DIE NOVIZEN. Michael Stuhr

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seitdem verändert. Sie schliefen nicht mehr so oft miteinander, und wenn, dann war sie nicht ganz bei der Sache. Die Flucht aufs Land sah Gunther als letzte Chance, die Beziehung wieder zu festigen, denn seit drei Monaten fiel Julia fast jede Nacht in Angstzustände. Es war sogar so weit gekommen, dass sie nur noch bei Licht schlief - wenn sie es nicht sowieso vorzog, die ganze Nacht vor dem laufenden Fernseher zu hocken und dort vor sich hin zu dösen.

      "Der Kerl hat sich also den goldenen Schuss gesetzt, sich auf die Couch gelegt und die Decke über sich gezogen. - Das war so'n ganz mageres Kerlchen, muss ich dazu sagen. Julia kommt also am Morgen rein, sieht ihn nirgends, denkt, er ist im Bad oder so, und - setzt sich voll auf ihn drauf."

      Ein glucksendes Geräusch kam aus Sanders Richtung. Gunther achtete nicht darauf. Trübsinnig starrte er auf seine Bierflasche und sprach leise weiter: "Er kann noch nicht lange tot gewesen sein - war noch nicht steif - und sie voll auf sein Becken. - Der Kerl klappt ein wie ein Taschenmesser - der Oberkörper kommt hoch - die Decke rutscht weg - und sie starrt ihm mitten in sein beschissenes, totes Gesicht."

      Das Glucksen aus Sanders Richtung ging in ein stoßartig abgehacktes Keuchen über. Gunther sah hoch und eine steile Falte bildete sich auf seiner Stirn. - Sander lachte. Der Alte saß auf seinem Stuhl und seine Augen strahlten vor Vergnügen. Sein Mund war kreisrund, so, als wolle er ein gewaltiges "Oh!" formen und sein ganzer Körper bebte vor unterdrücktem Lachen. "Da war sie geliefert, was?", brachte er mühsam hervor.

      "Das ist nicht komisch!" wiederholte Gunther mit Nachdruck. Ihm wurde heiß, aber gleichzeitig wurden seine Gedanken klar wie Glas. Es war, als laufe seine beginnende Trunkenheit durch ein Loch in seinem Körper aus ihm heraus. Auf einmal war er wieder hellwach und fühlte eine heiße Welle der Wut in sich aufsteigen. Er wollte eigentlich nicht aufstehen, aber seine Beine streckten sich von ganz alleine, und ehe er sich's versah, hatte er einen Schritt nach vorn gemacht und stand drohend vor Sanders Sessel.

      "Ruhig Blut, mein Junge." Sanders Lachen brach unvermittelt ab und er starrte Gunther von unten herauf an. Er hob die Hand, aber es war nicht die Geste, die vor einem Gegner schützen soll, sondern eher das lässige Abwinken, mit dem man einen Bittsteller verscheucht.

      Gunther wich einen Schritt zurück und schüttelte benommen den Kopf. - War er eben wirklich drauf und dran gewesen, einen fast neunzig Jahre alten Schwerkranken aus seinem Sessel zu zerren und zu verprügeln? Was geschah hier eigentlich? Immer noch verwirrt tastete er hinter sich und ließ sich wieder auf seinen Platz fallen.

      "Schnell erregbar, was?", stellte Sander fest und sah Gunther streng an.

      "Entschuldigung, ich - eigentlich ..." Gunther wusste nicht, was er sagen sollte, und zu allem Überfluss merkte er, dass das Blut ihm ins Gesicht schoss.

      Das altbekannte verschlagene Grinsen stahl sich wieder auf Sanders Gesicht. "Sie haben mich völlig falsch verstanden" behauptete er. "Die Geschichte ist natürlich schrecklich, und ihre Freundin ist zu bedauern. - Es ist nur so, dass ich mich zeitlebens sehr für die deutsche Sprache interessiert habe, und ihr Aphorismus vom Material, das das Werkzeug zerbricht, ist wirklich zu köstlich."

      "So?" Trotz seiner Scham war Gunther nicht bereit, sich von Sander so billig einkaufen zu lassen.

      "Sie kommen nicht mehr an sie ran", stellte Sander nach einer kleinen Pause sachlich fest.

      "Was geht Sie das an?" Gunther wurde schon wieder ärgerlich.

      "Sie kommen nicht mehr an sie ran, und Sie denken, dass es hier vielleicht besser wird."

      "Möglicherweise" gab Gunther zögernd zu. "Hoffentlich!"

