DIE NOVIZEN. Michael Stuhr

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DIE NOVIZEN - Michael Stuhr

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Wellblechdächer, die den Arbeitern, und vor allem den Maschinen in den Gruben Schutz vor dem Wetter geboten hatten.

      "Früher nannten wir sowas 'ne Granate", unterbrach Sander das Schweigen, und Gunther sah irritiert zu ihm hinüber. Sander hielt die Bierflasche hoch und spielte mit dem Daumen an dem Verschlussbügel herum. Dann drückte er zu, der Drahtbügel sprang vor und der Porzellankopf wurde von dem sich plötzlich entladenden Überdruck mit einem Salto gegen den Flaschenhals geschleudert. "Bumm!", sagte Sander und grinste Gunther an. "Ein Feind weniger!"

      Gunther nahm seine Flasche in beide Hände und bremste den Aufwärtsdrang des Stöpsel mit der Hand ab, während er den Bügel vorschob. Die Flasche öffnete sich mit einem leisen Zischen. Gunther hatte Durst. In einem einzigen Zug trank er die halbe Flasche leer.

      "Die gab's ja lange nicht." Sander hielt seine Flasche gegen das Licht und nahm dann einen Schluck daraus. "Erinnern Sie sich noch an die Ex und hopp Werbung?"

      "Sowas gab's mal?"

      "Von einem Tag auf den anderen gab es nur noch Flaschen mit Kronenkorken." Sander verzog angewidert das Gesicht. "Und dann Bierdosen! - Haben Sie sowas mal getrunken? Bier aus der Dose?"

      "Äh ...", begann Gunther lahm. Budweiser aus der Dose war sein Lieblingsbier und im Kofferraum des BMW musste sogar noch ein Sixpack stehen, das im Moment natürlich viel zu warm war. Aber Sander verlangte gar keine Antwort. "Mann, was haben wir alles in die Mülltonnen reingekloppt", fuhr er fort. "Nach einer Woche lief das Ding schon über und ich musste das meiste Zeug verbrennen - hat ja Keinen interessiert, damals - aber die schönen Granaten hier ..." Er hielt die Flasche wieder hoch. "...die gab's nicht mehr."

      Gunther nahm auch einen Schluck aus seiner Flasche. Das Bier schmeckte gut und hatte gerade die richtige Temperatur. Wieder war es ihm aufgefallen, dass es im Haus viel kühler war als draußen. Praktisch, besonders an einem so heißen Tag wie heute. Er nahm noch einen Schluck.

      "Wie oft kommt der Müllwagen eigentlich?" Sanders Gerede hatte Gunther darauf gebracht.

      "Zweiten Donnerstag im Monat", antwortete Sander knapp. "Gelbe Säcke und Papier eine Woche später", setzte er dann mit einem Auflachen hinzu.

      "Was ist daran so lustig?" Es war warm, Gunther hatte außer einem kleinen Snack am Mittag noch nichts gegessen und das Bier begann bereits zu wirken. Es war nur noch ein Rest in der Flasche. Trotzdem verschloss er sie sorgfältig und stellte sie auf den Tisch.

      "Müll sortieren!", stieß Sander verächtlich hervor. "Als das mit den gelben Säcken anfing, hab ich zuerst in jeden vollen Beutel reingeschissen, damit die Jungs beim Sortieren auch richtig Spaß hatten" Sander gluckste vor Vergnügen. "Aber dann hab ich mal gelesen, dass sie das Zeug sowieso ungeöffnet im Kraftwerk verheizen, da hat's mir dann keinen Spaß mehr gemacht."

      Gunther sah Sander halb entsetzt und halb belustigt an. Er musste schlucken. "Warum?", fragte er und griff nach der Bierflasche, weil er plötzlich seine Hände nicht mehr stillhalten konnte. Sein Griff war nicht sehr präzise, er stieß mit den Fingerspitzen an das Glas und die Flasche kippte fast um. Mit einem raschen Griff fing Gunther sie ab.

      "Nur so." Sander nahm einen Schluck und sah Gunther unter gesenkten Lidern hervor an. "Langeweile vielleicht."

      "Zweiter und dritter Donnerstag also." Gunther sah auf die Flasche in seiner Hand. Der durchgeschüttelte Rest Bier schäumte hinter dem braunen Glas. Er drückte den Bügel nach vorne und der Stöpsel hob sich mit einem kleinen Knall, allerdings ohne einen Salto zu schlagen. Kraftlos sank er wieder auf die Öffnung zurück. Gunther klappte ihn zur Seite und trank einen kleinen Schluck.

