Ernteplanet. Rolf-Dieter Meier
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Igor senkte schuldbewusst sein Haupt und stand da, wie ein begossener Pudel.
„Was war das denn?“, dachte Kirstin und starrte Igor verblüfft an. Allerdings verblieb ihr nicht allzu viel Zeit, diese Aussage zu verarbeiten, denn Behrendt jr. erhob sich, um seinerseits eine Erklärung abzugeben.
„Lieber Igor“, dabei streckte er diesem beide Arme entgegen, „ich danke Dir für deine aufrichtigen Worte, aber nicht du musst dich bei mir entschuldigen, sondern ich mich bei Dir. Ich habe Dich durch meine unbedachten Worte verletzt und deswegen hatte ich diesen Schlag verdient.“
Kirstin konnte es nicht fassen, jetzt rannen ihm auch noch Tränen über die Wangen. Zum Richter gewandt, setzte er seine Ansprache fort: „Herr Richter, ich ziehe meine Anzeige gegen Herrn Ibramowitsch zurück und bedauere zutiefst, sie mit diesem Fall unnütz beschäftigt zu haben.“ Dann drehte er sich wieder zu Igor, hob erneut beide Arme während der Tränenstrom nicht versiegte: „Und du kannst wieder bei uns anfangen, denn ich nehme die Kündigung zurück.“ Sprachs und marschierte schnurstracks auf Igor zu, einen entgeistert schauenden Staatsanwalt zurücklassend. Igor ging nun seinerseits auf den Juniorchef zu und beide fielen sich in die Arme, wobei nun auch Igor die Tränen herabrannen. Kirstin saß genauso entgeistert auf ihrem Platz wie der Staatsanwalt. Nur der Richter zeigte deutliches Vergnügen und auch die einzige Zuschauerin dieses bewegenden Schauspiels schien hoch erfreut, denn sie ließ, wie sonst nur in der Oper üblich, ein lautes „Bravo!“ hören.
„Ich glaub, ich bin im falschen Film“, dachte Kirstin gerade noch, als der Richter auch schon kurzen Prozess machte: „Die Verhandlung ist geschlossen!“
Während Igor und der Juniorchef Arm in Arm unter dem Beifall der älteren Dame den Gerichtssaal verließen, packten die Verbliebenen ihre Akten und strebten dann ihren jeweiligen Büros zu.
Erik hatte gerade zwei Entenbrustfilets in den Backofen geschoben und wollte sich an die Zubereitung des Dressings für den Feldsalat machen, als aus dem Wohnzimmer die Anfangsakkorde aus den vier Jahreszeiten von Vivaldi erklangen. Jemand rief an, also eilte er über den Flur hinüber in das Zimmer, wo auf dem Mediaschirm unten in einem weiß umrandeten Feld der Name seiner Schwiegermutter zu lesen war. Er nahm die Fernbedienung vom Couchtisch und aktivierte das Bild und zugleich die Kamera, sodass auch die Anruferin ihn sehen konnte. Eine ältere Dame erschien auf dem Schirm, die ihm freundlich zulächelte.
„Hallo Erik, du bist also tatsächlich wieder zurück aus Madrid.“
„Ja, am Freitag schon.“
„Ich will auch gar nicht weiter stören. Kirstin ist wohl noch nicht da?“
„Nein, sie hatte heute einen Gerichtstermin und wollte noch den Abschlussbericht schreiben. Sie wird so in einer halben Stunde hier sein.“
„Macht nichts. Ich rufe an, weil wir Euch für Sonntag zum Essen einladen wollen. Dann kannst du uns auch über deinen Aufenthalt in Spanien berichten. So ein Job im Ausland ist doch bestimmt interessant.“
„Das kann man wohl sagen. Ich habe tatsächlich ein paar gute Neuigkeiten.“
„Fein. Übrigens, es wird wieder dein Lieblingsgericht geben. Ich hoffe, das ist in deinem Sinne.“
„Super ! Wir kommen so gegen dreizehn Uhr. Ist das in Ordnung?“
„Ja und schöne Grüße auch von Papa.“
„Werde ich ausrichten. Also dann bis Sonntag. Wir freuen uns!“
Das Bild auf dem Display verschwand. Erik war begeistert, nicht allein, weil er sich mit seinen Schwiegereltern gut verstand, sondern weil seine Schwiegermutter über eine Gabe verfügte, die in seiner Familie nicht sonderlich verbreitet war: sie war eine exzellente Köchin. Leider war Kirstin aus der Art geschlagen und hatte diese Fähigkeit nicht geerbt, was sie aber nicht so recht wahrhaben wollte und mit der ihr eigenen Beharrlichkeit ignorierte. Es war ja nicht so, dass sie nicht kochen konnte, aber an irgendetwas mangelte es fast immer: die Kartoffeln zu fest oder zu weich, zu salzig oder zu lasch, das Fleisch zu zäh oder der Fisch zu locker, dass er auseinander fiel, zu viel oder zu wenig Gewürz. Dagegen war das, was ihre Mutter auf den Tisch brachte, von wenigen Ausnahmen abgesehen, immer eine Punktlandung. Und obwohl sich seine Schwiegereltern in den letzten Jahren immer mehr der vegetarischen Küche angenähert hatten, gab es vor allem auf Wunsch von Erik bei diesen Familientreffen Rouladen. Also genau das, wonach ihm nach den Wochen auswärtiger Küche gelüstete. Auch Kirstin würde das gefallen. Heute war wirklich sein Glückstag!
