Neeltje - Kirschenmund. Swantje van Leeuwen

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Neeltje - Kirschenmund - Swantje van Leeuwen

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Wänden zu stellen, in denen sie sich dem gottähnlichen Fremden aus jedem nur erdenklichen Blickwinkel präsentierte.

      Neeltje konnte nicht sagen, ob es nur ihr gedemütigter Verstand war, der ihr einen Streich spielte, aber es schien ihr, als würde er sie mit leiser Belustigung beobachten. Aus den Augenwinkeln glaubte sie, ein Grinsen in seinem verzerrten Spiegelbild zu sehen. Aber es überraschte sie nicht. Ist schon klar, dass du in einer Welt lebst, in der nur starke, selbstbewusste, gut gekleidete und schöne Frauen leben. Da fällt eine wie ich natürlich kilometerweit zurück. Sie stellte sich vor, wie er von der Halle des Gebäudes zu einer wartenden Limousine geleitet wurde, die ihn zu seinem luxuriösen Penthouse oder einem Sterne-Restaurant brachte, in dem bereits die minimalistische Vorspeise ihre Wochenmietzins überstieg. Jemand wie er würde sich niemals genötigt sehen, mit einer Frau wie ihr in Kontakt zu treten. Sein Leben kennt keine Frauen, die ihre Kleidung im Sonderverkauf suchen und selbst dort noch nach Preisschild prüfen, ging es ihr durch den Kopf. Vermutlich hat er sich auch noch nie mit einer abgegeben, die ein schlichtes weißes Höschen mit einem abgenutzten Gummiband trug. Er lebt in einer Welt, in der die Weiblichkeit rund um die Uhr Spitzendessous trägt ... Und er kann jede haben, die er will.

      Sie spürte die Röte, die sich ihrer Wangen bemächtigte, indessen sich der Lift gefühlt wie durch zähen Zuckersirup bewegte. Das Display zeigte ihr, dass sie sich gerade in Höhe des achten Stocks befanden, wenngleich sie glaubte, dass der Fahrstuhl allein bis hierher bereits mehr als eine Stunde gebraucht hatte. Sie wünschte sich, dass die rote LCD-Anzeige schneller herunterzählte. Ihr Innerstes bettelte förmlich darum, die Null zu erreichen, auf das sich die Türen öffneten, damit sie schnellstens ins Dunkle der Nacht ein- und darin abtauchen konnte.

      *

      Plötzlich und grausam, als hätte es ein bösartiger Geist verursacht, verloschen die Lichter und der Lift blieb stehen – gefolgt von einem lauten Alarm, der die Dunkelheit durchdrang.

      Neeltje zuckte geschockt zusammen. Der fürchterliche Schreck ließ erst ein wenig nach, als nach einigen Sekunden das Licht wieder zurückkehrte.

      Bis auf das schrille, alarmierende Signal war es still in der Kabine. Keine von ihnen sprach ein Wort.

      Warum bewegen wir uns nicht mehr?, fragte sie sich und verspürte aufkommende Panik in ihrem Hals. Sie umklammerte ihre Handtasche mit weißen Fingerknöcheln und betete darum, dass sich die Kabine mit einem Ruck langsam wieder abwärts bewegte. Sie litt an keiner Klaustrophobie, aber in diesem Augenblick hätte sie dem Teufel ihre Seele dafür verkauft aus diesem Lift herauskommen. Sie wollte sich an der nächsten Haltestelle unbedingt dem Heer der hoffnungslosen Lohnsklaven anschließen, die per Bus nach Hause, in ihre völlig beengten Wohnungen, fuhren. Jede Sekunde, die sie in Gegenwart dieses Mannes verbrachte, war eine, die ihr bewusst machte, wie weit sie gesellschaftlich unter ihm rangierte.

      Hinter ihr hörte sie ihn leise seufzen.

      Einen Moment später trat er neben sie und öffnete eine Verkleidung unter der Tastatur. Mit einem Druck auf den darunter versteckt angebrachten Schalter verstummte der Alarm, dessen schmerzhafter Ton noch einen Moment in der Kabine nachhallte. Dann griff ihr ›Superheld‹ nach dem roten Notruftelefon, und sie erfuhr, dass er keineswegs Clark Kent hieß und damit auch nicht als Zeitungsreporter für den ›Daily Planet‹ arbeitete – aber das war auch nicht zu erwarten gewesen, denn schließlich steckten sie nicht in einem Fahrstuhl in ›Metropolis‹ fest. Es war einer in Amsterdam.

