DIE GABE. Michael Stuhr

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу DIE GABE - Michael Stuhr страница 18

Автор:
Серия:
Издательство:
DIE GABE - Michael Stuhr

Скачать книгу

Mit noch ein wenig mehr Druck ging es dann doch. Lacksplitter rieselten zu Boden und Hercule war im Zimmer. Allerdings verhakte er sich mit dem Tragegurt einer weit abstehenden Tasche am Türknauf und wäre durch die plötzliche Bremsung fast gestürzt. Statt nun aber einen Schritt zurückzugehen, um die Spannung aus dem Gurt zu nehmen, trampelte er hilflos auf der Stelle, bis Diego ihn befreite.

      „Welche Seite ist meine?“ Hercule schwankte gefährlich unter seiner Last.

      „Du schläfst links“

      „Okay!“ Hercule steuerte nach rechts und baute sich vor dem Bett auf, das dort stand.

      „Nein, nein, da schlafe ich“, protestierte Diego.

      „Ich weiß“, strahlte Hercule ihn an, und ließ den Stapel von seinen Armen auf die Bettdecke rutschen. „Aber ich muss doch noch einräumen. Da kann ich doch nicht meine eigene Seite blockieren. Da wär’ ich ja blöd!“ Schwungvoll klatschte er die erste seiner drei Umhängetaschen zu dem übrigen Zeug auf Diegos Bett.

      „Pass auf, Hercule!“ Diego hielt ihn am Arm fest und schaute ihn ernst an. „Wenn du das hier überleben willst, dann musst du lernen, zuzuhören. Also pass auf: Dein Bett steht links, also steht auch dein Schrank links, genau wie dein Schreibtisch und dein Stuhl. Und dieser Müllhaufen auf meinem Bett verschwindet jetzt auch nach links, und zwar zügig, sonst fliegt das Zeug im hohen Bogen runter!“

      „Nach links“, vermutete Hercule mit eingezogenem Kopf.

      „Auf deine Seite!“, bestätigte Diego. „Denn das hier ist die rechte Seite - meine Seite, kapiert?“

      „Jetzt sei doch nicht gleich so“, maulte Hercule, ging aber mit den restlichen beiden Taschen auf seine Seite des Zimmers, stellte sie dort auf den Boden und begann Diegos Bett abzuräumen. Zuletzt nahm er den Totenkopf, schloss ihn an eine Steckdose an und stellte ihn am Kopfende seines Betts auf die Fensterbank. Es war noch zu hell im Zimmer, sodass der Effekt nicht richtig zur Wirkung kam; das Teil sah aber so schon abscheulich genug aus.

      „Jetzt pass auf!“ Hercule schlug dem trübe glimmenden Ding auf die Schädeldecke, das sofort anfing mit knarzender Stimme Somwhere over the rainbow zu plärren. Der Kiefer öffnete und schloss sich im Takt und untermalte die Vorstellung mit knackenden Geräuschen.

      „Götter der Tiefsee!“, fluchte Diego. „Stell das ab!“

      „Geht nicht“, grinste Hercule. „Der singt immer zu Ende, aber ich kann den Song wechseln.“ Wieder ließ er seine Hand auf den Schädel klatschen, der sofort zu Always look on the bright side of live wechselte.

      Blitzschnell war Diego bei Hercules Bett und zog den Stecker aus der Wand. Sofort brach das Lied ab und der Kiefer des Plastikschädels blieb weit geöffnet stehen, was dem Ding ein erstauntes Aussehen verlieh.

      „Aber du hast das dritte Lied doch noch gar nicht gehört“, protestierte Hercule.

      „Später!“ Es war Diego völlig klar, dass er es in allzu naher Zukunft wirklich hören würde. Das war unvermeidlich und im Moment tat es ihm mächtig Leid, dass er seinen Eltern das Versprechen gegeben hatte, sich um Hercule zu kümmern.

      Etwas beleidigt stöpselte Hercule den Stecker wieder ein, verzichtete aber darauf, Diego das dritte Lied sofort vorzuspielen. Stattdessen legte er sich auf sein Bett, verschränkte die Hände im Nacken und schloss die Augen.

