Algarveflimmern. Birte Pröttel

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Algarveflimmern - Birte Pröttel

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stellen sich eigentlich bei Hunden und Katzen auch die Rückenhaare auf?

      Ach Moritz! Ich war jetzt fast 18 und Moritz mein erster richtiger Freund! Meine Freundinnen behaupteten, ich sei ein Spätzünder. Für mich waren Jungs bisher eine völlig rätselhafte Verirrung der Schöpfung. Mehr Kumpels als potentielle Liebhaber und irgendwie fand ich alle doof. Bis Moritz kam.

      Die Turbinen brummten leise vor sich hin. In meinem I-Pod streichelte Ann Sophie Mutter mit Mozartmelodien ihre Stradivari. Der neue weiche Kaschmirschal streichelte meinen Hals. Auf dem Klapptischchen vor mir lag das ungenießbare, pappartige Sandwich, das sogar eingefleischte Fastfood Junkies abgelehnt hätten und wartete darauf, in den Müllcontainer zu wandern. Mein Kindle war ausgeschaltet. Ich lauschte in sanftem Dämmerzustand dem Violinkonzert No.2. Unten zogen die letzten verschneiten Gipfel der Alpen vorbei. Bald würden wir über die trockenen, karstigen Berge Spaniens gleiten, bevor der Sinkflug Richtung Faro begann.

      Lautes Geplärr wütender, ungezogener Bälger riss mich aus meinen Wohlfühlkokon. Warum, um Himmelswillen, wünschen sich die Menschen so sehnlichst Kinder? Man hat nur Geplärre, schlaflose Nächte und später renitente Pubertiere. Irgendein genetischer Fehler in unseren Fortpflanzungsorganen lässt uns das Gegreine, Hosenscheißen und all die anderen Plagen mit den Blagen wunderbar finden. Allerdings natürlich nur, wenn es die eigenen Sprösslinge sind. Eigentlich krass. Ich jedenfalls kann diese quietschenden Monster nicht ausstehen.

      Ach, Moritz! Auch mit dir nicht! Nein! Noch lange nicht!

      Ich räkelte mich Gangplatz 8D und lächelte Mama zu. Mama machte sich auf der anderen Seite 8C so schmal wie möglich. Hautkontakt mit ihrem Nachbarn hätte gerade noch gefehlt. Aus meinen Ohrstöpseln jubelte immer noch die „Mutter“ und ich wiegte mich sanft dazu. Ich werde achtzehn!

      „Mama, hast du Papa gesimst, dass wir nach Faro und nicht nach Lissabon fliegen?“

      Mama schaute mich entsetzt an.

      „Ach du liebe Zeit, ich habe ihm nicht mal gemailt, dass wir einen Tag später ankommen!“

      „Super. Mein Akku ist leer und das Ladegerät im Koffer bei Papa im Auto!“

      Mama sank mit einem bühnenreifen Stöhnen noch tiefer in ihren Sitz.

      „Was machen wir jetzt?“

      „Na, den Piloten bitten, er soll statt nach Faro nach Lissabon fliegen, das ist doch ganz einfach!“

      „Olivia, Papa wartet in Lissabon und wird wie ich ihn kenne, bestimmt verrückt vor Sorge. Werd endlich mal erwachsen, das ist nicht zum Spaßen!“ Sie funkelte mich richtig böse an.

      „Bin schon fast erwachsen, schon vergessen?“

      Mama verzog säuerlich ihr Gesicht. Sie war das personifizierte schlechte Gewissen. Erst den Flieger verpassen, dann nicht Bescheid sagen und zum Überfluss auch noch Unsummen verplempert zu haben. Am schlimmsten war es, dass sie hier untätig angeschnallt sitzen musste.

      4 Von Nestflüchtern und Nesthockern - Oder von der Leichtigkeit Väter um die Finger zu wickeln

      Jetzt ist es soweit, ich werde erwachsen, darf wählen, Autofahren und ausziehen.

      Es ist schon komisch mit den besonderen Geburtstagen. Eigentlich ändert sich nichts und du bist davor und danach genau die gleiche Person. Und doch ändert sich alles. Zum Beispiel beim Achtzehnten, man fiebert auf das „endlich erwachsen“ sein hin. Die Erwachsenen behandeln dich nicht anders, du darfst zwar wählen, dich betrinken und Auto fahren, aber ohne die Hilfe der Altvorderen geht halt doch nicht alles, was du dir so vorstellst. Ob ich meine Drohung, mit achtzehn das Nest zu verlassen, wahr machen würde? Immer wenn mir mal was nicht passte, erpresste ich meine beiden Alten.

