Neues Leben für Stephanie. Lisa Holtzheimer
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Aber das hatte gewirkt. Jana hatte sie entdeckt, zog sich nun auch ihren Schal vom Hals und wedelte ebenso wild durch die Gegend. Offensichtlich zu wild, denn Stephanie konnte jetzt sehen, wie eine Person hinter Jana nach dem Schal griff. Jana sah sich erschrocken um, hob dann beide Arme und legte die Hände waagerecht. Stephanie verstand die Botschaft und lachte laut auf. Gut, dass der Mann neben ihr verschwunden war. Nun war Jana schon oben auf der Treppe angekommen, und eine Minute später hatte der Riesenvogel sie verschluckt. Stephanie wollte nun warten, bis die Maschine startete, aber auch 20 Minuten später tat sich noch nichts. Ihr wurde kalt dort oben auf der zugigen Terrasse, und so cancelte sie ihren Plan und stieg die Treppe hinunter. Es ging ihr besser – dieser kleine Zusatzbonus beim Abschied der Freundin hatte ihre Laune wieder steigen lassen.
Sie sah auf die Uhr. Kurz nach drei. In der ganzen Zeit, in der sie Besuch gehabt hatte, hatten sie es nicht geschafft, noch einmal nach Salzburg zu fahren, um auch einmal etwas von der Stadt zu sehen. Von Britta und anderen Kollegen wusste sie aber, dass die Stadt äußerst sehenswert war. Und bei strahlendem Sonnenschein, der hier im tiefer gelegenen Ort auch den Schnee fast restlos beseitigt hatte, machte ein Bummel durch ein hübsches Städtchen immer Spaß. Sie schlenderte zurück zum Auto und schloss gerade die Tür auf, als sie ihr Handy piepsen hörte. Eine SMS war gekommen. Sie stieg in den Wagen, zog das Telefon aus der Tasche und las: „Die Tante hinter mir hätte mich beinahe erwürgt ... ;–)“. „Dann versteck bloß deinen Schal gut, bevor sie das im Flieger noch nachholt. Gute Reise! Gehe jetzt in S. bummeln.“, tippte sie als Antwort und schickte die Nachricht durch die Luft. Sie fädelte sich in den Verkehr Richtung Innenstadt ein und beschloss, sich überraschen zu lassen. Sie hatte keine Ahnung, wo man parken konnte und wie man in die Stadt kam, aber sie hatte einen Mund zum Fragen, und dieses Mal würde sie genauer auf die Lokale achten, die sie betrat.
Ohne Schneesturm ließ sich auch die Beschilderung in Salzburg gut lesen, und so war es nicht schwierig, in die Innenstadt zu finden. Nach gar nicht sehr langer Zeit zeigte ein Schild den Weg zum „Mönchsbergparkhaus“. Sie folgte dem Hinweis und stellte ein Weilchen später ihren Wagen mitten in einem Berg ab. „Faszinierend“, staunte sie, als sie kurz darauf das Berginnere verließ und von außen auf das Felsmassiv schaute. Von Ferne ließ nichts vermuten, dass sich darunter ein mehrstöckiges Parkhaus befand. Dann sah sie sich um. Kleine Straßen und Gassen führten in verschiedene Richtungen. Aus der einen Richtung war sie gerade gekommen, entgegengesetzt führte die Straße direkt zum Festspielhaus, und so beschloss sie, die Straße zu überqueren und dann der kleineren Straße zu folgen, in der auch recht viele Menschen zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs waren. Nach einigen Metern bog die Straße um eine Ecke, und kurz danach begann eine Fußgängerzone. „Richtig geraten“, freute sie sich und folgte dem Menschenstrom.
* * *
Stephanie war begeistert von dem ganz eigenen Flair der Mozartstadt. Wolfgang Amadeus hatte seine Spuren an jeder Straßenecke hinterlassen; neben den allgegenwärtigen Mozartkugeln gab es von seiner Musik bis hin zu dem größten Kitsch Mozart in allen Varianten. Wenn man versuchte, darüber hinweg zu sehen, lernte man eine wunderschöne Stadt kennen mit kleinen Gässchen, gemütlichen Plätzen und vielen attraktiven Angeboten. Stephanie nahm sich vor, diesen Ort öfter zu besuchen und genauer zu erkunden. Es gefiel ihr ausgesprochen gut hier. Sie bummelte durch einige enge Gassen, die alle miteinander verbunden zu sein schienen, und als sie wieder um eine Ecke bog, stand sie plötzlich direkt an dem Fluss, den sie nun schon kannte. Nur die Straße trennte sie noch vom Ufer. An der nächsten Ampel überquerte sie diese und trat dann auf eine Brücke. „Mozartsteg“ las sie auf einem Schild. Was sonst? Mitten auf dem Steg, der mehr war als das Wort aussagte, blieb sie stehen und guckte ins Wasser. Am Ufer entlang, etwas tiefer gelegen als die Straße, führte ein breiter Weg, der sich zum Spazierengehen ebenso wie zum Radfahren gut eignete, was auch schon viele Menschen nutzten. Auch hier konnte man ahnen, dass ein Großteil der Leute keine Einheimischen waren. Wie das erst im Sommer aussehen würde? Sie war wirklich gespannt. Über ihre Wahlheimat Berchtesgaden hatte sie da schon eine Menge gehört; und sie begann zu ahnen, dass es in Salzburg nicht anders sein würde. Erstaunt ertappte sie sich selbst bei dem Gedanken, dass sie die Urlauber gut verstehen konnte. Es war wirklich schön hier. Sie begann langsam, ihre neue Heimat ins Herz zu schließen.
