Neues Leben für Stephanie. Lisa Holtzheimer

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Neues Leben für Stephanie - Lisa Holtzheimer

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hob den Wärmedeckel vom Teller und stellte fest, dass er überhaupt keinen Appetit hatte. Er deckte das Essen wieder zu, zog jetzt wirklich die Ohrenstöpsel aus der Nachttisch-Schublade und zog sich die Decke über den Kopf. Er wollte niemanden hören und sehen und einfach nur schlafen. Durch die Ruhe würden auch die Schmerzen besser werden, das wusste er inzwischen aus Erfahrung. Wenn es ganz schlimm wurde, bekam er Schmerzmittel, aber sein behandelnder Arzt hatte ihm auch erklärt, dass diese nicht rund um die Uhr gegeben werden könnten. Michael verstand das, und er bemühte sich, nur selten danach zu fragen.

      Er wachte auf, als ihn jemand ansprach. Schwester Britta stand an seinem Bett und wollte wissen, ob alles in Ordnung sei. „Doch, alles okay. Warum?“ antwortete Michael verschlafen. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass er mehr als drei Stunden fest geschlafen hatte. Erstaunlich am helllichten Tag und bei laufendem Fernseher, selbst mit Ohrenstöpseln. „Sie haben Ihr Mittagessen gar nicht angerührt“, meinte Britta, und als ich vor einer Stunde schon mal hier stand, haben Sie mich völlig ignoriert.“ Sie zwinkerte ihm zu. Langsam wurde er ganz wach. „Wie konnte ich!?“ Jetzt fand er seinen Humor wieder. „Das ist ja unverzeihlich!“ Britta musste lachen. „So gefallen Sie mir schon besser. Wie sieht’s aus mit Hunger?“ Michael legte die Hand auf seinen Magen und tat, als würde er auf etwas hören. „Ein bisschen, sagt der da“, antwortete er dann, und Britta grinste breit. „Dann schau ich mal, was ich in der Küche klauen kann.“ Sie verließ das Zimmer und war wenige Minuten später wieder mit zwei großen Kuchenstücken da. Michael staunte. Das gab’s nur selten, und wenn, dann für alle. Sein Bettnachbar war nicht da, er hatte wahrscheinlich Besuch und saß mit diesem rauchend in einer Balkonecke. Wenn er wiederkam, umgab ihn oft eine entsprechende Duftnote. „Guten Appetit!“ Britta freute sich, dass ihr diese Überraschung gelungen war. Den Kuchen hatte eine Kollegin von zu Hause mitgebracht, und eigentlich war so etwas in Patientenzimmern tabu. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel, sagte sich Britta.

      Sie war seit einigen Tagen wieder im Dienst, und bisher hatte sie keine Gelegenheit gehabt, Michael Aschmann anzusprechen. Seit sie wusste, dass er nach einer Bibel gefragt hatte, vermutete sie, dass er Christ war. Sie würde ihm gerne vermitteln, dass er damit nicht so alleine auf weiter Flur war, wie er vielleicht annahm, aber sie hatte ihn seitdem noch nicht alleine sprechen können. Und in Gegenwart von Kollegen, Ärzten oder anderen Patienten waren diese privaten Dinge natürlich kein Gesprächsthema. Jetzt war die Gelegenheit günstig, und sie überlegte, wie sie es anfangen könnte. Sie wollte weder Stephanie verraten noch den Patienten in eine vielleicht unangenehme Situation bringen, darum wollte sie nicht einfach erzählen, dass die Kollegin sie um Rat gebeten hatte.

      Ohne ihre Überlegungen zu kennen, gab Michael selbst ihr den Einstieg. Mit einem Blick auf den Kuchen meinte er sehnsüchtig: „Dieser Kuchen erinnert mich an meinen Hauskreis. Den gibt’s dort öfter mal. Ist heute nicht sogar Mittwoch?“ Britta horchte erstaunt auf und schickte ein stilles Dankeschön gen Himmel. Leichter konnte er es ihr nicht machen. „Ja, stimmt, heute ist Mittwoch. Und mein Hauskreis trifft sich heute Abend auch – nur ich komme mal wieder zu spät. Immer dieser Spätdienst ...“ Michael ließ beinahe die Gabel fallen. Er sah Britta mit großen Augen an. „Das gibt’s doch nicht“, seufzte er dann, „da spricht man wochenlang über Beinbrüche, Gipsbeine und Schrauben in den Knochen, aber über das wirklich Wichtige redet man kein Wort miteinander!“

