Sieben Tage bis zur Hochzeit. Bettina Reiter

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Sieben Tage bis zur Hochzeit - Bettina Reiter

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verpiss dich“, las sie laut. Heidi war ihrem Blick gefolgt, tätschelte dann ihre Hand und griff erneut zur Karte. „Morgen muss ich übrigens zu Stew.“

      „Soll ich mitkommen?“ Heidi musterte sie über den Rand der Karte hinweg.

      „Nicht nötig.“ Elisha trank ein paar Schlucke Eiswein, den Reisha empfohlen hatte. Im Wissen, dass sie Weine aus der Niagara-Region besonders mochte. Aber heute hätte es auch billiger Fusel getan. „Er will mich wegen irgendetwas sprechen. Ich schenke ihm exakt zehn Sekunden. Es lohnt sich also nicht.“ Mit Nachdruck stellte sie das Glas ab und schielte zur Tequila-Flasche am Nebentisch. „Manchmal frage ich mich, warum ich aus unserem gemeinsamen Haus ausgezogen bin. Obwohl es ziemlich desolat ist, hat es einen gewissen Charme. Aber wenn ich daran denke, wie oft sich Stew in unserem Ehebett mit anderen vergnügt hat, während ich für den Lebensunterhalt geschuftet habe … nein, meine Entscheidung war im Nachhinein betrachtet goldrichtig.“

      Reisha kam an ihren Tisch. „Na, Mädels, darf’s noch was sein?“ Sie zückte den Block und zog den Stift aus dem schwarzen Haar, den sie sich stets hinter das Ohr klemmte. Reisha entstammte den Inuiten, hatte sich als Künstlerin für Wandbehänge sowie Skulpturen in Yellowknife einen Namen gemacht, war mit einem Fischer verheiratet, Mutter von sechs Kindern und jobbte nebenbei als Kellnerin. Eine Powerfrau, die sicherlich gutes Geld mit der Kunst verdiente. Sie betonte jedoch oft, etwas Bodenständiges zu brauchen um nicht abzuheben, keines ihrer pubertierenden Kinder zu verschenken oder mit ihrem Mann Fische zählen zu müssen.

      „Ich habe Lust auf Poutine“, verkündete Heidi und legte die Karte auf den Tisch. „Einen kleinen Lückenfüller könnte ich nämlich noch vertragen.“

      „Klein?“ Reisha hob die Augenbrauen. „Möchtest du die Kinderportion?“

      „Wo denkst du hin? Ich will schließlich satt werden.“

      Reishas zweifelnder Blick streifte sie, bevor sie grinste. Dann stapelte sie das Geschirr aufeinander und schritt gemächlich davon.

      „Wo waren wir stehengeblieben?“ Heidi kramte in ihrer goldenen Handtasche und zog den Non-Stopp-Lippenstift heraus.

      „Dass ich im Gegensatz zu Stew wie ein Tier geschuftet habe.“ Selbst nach einem Jahr Trennung war Elishas Hass auf ihn nicht weniger geworden. Zumal sie ihm die Hälfte überlassen hatte müssen. Die Hälfte dessen, was sie im Laufe ihrer Ehe angeschafft hatte. Mitsamt dem gemieteten Haus in der Range Lake Road.

      „Müssen wir unbedingt über die Arbeit reden?“ Gekonnt zog sich Heidi die vollen Lippen nach. „Ich habe keine Lust dazu. Wir haben Urlaub und sollten ihn genießen.“

      Zwei Wochen Freizeit lagen vor ihnen und Elisha hatte keine Ahnung, was sie damit anfangen sollte. Untätigkeit würde zu noch mehr Frustration führen. Außerdem war sie zu ihren Eltern zurückgezogen. Es war erdrückend dort, genauso fühlte sich die Stadt an. Natürlich, sie mochte Yellowknife mit seinem bunten freundlichen Völkchen und einigen Events, aber derzeit schnürte ihr die Enge schier die Kehle zu. Abgesehen von einigen Aufenthalten in Mexiko und einer Viertagesreise nach New York, war sie ohnehin nie aus der Stadt hinausgekommen. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, ob es das gewesen war. Mit der Liebe, ihrem Leben, einfach mit allem.

      „Dein Vater würde Luftsprünge machen, wenn ich den Urlaub nicht antrete“, murmelte Elisha „Die Firma platzt vor Aufträgen.“

      „Das tut sie seit Jahren.“ Heidi zog einen Schmollmund. „Wir haben uns immer zur selben Zeit eine Auszeit genommen, um gemeinsam einiges zu unternehmen. Davon abgesehen rackern wir uns das ganze Jahr über ab und haben etwas Abwechslung verdient.“

      „Sicher“, lenkte Elisha ein. „Doch im Augenblick denkt dein Vater über Mathews Nachfolge nach.“ Ihr Vorgesetzter wollte am Ende des Jahres in den Ruhestand gehen.