Meine Eltern konnten ihr Glück nicht fassen. Immer wieder berichtete jeder dem anderen von den wunderbaren Ereignissen des Tages, während sie die Entenbrust mit größtem Appetit vertilgten und so manches Glas Rotwein die Kehlen herunter rann. Dieser 1. April 2047 war genauso bemerkenswert wie der vergangene Freitag und war deshalb auch zukünftig immer wieder das Gesprächsthema. Allerdings interessierte mich als Kind die Geschichte meines Vaters deutlich weniger, dafür die Geschichte von Igor weitaus mehr. Meine Mutter hatte sie mir eines Abends als Gutenachtgeschichte vorgetragen und sie hatte mich so fasziniert, dass sie mir dieses „Märchen“ jeden Abend von neuem erzählen musste. Als geübte Rednerin verstand sie es, der Handlung den letzten Schliff zu geben und als aufmerksamer Zuhörer war ich bald in der Lage, jedes Wort in Gedanken auszusprechen, bevor es meine Mutter tat. Noch heute sehe ich das Bild vor mir, als ob es erst gestern war; wie sie auf meinem Bett sitzt, mit ihrer modischen Kurzhaarfrisur, nur eine längere Strähne ihres dunklen Haares fiel über ihre rechte Wange herab, ihren dunklen Augen, die in diesen Momenten voller, ja Zärtlichkeit waren und einem spitzbübischen Lächeln. Und ich war stolz auf meine Mutter, die den unglücklichen Igor wieder, und das war meine feste Überzeugung, auf den Pfad der Tugend zurückgebracht hatte.
Wie gesagt, am Abend des 1. April herrschte bei meinen Eltern die reine Glückseligkeit. Sie malten sich die Zukunft in rosaroten Farben aus, würde doch die Partnerschaft meines Vaters den finanziellen Spielraum und damit die persönlichen Gestaltungsmöglichkeiten deutlich erhöhen. Sie gehörten zwar schon bisher zu den Menschen, die sich glücklich schätzen konnten, über ein angemessenes Einkommen zu verfügen, dass es ihnen erlaubte, sich doch den einen oder anderen kleinen Wunsch zu erfüllen. Große Sprünge waren damit allerdings nicht zu machen. Das würde nun doch, wenn nichts dazwischen kam, etwas anders werden. Das meinem Vater so plötzlich die Partnerschaft angeboten wurde, war eben glücklichen Umständen zu verdanken. Erst ein paar Tage später setzte bei Erik so etwas wie ein kritisches Hinterfragen ein.
Donnerstag, 04.04.2047
Am Donnerstag traf Louis Cortez wie angekündigt in Berlin ein und hatte am Mittag der T. Summerset Consulting AG seine Aufwartung gemacht. Dr. Konzalik nutzte die Gelegenheit, dem CEO von Global Mecánica SA die soziale Errungenschaft des Unternehmens vorzuführen und lud deshalb zunächst in ein separates Gästezimmer der Kantine zu einem Drei-Gänge-Menu ein. Der Küchenchef und sein Team hatten ihrem ohnehin vorhandenem Können noch eins drauf gesetzt und ein bestechendes Werk von Köstlichkeiten serviert. Dies gab der sowieso schon vorhandenen guten Stimmung noch einen zusätzlichen Schub und schaffte ein ausgesprochen angenehmes Gesprächsklima. Bereits während des Essens kam das Gespräch auf den Auftrag, zu dem Dr. Konzalik die Unterlagen bereits am vergangenen Sonntag erhalten hatte. Erik hatte diese in den vergangenen Tagen gesichtet und anhand der Aufgabenstellung seine Vorgehensweise festgelegt. Er war also bestens präpariert und konnte Louis Cortez auf jede seiner Frage eine fachlich fundierte Antwort geben. Der CEO von Global Mecánica SA war sichtlich begeistert, was wiederum Dr. Konzalik in eine geradezu euphorische Stimmung versetzte. Erik