Der Fluch. Michael Lindner
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Fluch - Michael Lindner страница 3
„So ist das also“, murmelte er. Langsam verstand er, was sich vorher im Wald zugetragen hatte.
„Sie jagten ihn aus ihrem Stamm, weil er ein Ehebrecher war“, dachte er. „Er hatte sich mit einer ihrer Frauen getroffen und sie wollten sich an ihm rächen. Er hatte ihn, wie es schien, vor dem sicheren Tod bewahrt.“
Er warf ihm, wie er so zusammengekauert auf der Treppe saß, einen unschlüssigen Blick zu. Es kam ihm alles sehr sonderbar vor. Er war jetzt länger als zwei Jahre alleine auf dieser Insel, und hatte mit keinem Menschen ein Wort gewechselt. Dann, wie aus heiterem Himmel, fiel ihm dieser Bursche in die Hände. Und er erzählte ihm nicht irgendetwas. Nein, er erzählte ihm von etwas, das ihn seltsamerweise an sich selbst erinnerte. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass er Nuii nicht zufällig getroffen hatte. Es war ihm, als hätte ihn das Schicksal zu ihm geführt.
„Du kennst dieses Haus?“, fragte er ihn vorsichtig, „Dann weißt du bestimmt auch, warum es leer steht, oder?“
Nuii nickte. „Ja! Das Haus gehörte dem König von Samoa!“
„Dem König von Samoa? Aber hier ist nicht Samoa!“
„Nein, hier ist nicht Samoa“, wiederholte Nuii mit schwacher Stimme.
Robin sah ihn irritiert an, und als wäre er ihm eine Antwort schuldig, fügte Nuii fast beiläufig hinzu: „Hier ist Nuau Nalua.“
Robin hörte diesen Namen zum ersten Mal. Er klang wie Musik in seinen Ohren. Die Betonung der Wörter lag auf den letzten Silben und Nuii hatte sie beinahe gesungen.
„Wie schön, den Namen der Insel aus seinem Mund zu hören“, dachte Robin und betrachtete erneut Nuiis Gesicht. Es sah sehr müde aus und er befand, dass es Zeit war, ihn ins Haus zu bitten. Er hoffte, er könnte noch mehr mit ihm reden, wenn er sich einmal sicher fühlte.
„Weißt du!“ sagte er zu ihm und wandte sich zur Türe. „Einmal waren zwei Männer hier. Sie meinten, das Haus und der Grund und überhaupt alles auf der Insel, sei Eigentum der Regierung. Sie wollten, dass ich von hier verschwinde. Einer von ihnen sagte sogar, er werde wiederkommen.“
Nuii sah kurz auf, das Unbehagen in Robins Stimme war ihm nicht entgangen.
„Natürlich“, sagte er dann, „sie werden wiederkommen“, und machte eine ernste Miene.
„Meinst du?“ fragte Robin beunruhigt.
„Ja, ganz sicher“, seufzte er.
„Früher, bevor ich geboren wurde, waren hier noch mehr von ihnen. Weiße, viele Weiße, sie waren überall. Sie nahmen die Menschen mit, machten sie zu Sklaven und brachten sie auf die großen Schiffe.“
„Was machten sie mit ihnen?“ fragte Robin.
„Ich habe keine Ahnung. Soviel ich weiß, sind sie nicht zurückgekommen. Sie holten Kokos, viel Kokos. Sie brachten es über den Ozean bis nach Australien, oder nach Europa und verkauften dann das Kokosnussöl.“
„Ja, das kann schon stimmen“, pflichtete ihm Robin bei. Er erinnerte sich, er hatte schon einmal von den Kokosnüssen und den Plantagen gelesen, mit denen die Seefahrer sehr viel Geld verdienten.
Er paffte ein kleines Rauchwölkchen in die feuchtschwüle Luft und ließ den Blick über das Holzgeländer der Veranda schweifen, welches aus Sprossen bestand, die allesamt, bis auf ein paar Ausnahmen, kaputt waren. Dann blickte er prüfend auf die gewölbten Querträger über ihm, welche die Holzpfeiler des Vorbaus miteinander verbanden. Sie machten einen wenig vertrauenerweckenden Eindruck.
