Taubenjahre. Franziska C. Dahmen

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Taubenjahre - Franziska C. Dahmen

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ist ein wahrer Herzensbrecher. Abgesehen davon müssen sie wissen, dass er bei uns zu den besten Märchenerzählern gehört.« Rafael zuckte lachend mit den Schultern. »Tja, und wie so oft im Leben gilt auch in seinem Fall: Das, was man oft und leidenschaftlich gerne tut, färbt letztlich auf einen selber ab. Sie wissen schon: Zuviel Hantieren in roter Farbe führt zu roten Händen. Nicht wahr Popo?«

      Popo lachte laut auf und zeigte dabei eine Reihe intakter Zähne. »Warte einmal ab, mein Junge. Wenn du erst in meinem Alter bist, dann wirst du dich darüber freuen, neben einer Rose … «, gespielt hielt er inne und streckte Rafael abwehrend die Hände entgegen, »einer Margerite sitzen zu dürfen. Und wenn sie dann mit dir spricht …«, gekonnt verdrehte er die Augen und griff sich mit beiden Händen ans Herz, »dann wirst du meinen, den Himmel auf Erden zu erleben.«

      Alle lachten.

      »Und sie sind wirklich Märchenerzähler von Beruf?«, hakte Hanna leicht ungläubig nach. Nur schwer konnte sie sich vorstellen, dass ein erwachsener Mann tatsächlich davon leben sollte. Im Orient mochte es so etwas vielleicht geben; schließlich waren die Geschichten aus Tausendundeinernacht voll davon, aber hier? Hier im Okzident erzählte man seinen Kindern oder Enkelkindern abends eine Gutenachtgeschichte, aber vor Publikum auftretend und seinen Lebensunterhalt damit verdienend … nein, nie und nimmer!

      »Natürlich!«, mit vor Stolz erfüllter Brust sah Rafaels Großvater sie an.

      »Er ist der Beste!«, bekräftigte Rafael.

      »Das ist er!«, jubelten zwei Kinder und flehten den alten Mann an, ihnen eine Geschichte zu erzählen.

      »Ich fürchte, die Sterne sind noch nicht weit genug vorbeigezogen.«, erwiderte der alte Mann gespielt abwehrend.

      Ein pausbäckiger Junge von gerade einmal fünf Jahren schmiegte sich daraufhin an ihn. »Bitte Popo…«

      »Der Mond steht noch nicht hoch genug.«

      »Ganz bestimmt will er schon jetzt deine Geschichte hören, Popo. Bitte, bitte, bitte …«, meinte ein anderer, der die ganze Zeit über an den Haaren eines Fliegenwedels kaute, was Hanna jedes Mal, wenn sie ihn ansah, schaudern ließ.

      Gespielt ergeben rollte der alte Mann mit den Augen, strich dem pausbäckigen Jungen übers dunkelbraune Haar und holte aus seiner Jackentasche eine Holzpfeife heraus.

      »Ich weiß gar nicht, ob Fräulein Schubek sich für eines meiner Märchen interessiert.«, meinte er beiläufig und stopfte den Tabak fest in die Öffnung hinein.

      »Das tut sie!«, versicherten sämtliche Kinder unisono und schauten sie dabei flehend an. »Sie mögen doch auch Märchen? Sagen sie ja? Bitte …?«

      Hanna lachte und zuckte ergeben mit den Schultern.

      »Bitte, sag ja. Ja?«, piepste ein kleines etwa vierjähriges Mädchen, das in ihrer Welt längst in Morpheus Armen gelegen hätte.

      »Wie kann ich da noch nein sagen!« Schmunzelnd wandte Hanna sich an Rafaels Großvater, der mittlerweile genüsslich an seiner Pfeife zog und eine dicke Wolke Tabakrauch ausblies.

      »Wenn sie mich so bezaubernd bitten, mein Nachtigallenmädchen, kann ich unmöglich nein sagen.«

      Die Kinder jubelten laut und bildeten einen Halbkreis um Popo. Doch womit Hanna niemals in ihrem Leben gerechnet hätte, war, dass sich innerhalb kürzester Zeit sämtliche Erwachsenen zu ihnen ans Lagerfeuer setzten und den alten Mann abwartend ansahen. Erstaunt schüttelte Hanna den Kopf. Der Orient befand sich unmittelbar vor ihrer eigenen Haustür, wer hätte das gedacht!

