Neues Leben für Stephanie. Lisa Holtzheimer

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Neues Leben für Stephanie - Lisa Holtzheimer

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Buch, kein Radio, keinen Fernseher. Die Zeiten, in denen seine Mitpatienten das Zimmer verlassen hatten, nutzte er, um den Fernseher auszuschalten und mit Gott zu sprechen. Das half ihm, diese nicht so einfache Zeit zu ertragen.

      Er griff zum Telefon. Sein Bruder arbeitete als Freiberufler zu Hause, so dass er ihn auch am Vormittag erreichen konnte. Er brauchte jetzt eine vertraute Stimme, jemanden zum Reden. Und auch jemanden, der zu Hause in Frankfurt ein paar Dinge für ihn regeln würde – angefangen beim Blumengießen in seiner Wohnung bis zum Klavierspielen in der Gemeinde, für das er schon am nächsten Sonntag wieder eingeplant war. „Wie gut, dass mein leiblicher Bruder auch mein geistlicher Bruder ist“, dachte er. Ein christlicher Gesprächspartner fehlte ihm besonders in diesen Tagen sehr. Seine Zimmernachbarn waren zwar nett, aber auf dieser Ebene war mit ihnen nicht zu kommunizieren, das hatte er schon vorsichtig abgeklopft. Er wählte die Frankfurter Nummer und bat 2 Minuten später seinen Bruder um einen Rückruf. Die Einheiten hier in der Klinik waren derartig teuer, dass Ferngespräche unerschwinglich wurden.

      * * *

      „Hallo Michael, wir wollten mal wieder schauen, wie’s dir so geht.“ Michael blinzelte. Nach dem Mittagessen war er eingenickt. Neben ihm stand Peter Mooser, und Florian lehnte an der Fensterbank. „Klasse Gips“, war sein erster Kommentar. „Damit kannste ja glatt jemanden erschlagen.“ Michael konnte nicht anders als lachen. „Das hatte ich eigentlich nicht vor – aber wenn ich’s mir so überlege, ich könnte ja mal mit dir üben.“ Florian grinste und sein Vater warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. „Wir können dir gerne mal einen verpassen, dann kannst du selbst feststellen, ob du den Gips dann immer noch ‘klasse’ findest.“ Er wandte sich wieder Michael zu. „Darfst du schon aufstehen und mit uns in der Caféteria Kaffee trinken?“ „Kaffee ...“, kam es angewidert aus Richtung Fenster. „Davon wird man dumm. Ich trink’ lieber Cola!“ Bevor Peter seinem Sohn nun ernsthaft ins Gewissen reden konnte, antwortete Michael: „Leider lassen sie mich nicht aus dem Bett – und ehrlich gesagt, im Moment habe ich auch keine großen Ambitionen dazu, denn mein Bein tut irrsinnig weh. Das will einfach nicht heilen. Deshalb werden sie morgen erneut an mir herumschnipseln ...“. Peter war sichtlich betroffen. Er war von einem normalen Beinbruch ausgegangen, der sich schon auf dem Weg der Besserung befand.

      „Flo – lauf doch mal runter und besorge uns 2 Kännchen Kaffee – den darfst du doch trinken?“ warf er mit einem Blick auf Michael ein. Der nickte. „Und deine Cola kannst du auch mitbringen. Wenn du willst, kannst du auch noch ein Eis essen – das aber unten in der Cafeteria. Den Kaffee bringst du uns dann später hoch.“ „Au ja!“ Florian sprang auf. Erst Eis und dann Cola, das waren gute Aussichten. So spendabel war sein Vater nicht oft, das musste er ausnutzen. Er hielt ihm die ausgestreckte Hand entgegen. Peter drückte ihm einen Schein in die Hand, und sein Sohn hüpfte pfeifend aus dem Zimmer. „Und bring noch ein paar Zeitschriften für Michael mit – der stirbt sonst vor Langeweile!“ rief Peter ihm noch hinterher. „Magst du ‘was Bestimmtes?“ Michael schüttelte den Kopf. „Ganz egal, aber ein paar Kreuzworträtsel wären nicht schlecht. Das soll ja die Intelligenz fördern.“ Florian schielte und wollte schon wieder einen Spruch loslassen, aber sein Vater hob warnend die Augenbrauen. Wortlos verschwand der Junge.

      Eine gute halbe Stunde später öffnete sich die Zimmertür wie von selbst, und dann kam Florian hinterher, ein Tablett vor sich her balancierend. „Zimmerservice! Kalter Kaffee mit saurer Milch und Salz.“ grinste er und stellte das Tablett auf Michaels Nachttisch, griff nach der Cola–Flasche und sprang wieder auf die Fensterbank. Michael musste einfach immer wieder über den Zwölfjährigen lachen. Seine frechen Bemerkungen waren nur halb so frech gemeint, und sie erfüllten ihren Zweck. Sie heiterten ihn ohne Zweifel auf. Schön, dass seine Pensionsleute längst mehr als nur Gastgeber waren und sich auch um sein Wohlergehen sorgten. Ohne ihre Besuche von Zeit zu Zeit gäbe es hier tatsächlich keinen Menschen, mit dem er auch einmal ein privates Wort wechseln könnte. Wenn sie jetzt noch Christen wären, könnten sie auch mal miteinander und füreinander beten. Für sie beten, das tat Michael schon seit Jahren immer wieder, und in diesen Tagen hatte er dafür besonders viel Zeit. Moosers waren wirklich liebe Leute, er würde es sich und ihnen wünschen, dass sie Gott kennen lernten.