      Als Diego ein paar Minuten lang nichts von ihm hörte, begann er zu hoffen, dass sein ungeliebter Zimmergenosse eingeschlafen sei. Leise setzte er sich vor sein Notebook und versuchte ein wenig zu arbeiten, als es schon wieder an der Tür klopfte.

      Mit einem Seufzer stand Diego auf und öffnete. Diesmal war es wirklich der Kurier mit den Büchern. Hinter ihm stand ein Mann von der Security. Der Kurier rollte die Kiste mit einem kleinen Transportwägelchen in das Zimmer und stellte sie mit einem deutlichen Schnaufer der Erleichterung auf den Boden.

      „Steht sie auch weit genug auf der rechten Seite?“, ließ Hercule sich von seinem Bett aus hören.

      Diego drückte dem Mann eine Fünfdollarnote in die Hand, bedankte sich und begann, die Kiste zu öffnen.

      „Was haste da? Was ist das?“ Sofort nachdem der Fremde zusammen mit dem Sicherheitsmann gegangen war, sprang Hercule auf und stellte sich neben Diego, der betont langsam den Deckel öffnete.

      „Och, Bücher!“ Hercule war enttäuscht.

      „Ja, Bücher!“, bestätigte Diego. „Wo sind deine eigentlich?“

      „Hab keine. Erst mal abwarten. Die sagen mir schon was ich brauche, dann hol ich’s mir. Außerdem hast du ja jede Menge von dem Zeug dabei. Kann ich mir ja leihen.“

      „Äh, du machst Philosophie und ich Medizin.“

      „Na und?“, meinte Hercule. „Wird schon irgendwas dabei sein. Buch ist Buch!“

      „Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“ Diego war sich nicht ganz sicher.

      „Spaß muss sein, sonst kommt keiner zur Hinrichtung!“, grinste Hercule. „Verstehste?“

      Diego verstand nicht und wandte sich mit einem leichten Kopfschütteln wieder seiner Bücherkiste zu.

      „Bäh, immer noch der alte Stockfisch!“, beschwerte Hercule sich. „Das war ´n Spaß, Mann. Jetzt lach doch mal. Mach dich locker, Mann!“

      Als Diego nicht reagierte und weiter in der Kiste herumkramte, hob Hercule kurz die Schultern und wechselte das Thema: „Übermorgen hole ich mir übrigens meine Desert Eagle ab“, trompetete er los. „Hab ich mir heute bestellt. Sofort mitnehmen ging nicht. Zweiundsiebzig Stunden Wartezeit.“

      „Desert Eagle, was ist das? Ein Geländemotorrad?“ Diego stellte den ersten Packen Bücher in sein Regal.

      „Quatsch!“, lachte Hercule. „Das ist ne .45er. Soo ne Wumme!“ Mit den Händen zeigte er eine Länge von knapp einem halben Meter an. „Damit kannst du durch Ziegelwände schießen.“

      Diego drehte sich zu ihm hin, und die noch nicht abgestützte Bücherreihe fiel mit einem leisen Klatschen um. „Du hast dir eine Pistole gekauft?“

      „Sofort nach dem Abschiedsküsschen von meiner Mutter. Das ist schließlich ein freies Land hier – nicht so langweilig wie Frankreich – und immerhin bin ich seit Neuestem Amerikaner. Da habe ich das Recht ...“

      „Das glaub ich jetzt nicht. Was willst du mit dem Ding?“

      „Nur so.“ Hercule hob die Schultern. „Man weiß ja nie. Besser man hat eine und braucht sie nicht, als man braucht eine und hat sie nicht.“

      „Ah, ja.“ Diego wandte sich wieder seinen Bücherstapeln zu.

      „Da gibt es so einen Schießclub draußen vor der Stadt. Der Verkäufer im Waffenladen hat gesagt ich wär willkommen“, redete Hercule weiter. „Da kannst du rumballern, solange du willst. Klasse, was?“

      „Ah, ja.“ Schießplatz hörte sich gut an, aber vor seinem inneren Auge sah Diego trotzdem seinen Zimmergenossen mitten in der Nacht im Bett mit der geladenen Pistole herumspielen, während der erleuchtete Totenschädel dazu sang.

Скачать книгу