DIE NOVIZEN. Michael Stuhr
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу DIE NOVIZEN - Michael Stuhr страница 7
Irmi versuchte, sich loszureißen, aber der Mann war viel stärker. Da gab sie plötzlich nach und ließ sich widerstandslos zwei Schritte weit führen. Dann blieb sie aber doch wieder stehen.
"Weiter!" Der Mann ruckte an dem Arm.
"Moment noch!" Irmi wollte sich bücken.
"Was ist denn jetzt wieder los?" Der Mann zerrte sie ungeduldig weiter.
"Meine Schuhe!"
Das war in den Augen des Mannes mal wieder typisch Frau. Er überlegte einen Moment. Liegen lassen konnte er die hellen Schuhe hier sowieso nicht. - Wenn sie am Tag jemand sah - Sollte sie sie doch ruhig mitnehmen. Also ließ er es zu, dass das Mädchen sich bückte.
Einen Sekundenbruchteil später traf ihn der Absatz mit voller Wucht am Kopf. Vor Schmerz wurde es ihm einen Moment lang schwarz vor Augen. Sein Griff lockerte sich ein wenig, und fast wäre das Mädchen ihm wieder entwischt, aber noch bevor sie ein zweites Mal zuschlagen konnte, fasste er nach und drehte ihr den Arm auf den Rücken. Dann nahm er selber den zweiten Schuh auf und führte das nach vorn gebeugte Mädchen zum Wagen. Jetzt war er gewarnt und ließ sie nicht mehr los, ehe sie durch die Tür des Bunkers unter seiner Garage gegangen waren.
Irmi hatte Angst und sie schämte sich entsetzlich. Der Mann hatte sie so fest auf einen Stahlrohrsessel gefesselt, dass sie noch nicht einmal die Beine bewegen konnte. "Ich möchte nur ein paar Bilder von dir machen." erklärte er gerade mit väterlichem Lächeln. "Portraits, um genau zu sein. - Weißt du eigentlich, dass du ein sehr hübsches Gesicht hast?"
"Lassen Sie mich doch gehen. - Ich sage auch nichts!", bat Irmi mit vor Angst geweiteten Augen. "Bitte!"
"Natürlich weißt du das", fuhr der Mann versonnen fort, ohne auf Irmis Worte einzugehen. Er nahm die Kamera hoch und ein Blitz zuckte auf. "Ich möchte wetten, dass die Kerle wie verrückt hinter dir her sind - Erzähl mir davon." Er bereitete den Apparat für die nächste Aufnahme vor und legte ihn zur Seite.
"Was wollen Sie denn bloß von mir?"
"Hörst du mir nicht zu? - Ich will wissen, was du mit den Männern machst, die du heimlich triffst, in dunklen Kellerecken oder auf dem Boden, wo es keiner sieht."
"Ich mach sowas nicht! Lassen sie mich doch gehen. Ich sag' auch bestimmt nichts."
"Du sollst doch nicht lügen." Von Irmis ängstlichem Blick verfolgt nahm der Mann eine Lötlampe vom Regal, schüttete aus einer Flasche ein wenig Benzin auf die Vorglühpfanne und entzündete es mit seinem Feuerzeug. Als das Gerät heiß genug war, drückte er ein paar Mal den Pumpenhebel nieder. Sofort brach eine gelbliche Flamme aus dem Brenner hervor, die nach wenigen Sekunden zu einer bläulichen, handspannenlangen Feuerlanze wurde. Der Mann pumpte nochmals Luft in den Tank, damit die Flamme stabil blieb; dann stellte er das Gerät nahe vor Irmis linkem Bein auf, so dass sie schon etwas von der Hitze spüren konnte.
Der Mann nahm die Kamera wieder zur Hand. "Kennst du dich in Geometrie aus, Irmi?"
Das Mädchen hatte entsetzt auf die Flamme gestarrt, aber jetzt sah es kurz zu ihm auf. "Was - was wollen Sie bloß von mir?"
"Das ist keine Antwort, Irmi", stellte der Mann mit leichtem Tadel in der Stimme fest. "Wo Geometrie doch so wichtig ist." Er konnte ein Kichern nicht unterdrücken. "Lebenswichtig, möchte ich sagen. - Was meinst du wohl, wird passieren, wenn ich die Lötlampe, sagen wir mal, zehn Grad weiter auf dich zu drehe?"
"Was wollen Sie denn bloß von mir?" Irmi hatte kein Wort verstanden, aber das irre Kichern hatte ihr einen eisigen Schauer über den Rücken gejagt. Sie hatte den Kopf so weit wie möglich nach vorne gebeugt und starrte angstvoll auf die bläuliche, zischende Flamme, die sie bedrohte. Sie begriff, dass der Fremde etwas unsagbar Schreckliches mit ihr vorhatte - etwas viel Schlimmeres, als sie zunächst gedacht hatte - und dass sie ihm hilflos ausgeliefert war.