„Schon lange war ich nicht mehr da oben“, sagte er und deutete zum oberen Stockwerk hinauf.
„Ich habe Angst, dass es zusammenbricht.“
Nuiis Augen folgten Robins Handbewegung. Er stand dicht neben ihm und schaute nach oben. Über die schöne, braune Haut seiner Wangen rannen Schweißtropfen. Robin roch das Kokosnussfett in seinen schwarzgelockten Haaren.
„Wie alt er wohl ist“, dachte er kurz.
„Vielleicht sechsundzwanzig, höchstens acht-undzwanzig.“ Er nahm einen tiefen Zug aus der Pfeife und trat ins Haus ein. Nuii folgte ihm nach.
In einer Ecke gleich neben dem Eingang war ein Tisch und darauf stand eine große, mit Ornamenten reich verzierte Schüssel. Sie war kunstvoll gefertigt und es befand sich Sand darin. Nuii, der sich noch kaum im Hause umgesehen hatte, wandte sich ihr sofort zu. Er deutete auf eine männliche Figur, die darauf abgebildet war.
„Das ist der König von Samoa!“ sagte er beinahe andächtig und fuhr mit dem Finger die Konturen nach. Neben der Figur war ein Schiff mit wenigen schwarzen Strichen gezeichnet. Es war ein Dreimaster mit riesigen Segeln und zwei Schornsteinen in der Mitte. Es sah aus, wie eine Mischung aus Segelschiff und Ozeandampfer.
„Das ist der König von Samoa?“ fragte Robin.
Er hatte ihn sich nicht so vorgestellt. Als er die Gravuren genauer anschaute, fiel ihm auf, dass der Mann einen Schnurrbart trug und dass er ein Gewehr geschultert hatte. Außerdem trug er einen Hut. Den linken Arm hielt er selbstbewusst in die Hüfte gestützt.
„Eigentlich hatte er auch eine Pfeife“, sagte Nuii plötzlich.
Robin sah ihn fragend an. „Eine Pfeife? So wie ich etwa?“
Ja, genau wie du!“ sagte Nuii und musste lächeln. Zum ersten Mal, seit seiner wilden Verfolgungsjagd im Wald, war er wieder fröhlich. Robin war erfreut darüber, ihn so zu sehen, Auch er konnte ein Schmunzeln nicht verbergen. Er griff in das Innere der Schüssel, die mit weißgelbem Sand gefüllt war, und nahm eine Muschel heraus. Es war eine seiner Lieblingsmuscheln. Sie war flach, hatte die Form eines Fächers und sie war strahlend gelb. Nuii sah fasziniert auf die Muschel. Noch niemals hatte er so eine gesehen.
„Sie sieht aus wie der Kopfschmuck von Palobi!“ sagte er zu Robin. „Gibst du sie mir?“
„Wer ist Palobi?“ fragte Robin und zögerte eine kurze Weile.
„Palobi ist der Häuptling von meinem Stamm.“
„Von deinem Stamm?“
Nuii nickte heftig, dass die Kette an seinem Hals rasselte. „Ja, von meinem Stamm! Palobi trägt einen großen Federschmuck. Er sieht aus wie diese Muschel!“
Robin gab ihm die Muschel. Sie passte genau in seine Handfläche. Nuii hielt sie wie ein Medaillon, wie etwas Wertvolles, während er sie betrachtete. Ihre symmetrischen Rillen verliefen, an der Wirbelstelle entspringend, wie Sonnenstrahlen auseinander und man konnte sich tatsächlich den Kopfschmuck eines Kriegers vorstellen, vorausgesetzt man dachte sich den Kopf dazu und das bemalte Gesicht.
Robin nahm noch eine Muschel aus dem Gefäß. Sie war ganz anders, aber um nichts weniger schön. Ihre Oberfläche war glatt, weiß und ockerfarben gefleckt wie ein Leopardenfell. Sie drehte sich zuerst in breiten Abständen und dann immer enger werdend, wie eine Schnecke bis zu ihrer Spitze, wo sie ganz dunkel war. „Was sagst du zu dieser hier?“ fragte er ihn und hielt sie ihm hin.
Nuii legte die gelbe Muschel in den Sand zurück. Er ergriff die andere