      "Ist ein schönes Haus", fuhr Sander in versöhnlichem Ton fort. "Bestimmt genau das Richtige für ihre kaputten Nerven."

      "Ich will, das sie wieder in Ordnung kommt", sagte Gunther schwach und sah dabei genauso jämmerlich aus, wie er sich fühlte.

      "Und wenn nicht?", wollte Sander wissen.

      "Dann hab' ich ein Problem."

      "Besser als ich werden Sie es ja wohl hinkriegen."

      "Wieso das denn?" Gunther sah auf.

      "Meine Alte und ich, wir haben uns gehasst", bekannte Sander in gleichmütigem Ton. "An die fünfzig Jahre haben wir versucht, uns gegenseitig fertig zu machen."

      Gunther schwieg.

      "Wer gewonnen hat, das sehen Sie ja wohl", fuhr Sander fort, als er den erwartungsvollen Blick seines Gastes sah. "Es war eine wirklich beschissene Zeit mit ihr - aber irgendwie habe ich sie doch genossen."

      Gunther zog die Brauen zusammen. Er hatte eigentlich erwartet, dass Sander sich jetzt über sein schlechtes Eheleben ausließ. Es hätte gut getan, so etwas wie einen Leidensgenossen zu haben, damit das eigene Unbehagen kleiner wurde. Sander machte aber einen durch und durch zufriedenen Eindruck. - Das war ein wenig enttäuschend.

      "Sie war eine bissige, alte Vettel - selbst als sie noch jünger war - und als sie nicht nachlassen wollte, nach mir zu schnappen, hab' ich ihr die Zähne ausgebrochen - einen nach dem anderen. - Das war eine wirklich große Aufgabe, junger Freund!"

      "Sie haben Ihr Leben verschenkt, um Ihre Frau fertig zu machen?", fragte Gunther ungläubig.

      "Blödsinn!", trompetete Sander. "Nicht verschenkt! - Gelebt! -Es ist doch gar nicht wichtig, etwas zu schaffen, das gut läuft. Das kann schließlich jeder, der ein bisschen Glück hat. - Glück! Nichts weiter! - Die Würze kommt doch erst in die Suppe, wenn alles schief läuft. - Bei einer freundlichen Frau kann es jeder aushalten, aber neben einer frigiden, herrschsüchtigen Bauernschlampe zu bestehen, bis man schließlich auf ihr Grab pissen kann - das ist eine Leistung, die eines Kulturmenschen würdig ist!"

      "Komische Philosophie" meinte Gunther.

      "Sie hatte das Geld" sagte Sander und das Lachen, das er dabei ausstieß, kam von Herzen. "Ihr gehörten Haus und Grundstück, es gab einen Ehevertrag - und sie hatte genug Schotter, um ihr ganzes Leben lang keinen Handschlag arbeiten zu müssen. Ihren Eltern hat die Fabrik gehört, die hier mal stand, wissen Sie."

      "Aha!" Gunther öffnete seine Flasche genauso elegant, wie er es eben gelernt hatte, und setzte sie an die Lippen. Er hatte jetzt eigentlich keine Lust mehr, sich Sanders Lebensgeschichte anzuhören. Was der Alte ihm da erzählte, half ihm kein bisschen weiter. Außerdem wurde er das Gefühl nicht los, dass Sander ihn irgendwie manipulierte. Gunther wollte das Wohlgefühl von vorhin, dieses leichte Benebeltsein, wieder herbeizwingen. Konnte man nicht einfach hier in der Sonne sitzen, Bier trinken und den herannahenden Abend genießen?

      Sander ließ sich nicht stoppen. "Hätte sie Kinder haben können, wäre alles vielleicht anders gelaufen, aber so war alles was sie hatte ihr Geld. Sie war irgendwie verbittert darüber, dass ihre Furche nur Brachland war, und nach ein paar Jahren ging es mir genauso, wie es Ihnen jetzt mit Ihrer kleinen Freundin geht. - Ich kam einfach nicht mehr an sie ran."

      Gunther trank aus seiner Flasche, um zu verbergen, dass er sowieso schlucken musste. Irgendwie machte ihn Sanders Art, die Dinge zu erzählen, verlegen. Zum Glück kam langsam dieses leichte, schwebende Gefühl zurück, das ein wenig Alkohol im Blut bei ihm auslöste. "Julia ist nicht so" stellte er fest, denn er meinte verstanden zu haben, dass der Alte ihn warnen wollte.

      "Natürlich nicht!" pflichtete Sander ihm sofort bei. "Sie hat ja auch gar kein Geld. - Oder?"

      "Arm wie eine Kirchenmaus", bestätigte Gunther und trank

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