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Knapp drei Stunden später schloss Stephanie ihre Wohnungstür auf und hörte das Telefon klingeln. Sie ließ die Tür ins Schloss fallen und rannte ins Wohnzimmer. „Hallo?“ „Ich hab’ lahme Beine!“ antwortete eine Stimme am anderen Ende. Jana war zu Hause angekommen. „Wieso? Bist du gelaufen?“ fragte Stephanie irritiert zurück. „Nee, vom Treten ...“ Über eine Stunde telefonierten die beiden – als hätten sie sich wochenlang nicht gesehen. Aber natürlich mussten sie sich ihre Erlebnisse der letzten Stunden erzählen, und beiden fiel das Gewöhnen an die Freundinnen–Abstinenz auf diese Weise leichter. Kaum hatten sie aufgelegt, schrillte der Apparat schon wieder. In der festen Annahme, Jana hätte etwas vergessen, nahm Stephanie den Hörer und schnarrte: „Hierrr sprrricht nurrr derrr Automat!“ „Wie bitte?“ fragte ihre erstaunte Mutter zurück. Die Tochter konnte nun nicht mehr an sich halten vor Lachen und versuchte zwischen Luft holen und Kichern, ihrer Mutter die Situation zu erklären.
Nachdem sie sich einigermaßen beruhigt hatte, fragte ihre Mutter, wie denn die Zeit mit Jana gewesen wäre, ob Jana Fotos gemacht hätte und überhaupt, was sie so gesagt hätte. Stephanie roch den Braten sofort. „Nein, Mama, keine Chance“, gab sie nur zur Antwort. Die Mutter verstand nicht gleich. „Ich komme nicht zurück nach Hamburg, schon gar nicht ins UKE.“ „Direkt unter die Nase von deiner Freundin“, dachte sie, sagte das aber nicht laut. Die Mutter tat erstaunt, aber es gelang ihr nicht so richtig, ihre Enttäuschung zu verstecken. „Kind, das musst du doch auch selber wissen“, meinte sie, und Stephanie antwortete nur: „Eben.“ Sie hatte keine Lust auf eine Diskussion zu diesem Thema, aber wo sie schon dabei waren, fiel ihr gleich noch Carsten ein. „Übrigens, ich möchte dich echt bitten, meine Telefonnummern nicht allen möglichen Leuten zu geben.“ Die Mutter stutzte einen Moment und fühlte sich dann ertappt. „Alle möglichen Leute ... das war doch nur Carsten.“ „Eben“, wiederholte Stephanie sich. „Genau der sollte sie nicht haben.“ Die Mutter antwortete nichts darauf. Stephanie merkte, dass sie sie verletzt hatte. „Mama, ich weiß, du meinst es gut, aber in manchen Punkten denke ich eben anders als du. Und Carsten ist so ein Punkt. Unsere Beziehung ist zu Ende, und daran wird sich nichts ändern. Und mir hilft es nicht, wenn er sich immer wieder meldet.“ Ihre Mutter signalisierte, dass sie verstanden hatte. Sie sprachen noch eine Weile, dann beendete Stephanie das Gespräch mit dem Hinweis, dass sie dringend schlafen gehen müsste, weil sie morgen wieder Frühdienst hätte.
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Michael war froh, dass er wieder in seinem Bett lag. Vor einer Woche war der Gips an seinem Bein entfernt worden und seitdem bekam er täglich Krankengymnastik. Dazu wurde er mit dem Rollstuhl zur Physiotherapie gebracht, denn laufen konnte er noch lange nicht wieder. Die Übungen waren alles andere als ein Kinderspiel. Zum Einen war durch die wochenlange Untätigkeit die Muskulatur völlig geschwächt und hatte sich zurück gebildet, zum Anderen bereitete ihm die derzeit unbewohnte Bewegung des Beines oft Schmerzen am Rande des Erträglichen. Aber er wusste auch, dass all das notwendig war, um so schnell wie möglich wieder auf die Beine zu kommen. Und das wollte er. Fast Fünf Wochen lag er nun schon im Bett, und seine Geduld war langsam am Ende. Er schloss die Augen und wollte nur schlafen. Sein Bettnachbar hatte den Fernseher eingeschaltet. Zum Glück war der ältere Mann nicht so fernseh-fanatisch, dass der Apparat den ganzen Tag lief, aber jetzt schaute er sich ein Fußballspiel an. Normalerweise hätte Michael das auch interessiert, doch seine Müdigkeit überwog. Wie gut, dass es die