      Sie tranken den Kaffee, dann verabschiedeten sich Peter und Florian. Peter versprach, Michael ein bisschen Lesestoff zu besorgen, und Florian wollte ihm seinen Radio–CD–Spieler bringen. Michael war gerührt und musste aufpassen, dass ihm nicht die Tränen kamen. Dieser Junge, auf dem Weg zwischen Kind und Teenager, spielte immer wieder den Clown und warf mit wilden Sprüchen um sich, aber er hatte ein weiches Herz und ein feines Gespür dafür, wann die Zeit gekommen war, freche Sprüche gegen Freundlichkeiten einzutauschen. „Heute Abend bring’ ich dir alles her!“ rief er von der Tür aus zum Abschied und winkte mit beiden Armen über dem Kopf. Michael zweifelte keinen Moment daran, dass er das auch tun würde.

      * * *

      Es schneite. Wie Wattebäusche wirbelten die Schneeflocken durch die Luft und sorgten für eine extrem kurze Sichtweite. „Ausgerechnet jetzt“, dachte Stephanie. Angestrengt versuchte sie, die Straßenschilder in der fremden Stadt zu lesen. Neben ihr verlief der Fluss, das war zu erkennen, und irgendwie musste sie diesen überqueren, um in Richtung Flughafen zu kommen. Doch das war leichter gesagt als getan. „Diese Stadt hat ja mehr Einbahnstraßen, als die Polizei erlaubt“, stöhnte sie. „Wohin geht das jetzt schon wieder? Das ist doch die falsche Richtung!!“ Aber die Verkehrsführung ließ nichts anderes zu; abgesehen davon war es im dichten Nachmittagsverkehr nahezu unmöglich, spontan eine Spur zu wechseln. Sie hatte sich restlos verfahren. An der nächsten Möglichkeit steuerte sie ihren kleinen Wagen genervt an den Straßenrand, um auszusteigen und das nächste Straßenschild zu suchen. Dies schien die einzige Möglichkeit zu sein, sich wieder Orientierung zu verschaffen. An der Kreuzung blieb sie stehen und faltete den Stadtplan auseinander, den sie sich an einer Tankstelle besorgt hatte. Der Flughafen war leicht zu erkennen, aber wo – um alles in der Welt – befand sie sich gerade? Sie blickte auf die Armbanduhr. Wenn sie sich beeilte und den Weg jetzt fand, hatte sie noch Chancen, den Flughafen zu erreichen, bevor Jana ausgecheckt hatte. In 6 Minuten sollte die Maschine landen, aber zwischen Landen und Auschecken verging erfahrungsgemäß mindestens eine halbe Stunde – meistens mehr. Aus dieser Sicht konnte sie es schaffen – wenn sie herausfinden würde, wo ihr Standort gerade war ... Sie suchte nach Orientierungspunkten auf dem Plan und in der Umgebung. Der Fluss war nicht mehr zu sehen, aber das letzte Mal hatte er links von ihr gelegen. Über irgendeine Brücke war sie dorthin gekommen – aber welche der vielen Brücken auf dem Stadtplan war das gewesen? Langsam schlich Verzweiflung in ihr hoch. Schneesturm in einer wildfremden Stadt, sie hatte keine Ahnung, wie sie jemals den Flughafen finden sollte, geschweige denn später den Weg zurück nach Hause – und die Minuten verstrichen. Gleich würde Jana das Flugzeug verlassen.

      Stephanie sah sich um. Kaum ein Mensch auf der Straße – jedenfalls zu Fuß. Dafür Unmengen von Autos, aber sie konnte schlecht einen Wagen anhalten, um nach dem Weg zu fragen. Drüben auf der anderen Straßenseite blinkte ein Werbeschild. Darunter entdeckte sie ein Lokal. Sogar Licht schien durch die Fenster, also war es offen. Dort würde man ihr hoffentlich helfen können. Zum Glück gab es an dieser Kreuzung eine Ampel, die die unendliche Blechschlange irgendwann zum Stehen brachte und ihr den Weg in Richtung Gaststätte ebnete. 2 Minuten später öffnete sie die Tür zu dem Lokal. Hinter der Theke standen zwei nur leicht bekleidete Mädchen. „Oh nein, wo bin ich denn hier gelandet?“ Stephanie hatte nicht weiter auf die Inschrift auf dem blinkenden Schild geachtet – Hauptsache ein Mensch, der sich auskannte. Doch bei dem Anblick kamen ihr Zweifel, ob sie diesen Menschen hier finden würde. Doch wo sie nun schon einmal drin war, ging sie weiter und legte den Stadtplan auf die Theke. „Ich suche den Flughafen – und ich hab’s fürchterlich eilig!“ Die Mädchen blickten sich an, dann ging eine in einen Hinterraum und kam mit einem mittelalten Mann wieder. Der wusste, wie die Straße hieß, in der sie sich befanden, und er konnte ihr auch den Weg zum Flughafen so erklären, dass sie eine Ahnung davon bekam, wie sie fahren musste. Sie bedankte sich, schnappte den Plan und lief auf die Straße. Wieder musste

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