Ernteplanet. Rolf-Dieter Meier
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„Danke!“ Zu mehr war Erik im Augenblick nicht fähig und war froh, dass Dr. Konzalik keine weiteren Überraschungen parat hatte und sich stattdessen über die leckeren Häppchen hermachte. Nach diesem Gespräch hatte er das Gefühl, dass einer glänzenden Karriere nichts mehr im Wege stand.
Erik hatte das Angebot von Dr. Konzalik angenommen und sich auf den Heimweg begeben. Unterwegs kam ihm der Gedanke, dass es angesichts des schönen Wetters keine schlechte Idee wäre, nach dem so frühen Champagner einen Kaffee zu trinken. Also steuerte er das nächste ihm bekannte Café an, um die Idee auch in die Tat umzusetzen. Es würde ihm gut tun, in der Sonne zu sitzen und die letzte Stunde noch einmal Revue passieren zu lassen. Eines aber stand schon fest: er würde heute Abend Kirstin mit einem Essen überraschen. Schließlich gab es ja einen Anlass für eine kleine Feier zu Zweit.
Kirstin fühlte sich ausgesprochen beschwingt, als sie nach der kurzen Busfahrt und dem kleinen Fußmarsch von der Haltestelle bis zur Kanzlei schließlich ihr Büro betrat. Sie war sich nicht ganz schlüssig, ob die Rückkehr von Erik oder die ausgelassene Schülerschar im Bus Ursache für ihre gute Laune war. Auf jeden Fall hatten die Kinder, sie nahm an, dass es Grundschüler waren, die sich, nach ihrer Kleidung zu urteilen, auf einem Ausflug befanden, viel Fröhlichkeit verbreitet. Die Worte waren hin und her geflogen und das Gekicher und Gelächter wollte einfach kein Ende nehmen. Auch die anderen Fahrgäste hatten sich am fröhlichen Inferno eher erfreut, was Seltenheitswert hatte. Normalerweise gab es immer jemanden, der sich über den sogenannten Lärm beschwerte. Heute war es anders gewesen und hatte sie in ihrem Kinderwunsch bestärkt. Ja, sie wollten Kinder, mindestens zwei. Wirtschaftlich ging es ihnen gut und sollte Erik tatsächlich, wie erhofft, die Partnerschaft angeboten werden, wären sie finanziell mehr als abgesichert. Vorausgesetzt, es käme nicht zu einer weiteren Finanz- und damit Weltwirtschaftskrise wie vor neunzehn Jahren. Diese war noch heftiger ausgefallen, als die der Jahre 2008 bis 2012. Man hatte zwar einige Regularien entwickelt, um solch eine Katastrophe für die Zukunft zu verhindern, sie hatten jedoch, wie die Entwicklung zeigte, nicht ausgereicht, eben diese Katastrophe zu vermeiden. Aber wie gesagt, das Tal der Tränen war durchschritten und seit vier, fünf Jahren ging es wieder richtig aufwärts, so auch die einhellige Meinung der Wirtschaftsforschungsinstitute; alle relevanten Indices wiesen auf einen stetigen Aufwärtstrend hin. So hatten sie beschlossen, den Kinderwunsch Realität werden zu lassen. Vielleicht würden sie dann auch ein Haus am Rande der Stadt beziehen, mit einem Garten, der Platz zum Spielen und für gemütliche Grillfeste bot. Sie konnte es sich gut vorstellen, ihre Tätigkeit für mindestens ein Jahr aufzugeben, um sich voll und ganz dem Nachwuchs zu widmen. Vielleicht hatte es ja schon an diesem Wochenende geklappt und sie war schwanger. Schließlich hatte sie ja bereits vor fünf Wochen die Schwangerschaftsverhütung eingestellt.
Zügig hatte Kirstin die vorbereiteten Unterlagen für ihren Gerichtstermin zusammengestellt und in den kleinen Aktenkoffer gelegt. Igor Ibramowitsch, so hieß der Mann, den sie heute verteidigen sollte, gehörte zu der Klientel, der ihr keine große Freude bereitete. Er war der einzige Sohn einer aus Russland eingewanderten Familie, in Deutschland geboren und zweiunddreißig Jahre alt. Eigentlich ein intelligenter Bursche, hatte keine Sprachdefizite und das Abitur gemacht. Sein Vater war Arzt und so hatte es die Familie zu einigem Wohlstand gebracht; also eigentlich beste Voraussetzungen für einen ordentlichen Lebenslauf. Nach dem Abitur zeigte Igor, trotz der Mahnungen seines Vaters, kein Interesse an einem weiterführenden Studium. Er wollte Geld verdienen und dies bald. Da sich zu diesem Zeitpunkt erste Anzeichen der Wirtschaftskrise zeigten, waren Ausbildungsplätze rar und trotz der relativ guten Zeugnisse gelang es ihm nicht, einen dieser Plätze zu erhalten. Damit begann sein Abstieg. Er hielt sich zunächst mit Gelegenheitsarbeiten und finanziellen Zuwendungen seines Vaters über Wasser, in der Hoffnung etwas später eine Ausbildung beginnen zu können. Doch die Hoffnung war trügerisch. Überall wurde gespart, auch sein Vater, der mittlerweile in den Ruhestand gegangen war, konnte ihn nicht mehr in dem Maße unterstützen, wie er es gern getan hätte, da auch er ein Opfer der