Die Facebook-Entführung. Jürgen Hoffmann
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Aber die Dinge, wenn man sie sein lässt, können sich auch ganz anders entwickeln. Wenn du dich einem Algorithmus übergibst und der als die richtige Lösung errechnet, dass du dich stellst. Wir füttern die Maschine, die entscheidet, was wir tun. Ob ich heil aus der Sache herauskomme, was ein Leichtes wäre, ein Kinderspiel, nach all den Vorbereitungen, die ich getroffen habe, oder ob ich erst gefasst und dann an die Öffentlichkeit ausgeliefert werde. Der Absturz eines erfolgreichen Managers, wie es dazu kommen konnte, Wie krank ist Hubert Link wirklich? Journalisten, die in meiner Vergangenheit wühlen, Psychologen, die mich untersuchen und denen ich alles erzähle. Drei Jahre Knast, und wenn ich rauskomme werfe ich ein Buch auf den Markt, das ich in der Haft geschrieben habe.
Du musst dein Leben ändern! Das geht klein und langsam und beschwerlich. Oder es geht groß und schnell und über Nacht.
Wie krank bin ich wirklich? Nicht sehr, nicht völlig, solange ich in der Lage bin, diesen sozialen Medienstrom in meinem Kopf immer wieder zu stoppen und für Ordnung zu sorgen. Morgen wird der entscheidende Tag, dachte Link.
Aber es ging schneller. Als Link auf das Display neben der Tür schaute, um zu sehen, wer am Tor seiner Villa klingelte, sah er eine gedrungene Gestalt mit einem abstrus ernstem Blick. Link zögerte keinen Augenblick.
„Kommen Sie rein, Dallanski.“
Wie ist es Sebastian in der Zwischenzeit ergangen?
Gestern das Verrückte: Sebastian darf ohne Aufsicht auf Facebook posten. Allerdings hat Link alle Zugangsdaten und die Ansage lautet: Wenn Sebastian verrät, wo er sich aufhält, wird er umgehend erschossen.
„Das glauben Sie selber nicht.“
„Doch, das glaube ich schon.“
„Aber Sie sind sich nicht sicher.“
„Ja, bin ich nicht.“
Sebastian sitzt da wie ein Häufchen Elend, was zumindest eine Art Mini-Trost darstellt. Auch wenn wir nicht sofort Mitleid bekommen, sind wir wider besseres Wissens doch davon überzeugt, dass das nicht so bleiben kann. Wenn wir wirklich traurig sind, wenn unsere Lage wirklich trostlos ist, ist die Welt gefordert, das zu ändern. Tut sie das nicht, waren wir noch nicht traurig genug. Oder haben es der Welt noch nicht deutlich genug gezeigt.
Als Sebastian die Tränen in die Augen steigen, rückt Link mit den Stuhl so nah heran, dass die beiden sich berühren könnten.
„Ich verstehe es nicht, Link, ich verstehe es einfach nicht. Das ist doch alles total verschroben hier, das hat doch alles überhaupt keine Linie.“
„Was verstehst du denn nicht?“
„Also, erstmal: Das ist doch keine Entführung, wo Sie meinem Vater irgendeine Lösegeldforderung übermitteln, und wenn er zahlt, komme ich frei.“
„Ja, danach sieht es wirklich nicht aus, Sebastian.“
„Das ist doch totale Scheiße. Ich meine, mein Vater würde garantiert zahlen, garantiert. Aber wenn es gar nicht darum geht, worum geht es dann?“
„Ich kann dir nur sagen, dass du dir keine allzu große Sorgen machen solltest.“
„Ach ja? Und wie soll das gehen, mir keine Sorgen zu machen? Wenn du mich gehen lässt, bist du doch erledigt, ob mit oder ohne Lösegeld. Also kannst du mich doch gar nicht einfach frei lassen.“
„Und das macht dir Angst?“
Mehr als. Sebastian spürt, dass er vollständig die Fassung verlieren wird, wenn Link seiner Theorie jetzt nicht widerspricht. Dass es für ihn gar kein gutes Ende geben kann, weil das gute Ende Links Ende als freier Mann bedeuten würde.
„Und ich halte es auch nicht mehr aus, hier angekettet zu sein! Ich! Halte! Das! Nicht! Mehr! Aus! Das ist der totale Horror, tagelang an der Kette, das ist nichts, was man aushalten kann, verstehst du das nicht? In deinem Kopf ist das nur so ein Satz, ich muss den Jungen anketten, damit er keine Probleme macht, aber IN WIRKLICHKEIT ist das viel mehr als nur so ein Scheißsatz in deinem Scheißkopf. Das sind echte Schmerzen und echte Panikattacken, meine Handgelenke sind wirklich wund, das ist ganz anders als in einem Videospiel, und mein Eindruck ist, dass du das nicht mehr so richtig unterscheiden kannst in diesem Film, der in deinem Kopf abläuft. Wenn du nicht willst, dass ich irreparablen Schaden nehme, musst du das beenden. Bitte, bitte!“
Sebastian ist jetzt tatsächlich kurz davor, durchzudrehen, Link sieht sich das einen Augenblick interessiert an, auf eine Art erregt, die Sebastian schockiert.
„Sebastian, komm. Das ist zwar kein Spiel hier, aber so todernst, wie es dir gerade vorkommt, ist es auch wieder nicht. Verlier jetzt nicht die Nerven. Okay, ich sehe, dass du kurz davor bist, genau das zu tun. Also hör zu.“
Link legt seine Hand auf Sebastians Kopf, anfangs fast zärtlich, doch dann zieht er an den Haaren, eine Herrschaftsgeste, nicht wirklich schmerzhaft, aber hart genug, um Sebastians erschöpften Körper dazu zu bringen, irgendwelche Botenstoffe auszuschütten.
„Ich sage nicht, dass die Sache völlig ungefährlich ist und du nichts zu befürchten hast. Ich könnte dir das jetzt sagen, aber das wäre eine Lüge. Was ich dir aber sagen kann, ist, dass sich die Dinge in eine gute Richtung entwickeln. In eine für dich gute Richtung. Ich schätze, dass ich dir morgen die Ketten tagsüber abnehmen kann. Und dass die Sache hier