      »Hier spricht Hergen de Fries im Expressaufzug. Gibt es ein Problem?«

      Die schüchterne, dünne Stimme, die über einen am Telefon montierten Lautsprecher antwortete, reagierte entschuldigend. »Es tut mir leid, Herr de Fries. Die Hauptstromversorgung ist ausgefallen. Zwar sind die Reservegeneratoren sofort angesprungen, aber wie es scheint, wurde das Sicherheitssystem ausgelöst, sodass es zum Stillstand des Aufzugs kommt. Bitte bewahren Sie Ruhe. Wir werden das in wenigen Minuten wieder im Griff haben. Es tut uns sehr leid, wegen der Unannehmlichkeit.«

      Neeltje spürte, wie ihre Panik nachließ – ersetzt durch einen Hauch von Belustigung. Wäre sie diejenigen am Telefon gewesen, hätten die bekanntermaßen mürrischen Techniker, wie Willem immer sagte, wenn sie mal wieder Probleme mit der alten temperamentvollen Elektrik hatten, zu Geduld geraten – ihr mit anderen Worten erklärt, dass sie jetzt nicht die Pferde scheu machen und darauf warten solle, dass man das Problem erkannt und sich darum kümmern würde. Wer auch immer dieser Hergen de Fries ist, er scheint eine Sonderbehandlung zu verdienen, dachte sie still.

      De Fries hängte das Telefon wieder in die Halterung zurück und warf einen frustrierten Blick auf das Zifferblatt seiner goldenen Armbanduhr.

      Neeltje wartete darauf, dass er an seinen alten Platz zurückkehrte, aber er blieb neben ihr und überragte ihre winzige Gestalt. Er war deutlich über einsachtzig groß und in dem plötzlich klaustrophobischen Raum fühlte sie sich, als hätte er alles unter Kontrolle – es schien keinen Quadratzentimeter in der Kabine zu geben, die ihm nicht vereinnahmte, einschließlich denen, die sie nutzte. Augenblicklich hatte sie das Gefühl, als sei sie in das Haus dieses Mannes eingedrungen. Sie versuchte sich noch kleiner zu machen, aber es einfach nicht genug. Sie stellte sich vor, wie ihr billiger Drogerie-Duft den Fahrstuhl füllte, in die Nase dieses Mannes eindrang, die frische Luft vertrieb und sein eigenes teures Eau de Parfum niedermachte. Nichts an ihr hatte auch nur im Entferntesten etwas, das mit ihm harmonieren konnte. Verstohlen schnupperte sie die Luft und bemerkte in Gedanken nichts als ihren eigenen, unangenehmen Geruch. Es muss ihn anwidern, die Kabine mit mir zu teilen, dachte sie. Warum ist er auch nur so nah zu mir aufgerückt?

      Jetzt konnte sie seinen Geruch wahrnehmen – reich und frisch mit Zitrusnoten. Trotz seiner kühlen, entspannten Erscheinung war auch ein Hauch von Schweiß zu bemerken – maskulin und herb –, zusammen mit dem tiefen, warmen Geruch seiner ledernen Aktentasche. Sie holte tief Luft und wünschte sich, sie könnte für einen Moment ihr Gesicht an seiner Brust vergraben, um einen langen, tiefen Zug zu nehmen.

      In wenigen Augenblicken spürte sie dieses vertraute Gefühl der Erregung zwischen ihren Beinen. Unter ihrem hässlichen Polyester-Rock und der billigen, dünnen Baumwolle ihres Slips spürte sie ein Kribbeln, ein Empfinden tief im Inneren, das einen begehrlichen Hunger hervorrief. Es war eine Regung, die sie nach vielen Monaten ohne Verabredung gut kannte – nach so vielen einsamen Nächten, allein mit ihren Fingern, ihrem Vibrator und ihrer Sehnsucht nach Zweisamkeit. Es war eine, die sie bei der geringsten Provokation verfolgte und sich ihrer bemächtigte, bis sie gesättigt war. Sie wusste, dass sie wieder würde masturbieren müssen, kaum das sie nach Hause kam – ja, vielleicht sogar schon vorher oder möglicherweise spätestens im Badezimmer im Erdgeschoss. Ihr Kätzchen stand schon in Flammen. Wenn sie die nicht schnellstens löschte, dessen war sie sich sicher, würde ihre Gier nach Sex sie in Stücke reißen – wo sie das Gefühl hatte, bei jeder Berührung explodieren zu müssen.

      Neeltje war sich bewusst, dass er ihren schnelleren Atem hören konnte, ein Umstand, der nur zusätzlich dazu angetan war, ihre Erregung zu steigern. Sie konnte sich nicht helfen, aber ihr Kopfkino war angesprungen – sah seinen und ihren nackten Körper, wie sie sich auf dem blanken Boden des Aufzugs gegenseitig umschlangen. Sie konnte nicht aufhören, sich seinen Geschmack vorzustellen, als sie dankbar seine Männlichkeit anbetete, sich bei ihm bedankte und um mehr bat, bis er über sie herfiel und mit seinem Geschenk ausfüllte, bis sie überlief. Sie wünschte, sie könnte sich einfach an ihn wenden, diesen gesegneten Moment nutzen – sich auf ihn stürzen und sich ihm selbst als Geschenk anbieten. Ich würde alles für diesen Gott von einem Mann tun, lief es wie ein Untertitel in ihrem Film mit. Ich wäre glücklich, wenn ich ihm gehören würde.

      Ihre Erregung war von Scham und Verlegenheit geprägt. Sie wusste, dass dieser Mann gesellschaftlich so weit über stand,

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