Neeltje - Kirschenmund. Swantje van Leeuwen
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Neeltje - Kirschenmund - Swantje van Leeuwen страница 6
Sie hielt ihre Augen fest geschlossen, als er sich aus ihrem schlürfenden Mund löste. Sie glaubte zu fantasieren, so heftig hatte ihr Orgasmus ihre Gefühle durcheinandergewirbelt. Als sie schließlich ihre Lider flatternd öffnete, sah sie, wie er die Kabine verließ und wortlos in die Empfangshalle trat. Ihre Beine zitterten noch mächtig, als sie sich erhob, ihre zerrissene Kleidung aufsammelte und sich ihren feuchten Körper abwischte. Wie komme ich jetzt bloß nach Hause?, schoss es ihr in diesem Augenblick zum ersten Mal durch den Kopf. So kann ich doch unmöglich mit dem Bus fahren.
Stolpernd durchquerte sie die Lobby und eilte zum Ausgang, fort von den Stimmen in der Nähe des Treppenhauses. Dabei zog sie ihre knopflose Bluse fest um sich und versuchte sich zu erinnern, ob es in der Nähe ein Geschäft gab, in dem sie einen billigen Ersatz kaufen konnte. Doch gleich darauf brach sie beinahe in Tränen aus. Ihr wurde bewusst, dass sie nur knapp zehn Euro in ihrer Handtasche und ihre EC-Karte zu Hause liegen gelassen hatte.
Als sie in die kühle Abendluft trat, war sie bestürzt. Sie schämte sich für das, was sie getan hatte und befürchtete am nächsten Arbeitstag ihr kaputtes rosa Höschen auf dem Schreibtisch vorzufinden – wenn sie es ohne Verlegenheit überhaupt nach Hause schaffen würde. In dieser Sekunde fühlte sie sich wieder klein und belanglos. Tränen traten in ihre Augen, und sie verfluchte sich selbst, Amsterdam und diesen Mann, von dem sie sich hatte benutzen und der sie einfach im Stich gelassen hatte.
Doch dann sah sie die schwarze Luxuslimousine am Bordstein stehen, deren Motor leise schnurrte, und deren Tür offenstand. Im Halbdunkel sah sie einen Mann, der auf der edlen Rücksitzbank saß und ihr entgegenblickte. Er hatte einen starken Kiefer, einen makellosen Anzug und tiefe, dunkle Augen, in denen sie sich tagelang verlieren konnte ...
... und er wartete!
***
Kapitel 3
Die Nachricht wartete auf Neeltjes Schreibtisch, als sie ins Büro kam. Sie steckte in einem schlichten weißen Umschlag, auf dessen Vorderseite ihr Name von Hand geschrieben worden war.
Das war's dann wohl, dachte sie bei sich, und Tränen drohten ihr in die Augen zu schießen. Jetzt wird er mich feuern!
*
Es war drei Tage her, seit sie sich im Fahrstuhl getroffen hatten. Er hatte sie benutzt, grob, gewaltsam und auf jede Weise, die er sich gewünscht hatte, kontrolliert. Als er fertig war, hatte er sie in seinen Säften liegen gelassen – ihre Kleider zerrissen und zerlumpt. In diesem Moment war sie eine andere Person geworden: sexueller und freier, während sie gleichzeitig ihre Freiheit aufgab. Nie zuvor hatte sich so erregt gefühlt.
Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass mein Körper derart erregt auf Grausamkeit und Kontrolle regieren würde. Als er sie verließ, hatte sie sich bis in die letzte Zelle ihres Körpers geschämt, indessen ihre Haut von seinem Sperma nur so glänzte und ihre Kleidung auf der Straße nicht mehr tragbar war. Sie hatte Angst gehabt und es war ihr peinlich gewesen, dass jemand sie so hätte sehen können.
Aber schlussendlich hatte er sich, zumindest teilweise, als Gentleman erwiesen, denn er hatte vor dem Firmengebäude auf sie gewartet, sie in seine Limousine gelotst und mehr oder weniger schweigend nach Hause gebracht. Die einzigen Worte, die er dabei mit ihr gewechselt hatte, waren die Frage nach ihrer Adresse. Danach hatte er es sich mit einer Zeitung auf dem Lederpolster bequem gemacht und so getan, als wäre sie gar nicht anwesend.
Die Fahrt hatte knapp eine halbe Stunde gedauert.