Finanzkrise geworden war und erhebliche Teile des Vermögens verloren hatte. Also verdiente sich Igor, der schließlich von Sozialleistungen des Staates lebte, etwas dazu, indem er das kapitalistische Ausbeuterpack, wie er es bezeichnete, von der Bürde des Geldes, zumindest Teilen davon, befreite. Allerdings waren diese nur bedingt bereit, ihm von dem akkumulierten Kapital etwas abzugeben. Schließlich war es doch ein Ausgleich für all die Pein, die man aufgrund der vielen sittenwidrigen Geschäfte erleiden musste, für all das Ungemach, für das man als für schuldig Befundener seinen Kopf hinhalten musste. Die Zeitungen waren schließlich voll von Berichten über die unfähigen Eliten, die unverändert nur die eigenen Taschen und nicht das Wohl der Allgemeinheit im Auge gehabt hatten. Ja, sie machten Igor das Leben schwer, indem sie jedes nur denkbare technische Hilfsmittel einsetzten, um ihr Hab und Gut zu schützen. Eine dieser Verteidigungslinien wurde Igor zum Verhängnis und so machte er erstmalig mit der Staatsgewalt Bekanntschaft. Die ausgesprochene Bewährungsstrafe war wohl auch dem Umstand geschuldet, dass sein Vater am Tag vor der Gerichtsverhandlung gestorben war. Sein Verteidiger nutzte diese Gelegenheit kaltblütig aus und verband den Schicksalsschlag seines Klienten mit den Schäden, den gewisse Herren und Damen angerichtet hatten, und unter denen auch Igor zu leiden hatte. Zum Ende der Verhandlung zeigte Igor, übrigens auf Geheiß seines Anwalts, Reue und der Richter daraufhin Milde. Igors Reue war allerdings, wie zu erwarten, nur von kurzer Dauer. Er borgte sich ein wenig Geld und rüstete sich technisch auf, um seinen Kampf gegen die ungerechte Verteilung des Eigentums wieder aufzunehmen. Tatsächlich konnte er wohl einige Streifzüge erfolgreich abschließen, denn es folgten einige Wochen Aufenthalt in einem Fünf-Sterne-Hotel auf Mallorca. Einerseits beflügelt von dieser kapitalistischen Sause und andererseits gefrustet über den danach wieder eingetretenen Geldmangel, machte er sich also wieder ans Werk. Leider ließ er es dabei an der nötigen Vorsicht fehlen, an der sein Opfer nicht gespart hatte. Diesmal fand er als Wiederholungstäter keine Gnade und durfte für ein paar Monate die Ein-Stern Qualität des Gefängnisses genießen. Kurz nach seiner Entlassung geschah etwas, was man durchaus als Wunder bezeichnen konnte. Der für ihn zuständigen Sachbearbeiterin des Job-Centers war es gelungen, Igor einen Arbeitsplatz zu vermitteln. Ein kleiner Handwerksbetrieb im Sanitärbereich benötigte einen Helfer, der außer Kraft auch ein bisschen Grips besaß. Der Chef, Walter Behrendt, der über eine ausgeprägte soziale Ader verfügte, hatte bereits einige junge Gelegenheitstäter bei sich angestellt, die, von einer Ausnahme abgesehen, unter diesen Bedingungen wieder auf den Pfad der Tugend zurückgefunden hatten. Auch Igor überstand die gesondert vereinbarte Probezeit von einem halben Jahr zur vollsten Zufriedenheit seines Arbeitgebers und man zog in Betracht, Igor eine ordentliche Ausbildung angedeihen zu lassen. Igor war nicht abgeneigt, fühlte er sich nach der langen Zeit als Außenseiter endlich wieder als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft. Alles schien also seinen geregelten Gang zu gehen, zumindest bis zu der von seinem Arbeitgeber ausgerichteten Weihnachtsfeier. Diese wurde ob ihres familiären Charakters gerühmt, da die Frau des Chefs es sich nämlich nicht nehmen ließ, für die ganze Belegschaft Gänsebraten zuzubereiten. Dies machte der Gattin zwar viel Arbeit, sorgte aber bei den Untergebenen ihres Gatten für gute Stimmung. Insbesondere da alle wussten, dass nach dem fetten Essen zu dem Stoff gegriffen wurde, der bekanntermaßen die Verdauung fördern soll: Alkohol. Und da gab es viel zu verdauen. Jede weitere Flasche förderte zwar die Stimmung, sorgte aber auch für eine immer rustikalere Wortwahl. Zunächst staunend verfolgte der Juniorchef die Ausführungen Igors, der sich in dieser beschwingten Runde befleißigt fühlte, wieder einmal die ungerechte Verteilung des Geldes zu beklagen. Irgendwann hatte die Kapitalistenschelte auch sein umnebeltes Gehirn erreicht und ihn zu dem liebevoll gemeinten Ausspruch „Scheiß Knacki!“ verleitet. Die Antwort kam postwendend: „Scheiß Kapitalist!“ Allerdings beließ es Igor nicht bei einem verbalen Schlagabtausch, sondern ließ seine Rechte folgen, die krachend das Kinn des Juniorchefs traf und diesen in einen tiefen Schlummer versetzte. Die Party war damit schlagartig beendet und die Karriere von Igor als Sanitärinstallateur ebenso,