      Der alte Mann zog noch einmal an seiner Pfeife, deren Inhalt im Dunkel der Nacht rot aufglühte. Dann senkte er die Stimme und begann mit leiser Stimme zu erzählen: »Es war einmal vor vielen, vielen Jahren, da lebte ein armer Zigeuner, den alle nur den Lippenlosen, Bimuyakro, nannten. Warum sie ihn so nannten, … ich weiß es nicht! Denn ebenso wie du«, der alte Mann zeigte auf den pausbäckigen Jungen, »oder auch du«, dieses Mal kniff er dem kleinen Mädchen in die Wangen, das daraufhin verschämt kicherte, »besaß er einen Mund, der genau so aussah wie der deinige. Und reden, das konnte er ebenso gut wie du und ich.«

      »Vielleicht haben sie ihn Lippenlos genannt, weil er immer auf ihnen gekaut hat, Popo.«, meinte der Junge mit dem Fliegenwedel.

      »Dann hätten sie ihn Lippenkauer genannt.«, wies ihn ein anderer Junge zurecht, woraufhin der mit dem Fliegenwedel ihm einen bitterbösen Blick zuwarf.

      Der Alte nickte bedächtig und fuhr fort. »Kann sein, wer weiß … Auf jeden Fall hatte der Stammeshäuptling eine wunderschöne Tochter, die er rote Blume, also Lolerme, nannte.«

      »Wie du!«, flüsterte das kleine Mädchen, das an Hannas Beine gelehnt saß.

      Hanna strich ihr zärtlich übers Haar.

      »Nun war Bimuyakro in eben jene Lolerme bis über beide Ohren verliebt, doch Lolerme verachtete ihn und wies ihn ab. Wie, lachte sie abweisend, du willst mich heiraten? Du kannst mich doch noch nicht einmal küssen! Du bist doch der Lippenlose! Was bildest du dir ein?

      Der Lippenlose senkte traurig den Kopf. Ich kann dich nicht zwingen mich zu heiraten. Ich werde mir ein anderes Mädchen suchen. Doch ich warne dich Lolerme, es wird der Tag kommen, da wirst du noch bereuen, dass du mich nicht gewollt hast.

      Das Mädchen lachte ihn zusammen mit den anderen Stammesangehörigen aus. Wie konnte der Lippenlose nur so eingebildet sein?!

      Bimuyakro hingegen drehte sich traurig um und verließ den Stamm noch in der selben Nacht. Einsam und verlassen wanderte er durch den finsteren Wald, bis er an eine Kreuzung gelangte, wo er sich müde und mit gebrochenem Herzen zu Boden sinken ließ. Eine Träne nach der anderen rann seine Wange herab, als ihn plötzlich etwas am Kopf berührte.«

      Der alte Mann machte eine kurze Pause. Er zündete seine Pfeife erneut an, zog einmal tief an ihr und fuhr dann fort: »Erschrocken schaute der Lippenlose empor.« Popo riss dabei seine dunklen Augen auf. »Was er sah, war ein wunderschönes Nivaši-Mädchen, das da vor ihm stand.

      Ich weiß, warum du weinst. Und ich bin gekommen, um dich zu trösten., sagte das Nivaši-Mädchen zu ihm. Anstatt Lolermes werde ich dich heiraten. Morgen um diese Zeit bringe ich dich in mein goldenes Haus, wo wir in Lust und Freude miteinander leben werden.

      Daraufhin setzte sie sich neben ihn, umarmte und küsste ihn. Doch ihre Umarmung war so kalt wie Eis und ihr Kuss so kühl wie der Herbstwind.« Popo schüttelte sich und tat so, als fröre er. »Doch sie hörte nicht auf. Und als die Sonne aufging, da waren ihre Küsse und Umarmungen so warm, wie die einer jeden Frau. Kikeriki«, imitierte der alte Mann den Schrei eines Hahns, woraufhin sämtliche Zuhörer zusammenzuckten. » … machte es und das Nivaši-Mädchen verließ den jungen Mann, der daraufhin in sein Lager zurückkehrte. Als ihn die Leute wiedersahen, lachten sie laut und riefen: Gestern nannten wir dich ohne Grund den Bimuyakro, aber heute fehlt dir tatsächlich eine Lippe.

      Bimuyakro sagte nichts, er nahm sich einen Spiegel und schaute hinein.Und tatsächlich: Ihm fehlte eine Lippe. Aber da sie nicht blutete, zuckte er nur mit den Schultern und ging seiner Arbeit nach.

      Als es Nacht wurde, schlich er sich wieder zu dem Kreuzweg, wo das Nivaši-Mädchen auf ihn wartete. Dieses Mal nahm sie ihn an die Hand und führte ihn zu einem nahegelegenen See, der im Mondschein silbern glänzte. Noch während er ihn bewunderte, umfasste sie ihn mit

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