      Eigentlich mag ich meine Mama sehr, immer kann man das natürlich nicht zeigen. Und außerdem läuft einem eine Mama nicht weg, sogar wenn man manchmal unausstehlich ist.

      „Ich werde ausziehen, wenn ich endlich volljährig bin.“ Für Papa eine Schreckensvision. Und wenn ich in diesem Zusammenhang nölte und irgendwelche Wünsche äußerte, dann erfüllte er mir diese sofort. Eigentlich gemein, seinen Vater so zu verarschen. Dass er immer wieder drauf reinfällt, ist doch seine Sache.

      Als ich neulich beispielsweise eine neue Jacke haben wollte und ihn deshalb anschmuste wie eine Oma ihr erstes Enkelkind, war Papa zur sofortigen Wunscherfüllung bereit. Dazu sind Väter ja auch da.

      „Sie hat doch erst neulich eine Fleece Jacke bekommen!“ erinnerte Mama ihn und durchbohrte mich mit einem strengen Blick.

      „Ihr versteht mich nicht. Wollt mich nicht verstehen. Die Abercrombie ist so cool und meine alte grottenhässlich. Okay, ich habe verstanden! Macht nichts, wenn ich achtzehn bin, ziehe ich aus und zieh an, was ich will! Und ihr seid Gott froh, das ihr mich los seid!“

      „Pass auf, was du sagst, meine Liebe. Und überhaupt, woher kommt der Meinungswandel? Sonst ziehst du doch über alle her, die Markenklamotten tragen…“

      „Abercrombie ist was anderes.“

      Das Menschenjunge, also zum Beispiel auch ich, bringt es als Nesthocker unter den Säugetieren zur unbestrittenen Langzeit-Meisterschaft. Kein anderes Lebewesen bleibt zwanzig Jahre treu und (weniger) brav bei Mami und Papi. Lässt sich füttern, pflegen, mit Designerklamotten und I-Phone, I-Pad und I-Pod befriedigen und mit Taschengeld und Geschenken zu immer neuen Anlässen verwöhnen. Ab und zu versuchen die ewig Gebenden was zu fordern: z.B. Leistung, Gehorsam und oder womöglich Gegenliebe! Solche Ansprüche fördern den Prozess der Ablösung und des Nestflüchtens.

      Keine Echse, kein Fisch (nicht mal der Maulbrüter), kein Säuger praktiziert die Brutpflege so extrem wie der Mensch. Die Schildkröte legt ihre Eier in den Sand. Nach ihr die Sintflut. Der Kuckuck beglückt fremde Vogelpaare mit seinen, sich als unverschämt herausstellenden Nachkommen. Sollen doch andere die missratene Brut groß ziehen, wofür haben wir denn einen Sozialstaat? Die meisten Lebewesen werden kurz und schmerzlos gehegt und gepflegt und dann dem Leben ausgesetzt nach dem Prinzip „learning by doing“.

      Der Mensch ist von Haus aus ein Faultier. Darum erfindet er laufend Maschinen, die ihm Arbeit abnehmen. Um Waschmaschinen, Bagger und Autos auszudenken, braucht es nur etwas Grips, aber keine Muskeln. Der Mensch lehnt sich zurück und lässt die Technik für sich malochen. Komisch eigentlich, dass estrotzdem noch immer nicht die Ein-Tages Woche gibt.

      Der Mensch, besonders der jugendliche, nützt eben wegen dieser Bequemlichkeit den Pflegetrieb der Mutter zum eigenen Vorteil schamlos aus. Und die liebevolle Mutter pflegt und hegt, und kann das nicht mehr abstellen. Sie erarbeitet sich damit das Recht, sich auch später ständig ins Leben des Gehegten und Gepflegten einzumischen. Es scheint ihr zum Lebensinhalt zu geraten, ständig zu fragen: Soll ich dir eben ein Brot schmieren? Hast du saubere Wäsche an? Hast du die Zähne schon geputzt? Und, und, und...

      Solcherlei Attacken halten auf Dauer nur echte professionelle Oberfaultiere aus. Alle anderen denken spätestens jetzt über eine Trennung von Pudding und Käsekuchen nach. Oder sie drohen, bei Nicht-Erfüllung von Wünschen, wie speziellen Jacken, das Vaterhaus und den mütterlichen Herd auf Nimmerwiedersehen zu verlassen.

      Mama bleibt cool, sie kennt meine Tricks: „Und wovon willst du dann deine Wünsche und den Lebensunterhalt bezahlen?“

      „Laut Jugendamt müsst ihr doch bis zum Abschluss meines Studiums zahlen!“

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