      Er freute sich unendlich und erzählte Britta, dass er einen christlichen Ansprechpartner sehr vermisste. „Sind hier noch mehr?“ fragte er schließlich. Britta schüttelte den Kopf. „Leider nein. Hier im tiefsten Bayern finden Sie nur wenige Christen außerhalb der katholischen Kirche.“ Michael nickte wissend. Diese Tatsache war ihm nicht unbekannt. Dass Britta mit ihrer Antwort vor allem eine viel persönlichere Frage beantwortet hatte, ahnte sie nicht, aber Michael wusste nun, dass seine „Lieblingsschwester“, wie er Stephanie manchmal für sich nannte, nicht gläubig war. Er hatte noch keine Möglichkeit gefunden, sie darauf anzusprechen, und seitdem er nicht mehr alleine im Zimmer war, hatten sie auch kaum ein privates Wort miteinander gewechselt. Keiner wollte den anderen in Verlegenheit bringen. „Schade“, sagte er wie in Gedanken. „Ja, das finde ich auch“, bestätigte Britta. Ich fände einen Gebetskreis oder etwas Ähnliches hier im Haus wirklich schön. Aber leider stehen die Chancen dafür zurzeit schlecht.“ „Dann müssen Sie Ihre Kolleginnen eben ganz schnell bekehren“, grinste Michael. „Bin schon dabei“, gab Britta zurück. „Eine, Stephanie, habe ich schon mal mit in den Hauskreis geschleppt.“

      Sie registrierte ein kurzes Blitzen in Michaels Augen. „Und was hat sie gesagt?“ wollte dieser dann auch wissen. „Nicht viel, aber immerhin hat sie zugegeben, dass das mit dem, was sie sich bisher unter Kirche vorgestellt hatte, nicht viel gemeinsam hat. Ich hoffe, sie kommt wieder mit. Ist schon ein paar Wochen her, zwischendurch hatte sie Besuch, und nun muss sie die Kurve erst wieder kriegen.“ „Ich kann ja mal dafür beten“, bot Michael an. „Klar, gerne!“ antwortete Britta. „Wäre echt schön, wenn sie den Weg finden würde. Sie ist neu hier, und seit ein paar Wochen verstehen wir uns echt gut. Sie ist wirklich nett.“ „Stimmt“, konnte Michael sich nicht verkneifen, und Britta musste lachen. „Ich geh’ dann mal wieder“, meinte sie dann, „hier warten noch ein paar Leute auf mich.“ „Danke für den Kuchen!“ rief Michael ihr nach, als sie die Tür schloss. „Und danke für die letzten Minuten“, flüsterte er an einen anderen Adressaten.

      13

      Stephanie saß auf dem Balkon und genoss die Frühlingssonne. Oben auf den Bergen lag immer noch Schnee, aber im Tal hatte sich der Frühling durchgesetzt, die Krokusse leuchteten in den Gärten und auch die ersten Osterglocken steckten schon die Köpfe aus der Erde. Wenn sie den Einheimischen glaubte, konnte sich das alles noch einmal ganz schnell wieder ändern – eine kalte Nacht und Wolken am Himmel, und alles wäre wieder weiß. „Macht nichts“, dachte sie sich, „das geht dann bestimmt so schnell wieder wie es gekommen ist.“ Im Moment konnte sie sich aber kaum vorstellen, dass es noch einmal schneien würde. Hier auf dem geschützten Balkon in der Nachmittagssonne ließ es sich schon im T-Shirt aushalten. Auf dem kleinen Tisch neben ihr stand eine Tasse Tee. Freie Tage waren etwas Schönes, erst recht bei diesem Wetter!

      Stephanie war so in ein Buch vertieft, dass die das Telefon erst nach dem dritten Läuten hörte. Sie sprang auf und konnte den Anruf gerade noch entgegennehmen, bevor sich ihr technischer Mitarbeiter einschaltete. Britta war am anderen Ende. Am Nachmittag war es ruhig auf der Station, die meisten Patienten hatten Besuch, und da blieb schon mal Zeit für ein kurzes Telefonat. Stephanie hörte eine Weile zu, was Britta sagte. „Nee, Britta, heute wirklich nicht“, antwortete sie dann auf deren Vorschlag, sie wieder mal mit zum Hauskreis zu nehmen. „Die anderen fragen schon nach dir“, erzählte Britta ihr, aber Stephanie ließ sich nicht überreden. „Vielleicht nächste Woche.“ „Ich nehme dich beim Wort, darauf kannst du dich verlassen!“ Stephanie zweifelte keinen Moment daran. „Ich fürchte auch …“ Britta grunzte etwas Unverständliches, und dann musste sie das Gespräch beenden, weil eine Klingel summte. Sie ging in das Zimmer, über dem eine Lampe aufleuchtete.

      „Super schönes Wetter!“ Britta stand am Fenster im Flur und ärgerte sich, dass sie arbeiten musste. Hoffentlich würde sich das Wetter bis zum Wochenende halten. Dann hatte sie frei und könnte Stephanie bestimmt wieder zu einem kleinen Ausflug mit dem Fahrrad einladen. Sie hatten schon festgestellt, dass sie beide gerne mit dem Rad unterwegs waren, und nun kam die richtige Zeit dafür. Britta kannte eine ganze Reihe guter Wege zum Fahren. Noch waren nicht alle wieder befahrbar, aber das würde von Tag zu Tag besser werden. Sie würde Stephanie so gerne auch einmal zum Gottesdienst einladen, aber ein inneres Gespür sagte ihr, dass es dazu noch zu früh war. Erst einmal würde sie sie nächste Woche wieder zum Hauskreis einladen und sich dabei auf Stephanies Worte von vorhin berufen.

      Seitdem sie die Freundin zum ersten Mal mitgenommen hatte, betete sie für sie, und jetzt hatte sie noch einen Mitstreiter gefunden. Ob der nette Herr Aschmann noch einen

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