die im Staube dahinkroch. Verächtlich rief der
Schmetterling ihr zu:
»Wie darfst du es wagen, dich in meiner Nähe
sehen zu lassen? Fort mit dir; sieh', ich bin schön und
strahlend wie die Sonne, und meine Schwingen