Sie hatte die Zeit versucht sich so wenig wie möglich zu bewegen und steif dagesessen, um die teure Sitzfläche nicht mehr als unbedingt nötig zu berühren. Denn auf keinen Fall wollte sie das Polster mit seinem eigenen Saft beschmutzen. Ein Tropfen, der von ihrem Kinn herab und auf den Sitz gefallen war, hatte einen strengen Blick seinerseits nach sich gezogen – und ihr war bewusst geworden, dass er keinen weiteren mehr tolerieren würde.
*
Mittlerweile hatte sie in Erfahrung gebracht, dass Hergen de Fries nicht irgendein Anzugträger aus der obersten Etage war. Der Mann, der sich genommen hatte, wonach ihm verlangte, war der Hauptaktionär der Firma. Sie hatte noch unmittelbar am selben Abend im Internet nach ihm gesucht, an dem er sie kurzerhand vor ihrem Wohnhaus abgeladen hatte.
De Fries war sechsunddreißig Jahre alt und der Erbe eines riesigen Vermögens – ein Vermögen, das unter seiner Führung nur größer geworden war. Mit viel Bedacht hatte er sein Geld investiert, weltweit Unternehmen gekauft und seine Millionen schnell in Milliarden verwandelt. Er war ein Wunderkind – der Goldjunge der Unternehmenswelt. Ganz sicher hießen seine Eltern nicht Gordios und Kybele und ebenso wenig hatte er seiner Mutter ein Heiligtum geweiht – auch hatten ihm als Kind, während er schlief, keine Ameisen Weizenkörner in den Mund getragen, aus denen ihm geweissagt wurde, dass er einmal sehr reich sein würde. Nein, er hatte nichts mit dem mythologischen König Midas zu tun, wenngleich auch er alles zu Gold machte, was er berührte. Er hatte eine Gabe, aber er hatte auch einen zügellosen ... Appetit!
In der Firma hatte er keine offizielle Rolle, obwohl er im obersten Stock ein Büro unterhielt, von wo aus er sein Imperium leitete – und es bestand keinerlei Zweifel daran, dass seine Stimme das Schicksal aller im Gebäude bestimmte. Er war Sirene und Kassandra in einer Gestalt, mit der Büchse der Pandora in der Rechten – und deren Deckel hatte er für sie geöffnet.
Jetzt würde er sie feuern!
Das ganze Wochenende über hatte sie diese Befürchtung geplagt und bis in den Schlaf verfolgt. Ihr war klar, dass er sie nicht mehr im Gebäude umherlaufen lassen durfte, um davon zu berichten, wie er sie im Aufzug ausgenutzt hatte. Denn selbst wenn ihr das niemand glaubte, war es dennoch dazu angetan, einen gewissen Zweifel zu schüren. Sie wusste, dass er sie feuern und einen Weg finden würde, sie anschließend zum Schweigen zu bringen.
*
Gut zehn Minuten saß sie nun an ihrem Schreibtisch und starrte auf den weißen Umschlag mit ihrem Namen darauf, der so unschuldig daherkam. Neeltje wagte es nicht, ihn zu öffnen und versuchte so zu tun, als sei nichts zwischen ihrem ›Superman‹ und ihr passiert. Sie redete sich ein, am späten Freitag nicht mehr gearbeitet und den ›Executive‹-Lift niemals angefordert zu haben. Vor allem aber sei ›Er‹ niemals in dessen Kabine gewesen. All das, und auch, dass sie in einer Luxuslimousine samt Chauffeur in zerrissenen Kleidern, spermabesudelt, nach Hause gebracht worden war, hatte nie stattgefunden. All das war nichts weiter als einer meiner zahlreichen erotischen Träume, und heute ist nur ein gewöhnlicher Montag, wie viele zuvor! Sie schloss die Augen und massierte sich einen Moment den Nasenrücken. »So endet es also«, murmelte sie leise vor sich hin. »Acht Jahre im selben Job, und das alles nur, weil ich ein einziges Mal die Kontrolle verloren habe.« Mit verschwommenen, feuchten Augen schaute sie ein letztes Mal auf den Umschlag. Sie fasste sich ein Herz, nahm ihn in die Hand und riss ihn auf.
Wider Erwarten enthielt der Umschlag keine Kündigung. Was sie in der Hand hielt war nichts weiter als eine kurze Notiz – handgeschrieben, auf schlichtem weißem Papier:
›Deine Kleidung ist unangemessen.
Du wirst das umgehend ändern!
Ich