      "Und - gefällt's Ihnen immer noch hier?" Sander trank den Rest aus seiner Flasche. "Ist es Ihnen nicht zu weit draußen? - Zu einsam?"

      "Ach, woher denn?" Gunther winkte lässig ab. Er hatte unheimlich gute Laune und fand Sander heute eigentlich ganz in Ordnung. - Ein bisschen schrullig, aber ganz in Ordnung. Mit einem Schluck trank er den Rest aus seiner Flasche und hielt sie dann prüfend vor sich.

      "Die taugt nichts mehr", stellte Sander fest. "Holen Sie uns zwei neue!"

      Gunther stand auf und nahm die leeren Flaschen mit. - Wie schön kühl es auf der Deele war. Draußen schön warm und drinnen schön kühl. - Einfach ideal, so ein altes Haus! Sehr konzentriert tauschte er die leeren Flaschen gegen volle. Es kam ihm vor, als würden seine Hände immer wenige Zentimeter neben dem eigentlichen Ziel landen, aber dennoch schaffte er es, ohne großes Geklirre zwei Flaschen hochzunehmen. Er grinste stolz, während er sich aufrichtete, doch obwohl er sehr vorsichtig dabei war, bekam er ein wenig zu viel Schwung und machte ungewollt einen Schritt rückwärts. "Vorsicht mit den Granaten!", befahl er sich murmelnd selbst und hielt die Flaschen unnatürlich weit vor sich. Dann ging er mit langsamen Schritten wieder zu Sander hinaus und war stolz, dass seine Füße immer genau da landeten, wo er sie auch hinsetzen wollte. "Granaten!", verkündete er und hielt Sander eine der Flaschen hin.

      Sander sah Gunther freundlich entgegen. - Was war das bloß für ein Kerl, der schon nach einem halben Liter Bier blöde grinsend umherstakste wie ein Storch? Er nahm Gunther die Flasche ab und ließ den Stöpsel mit Schwung gegen das Glas schnellen. Gunther versuchte es auch, aber sein Verschluss blieb oben. Er verschloss die Flasche wieder und probierte es noch einmal. Wieder ohne Erfolg - da zeigte Sander ihm den Trick und Gunther ließ den Stöpsel mit einfältiger Freude noch zweimal im Halbkreis von der Öffnung schießen, dann trank er endlich an.

      "Ihre kleine Freundin...", nahm Sander den Faden des Gesprächs wieder auf.

      "Julia!" Gunther nahm noch einen Schluck.

      "...die fühlt sich hier auch wohl?"

      "Der is' alles egal, wenn sie nur aus der Stadt wegkommt", behauptete Gunther. "Hat große Pläne gehabt und is' alles schief gegangen."

      "Was ist schief gegangen?"

      "Ihr Job." Trotz seiner beginnenden Trunkenheit wurde Gunther vorsichtig. Sander konnte Julia nicht leiden, das war sicher, und Gunther war nicht bereit, sich seine abfälligen Bemerkungen über Frauen widerspruchslos anzuhören. - Aber der Alte saß nur bequem zurückgelehnt in seinem Korbstuhl und hatte die Augen halb geschlossen. Er sah schläfrig aus und schien kein besonderes Interesse an der Beantwortung seiner Frage zu haben; also sprach Gunther weiter, denn irgendetwas musste man ja reden: "Ihr Job beim Jugendamt hat sie fertig gemacht. Ressos... - Re-so-zialisierungsprogramm, Einzelbetreuung. Da muss man sich Tag und Nacht um eine einzige Person kümmern - das sind alles Junkies und so - und ihrer hat sich umgebracht."

      "Dann ist sie also Sozialarbeiterin", stellte Sander fest.

      "Sozialpädagogin", berichtigte Gunther. "Unterbezahltes Reparaturwerkzeug des Staates, sagt sie manchmal - aber diesmal war das Material, mit dem sie zu tun hatte, härter als das Werkzeug."

      "Wen wundert's?" Sander lachte belustigt auf.

      "Das ist nicht komisch!" Gunther schüttelte betrübt den Kopf und holte tief Luft. "Sie hat sich förmlich den ..."

      "Arsch aufgerissen", vollendete Sander den Satz, und wenn er es sagte, dann hörte es sich ganz normal an.

      "Und dann bringt dieser Kerl sich um. - Das verdammte Schwein hat es so eingerichtet, dass sie ihn finden musste!"

      Sander schwieg.

      "Julia hatte natürlich einen Schlüssel für die Wohnung, die die Stadt ihm zugewiesen hatte."

      Gunther

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