      „Deine Chancen stehen nicht schlecht.“ Der Lippenstift glitt in die Tasche. „Immerhin habe ich ein gutes Wort für dich eingelegt. Vater wird dich befördern.“

      „Wie oft hast du das schon gesagt? Aber wo bin ich? Nach wie vor im Vorzimmer.“

      „Als Assistentin des Abteilungsleiters. Immerhin etwas.“

      „Für mich zu wenig. Ich trete auf der Stelle. Außerdem will ich aufgrund meiner Leistung befördert werden, nicht weil du mich protegierst.“ Nach dem Schulabschluss hatten sie beide eine Stelle in der Burg Corporation angetreten. Heidis Vater Heinrich betrieb einen regen Abbau verschiedener Rohstoffe, besaß eine lukrative Goldmine sowie Erdölfelder und gehörte mit dreitausend Beschäftigten zu den größten Firmen im Umkreis.

      „Du bist ein Marketing-Genie, das weiß Dad. Leider gehört er zu einer Generation, die Männern mehr zutraut als uns Frauen. Früher oder später wird er aber einsehen, dass sein Denken nicht zeitgemäß ist. Also hör auf zu jammern und warte ab. Immerhin sitze ich seit meinem Einstieg auch noch im selben Stuhl.“

      „Weil du deinen Stuhl ins neue Büro hinübergeschoben hast. Du bist Chefbuchhalterin!“

      Heidi wirkte zerknirscht. „Wenigstens einen Vorteil sollte man als einziges Kind schon haben, findest du nicht? Aber wirf die Flinte nicht ins Korn. Eines Tages wird mir Vater die Zügel in die Hand geben. Spätestens dann bist du die längste Zeit Assistentin gewesen.“

      „Hörst du mir eigentlich zu? Ich möchte keine Almosen“, regte sich Elisha auf.

      „Meine Güte, hast du eine Laune.“ In der nächsten Sekunde gab Heidi einen entzückten Ausruf von sich, weil Reisha den dampfenden Teller vor ihrer Nase abstellte. Pommes, Cheddar und Bratensauce wohin das Auge reichte. „Ich liebe Poutine, vor allem wenn der Käse zwischen den Zähnen quietscht“, hauchte sie, bevor sie abrupt den Kopf hob. „Der Käse quietscht doch, Reisha, oder?“

      „Er ist keinen Tag älter als vierundzwanzig Stunden“, bestätigte Reisha, zwinkerte ihnen zu und nahm an den anderen Tischen Bestellungen auf, sowie die leere Flasche Tequila mit. Die abgefüllten Eltern lächelten sich über das Massaker auf dem Tisch hinweg an, flirteten mit ihren glasigen Augen und wiegten sich hin und her, als wäre das anhaltende Gezanke der Kinder Musik in ihren Ohren. An den anderen Tischen verteilten sich Wanderer, eine Gruppe Senioren und Tänzer aus dem örtlichen Tanzstudio. Durchtrainierte Menschen mit athletischen Körpern.

      Elisha konzentrierte sich wieder auf Heidi, die mit halbgeschlossenen Augen quietschte. Erfahrungsgemäß würde sie die nächsten zehn Minuten in diesem komatösen Zustand bleiben. Genervt griff sie zum Weinglas und nippte daran. Einer der drei Männer an der Bar fing ihren Blick auf und lächelte. Ein weißblonder Hüne mit Koteletten, einem Vollbart und einer Gestalt wie ein Schrank. Der Typ erinnerte sie stark an Stew, weil sein Blick ständig zum Spiegel neben dem Notausgang glitt. Flugs hatte Elisha das Glas geleert und hob es in Richtung Reisha hoch, die ihr zunickte.

      Wie schnell die letzten siebzehn Jahre vergangen waren. Während ihrer Schulzeit hatten Heidi und sie ständig zusammengesteckt und waren im wahrsten Sinne des Wortes dicke Freundinnen geworden. Der erste Kuss, der erste Sex, alles hatten sie geteilt und keine Geheimnisse voreinander gehabt. Die jeweilige Periode und den Brustwuchs hatten sie gebührend mit Zigaretten und Whiskey gefeiert. Meistens im Haus von Heidis Vater, der sich in den Weiten der Villa kaum blicken ließ und wo ihr Erbrochenes nicht weiter aufgefallen war.

      Schöne Abende, vollgepackt mit Quatschen, dem gemeinsamen Weinen bei romantischen Filmen und dem Ausmalen einer schillernden Zukunft. Oft hatten sie sich vorgestellt, Kanada zu verlassen und die übrige Welt zu erobern. Doch im Gegensatz zu Heidi stammte sie aus der Mittelschicht und war schließlich

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