Ein neues Blitzlicht zuckte auf. Der Mann nahm die Kamera herunter, spulte den Film weiter und wechselte mit ruhigen Bewegungen das verbrauchte Birnchen gegen ein neues aus. "Nur zehn Grad", fuhr er im Plauerton fort, "winzige zehn Grad - dann brennt dir die Flamme ganz langsam das Fleisch vom Knochen."
"Warum?" Irmi schrie die Frage fast heraus. "Warum tun Sie das? - Warum?"
"Mach' ich doch gar nicht", lächelte der Mann auf sie herab. "Ich werde doch ein so hübsches Mädchen nicht zum Krüppel machen." Dann bückte er sich und drehte die Lötlampe ein Stück weit herum. Die Flamme streifte kurz Irmis Bein. Es knisterte leise und ein paar Härchen verschrumpelten zischend. Irmi stieß einen Schmerzlaut aus und das Bein ruckte von der Flamme fort. "Aber aber." Der Mann schüttelte den Kopf. "Warum die Aufregung? Das waren doch nur fünf Grad."
Irmis Körper ruckte in den Fesseln. Die Lötlampe gab zischende Geräusche von sich und spuckte gelbliche Flammen aus. Irmi nutzte den letzten Spielraum, den die Fesseln ihr gaben, um von der Hitze fortzukommen, sie warf den Kopf zurück und ihr Gesicht war dabei vor Angst verzerrt. "Gut so", murmelte der Mann. "Sehr gut!" Er nahm die Kamera wieder hoch. "Wenn du hier raus willst, dann gesteh endlich! Was treibst du mit den Kerlen? Sind es nur die Leute aus dem Haus, oder triffst du sie auch an der Straßenecke?"
"Ich mach' sowas doch gar nicht!", schrie Irmi ein letztes Mal. Sie war vor Angst halb wahnsinnig, aber als der Mann die Lötlampe um eine Winzigkeit verschob, begriff sie, dass sie irgendetwas gestehen musste.
Der Mann war nicht sehr zufrieden mit Irmi. Obwohl ihr nach und nach doch noch so einiges einfiel, was sie mit den Männern aus der Nachbarschaft gemacht hatte, versuchte die kleine Nutte immer noch, ihm die Naive vorzuspielen - fast so, als habe sie wirklich keine Ahnung. Der Mann nahm ihr das natürlich nicht ab. - Er war ja kein Idiot. Er half ihr ein wenig auf die Sprünge und fotografierte ab und zu. Natürlich stellte sich schnell heraus, dass Irmi gar nicht so unschuldig und naiv war, wie sie zunächst getan hatte. - Wie viel Schmutz sich doch in ihrem kleinen, hübschen Köpfchen angestaut hatte, wie tierhaft sie war, wie unersättlich. - Einfach ekelhaft.
Der Mann verbrauchte in dieser Nacht noch zwei weitere Filme, dann machte er der Sache ein Ende, verließ den Keller, und kam erst eine Stunde später wieder zurück. Er breitete ein Stück Maschendraht auf dem Boden aus und begann, Irmis Leiche darin einzupacken. Er zog den Draht eng um den schmalen Körper und verdrillte die Enden mit einer Kombizange. Als er fertig war, sah das Ganze aus, wie ein länglicher Kokon und war viel leichter zu transportieren als der schlaffe, tote Körper.
Irmis Fluchtversuch war dem Mann eine Lehre, und schon am nächsten Tag wurde er, gleich nachdem er eine Birke an das Ufer des Teichs gepflanzt hatte, aktiv.
In der Garage nahm er ein paar Werkzeuge mit zum Wagen und machte sich an der Innenseite der Beifahrertür zu schaffen.
So etwas würde ihm nicht noch einmal passieren. Der Mann hatte sich nie für perfekt gehalten, aber er machte jeden Fehler nur einmal. Darauf war er stolz.
Endlich war die Türverkleidung gelöst und das Stück steifen Drahtes entdeckt, das den inneren Türöffner mit dem eigentlichen Schließmechanismus verband. Ein kleiner Ruck mit der Kombizange und der Draht rutschte aus der Öse. - Fertig. Der Mann besah sich zufrieden sein Werk. "Schlechte Verarbeitung.", murmelte er mit einem nachsichtigen Lächeln. "In den Autofabriken werden sie auch immer schlampiger!" - Diese Tür würde jedenfalls niemand mehr von innen öffnen können, das war sicher. Sehr sorgfältig befestigte der Mann die Innenverkleidung wieder an der Tür. - Was er auf den Tod nicht leiden konnte, waren Autos, an denen irgendetwas