Algarveflimmern. Birte Pröttel

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Algarveflimmern - Birte Pröttel

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gnädig zu stimmen. Daraufhin falle ich Vater wie gewünscht um den Hals, flöte:

      „Du bist der geilste Papi der Welt!“ und ich verzupfe mich... Hoffentlich versteht er das mit dem „geil“ nicht falsch.

      Ich weiß, dass Papa meine Schmeicheleien genießt. Er hätte für mich und meine Umarmungen alles Geld der Welt gegeben. Mama nimmt mir übel, dass ich Papa nach allen Regeln der Schmusekunst erpresse. Aber was soll sie machen?

      Und nun saß ich in der begehrten Jacke, durch den Flugzeugkorridor von ihr getrennt und war in höhere Musikregionen entschwebt. Ohrstöpsel sind Klasse, auch wenn man gerade keine Musik hört, verhindern sie doch, dass man belabert wird. Das Pärchen neben mir gab mir eine Lektion: „Wie mache ich Liebe im Flugzeug, angeschnallt auf zwei Sitzen.“ Sie waren zirkusreife Akrobaten. Ich tat so als würde ich nichts sehen, linste aber doch neugierig hin, was sich da so abspielte. Man lernt ja nie aus!

      Ich brauchte dringend Ablenkung. Gott sei Dank hatte ich in meinem Handgepäck die Schminksachen dabei. Ich arbeitete mich durch das gesamte Programm, damit ich nicht immer nach nebenan schielen musste. Die Augen zart mit Kajal betont, die Wimpern dicht und schwarz getuscht. Die Augenringe mit Concealer abgedeckt, das Makeup ganz leicht und fast nicht sichtbar. Wirklich perfekt.

      „Wenn man nicht genau hinguckt, wirkst du total natürlich und ungeschminkt. Wie kriegst du das nur hin?“ fragte Mama „Als ich in deinem Alter war, fand ich Schminken unter meinem Niveau. Mich hat es total genervt, dass meine eigene Mutter mit angeklebten Wimpern, dramatisch blauem Lidschatten und weißen Lippen mit schwarzem Rand rumlief. Dazu trug sie noch riesige Schlapphüte und bunte Häkelkleidchen. Ich hab mich eher für meine Mutter geschämt, als dass ich stolz auf sie war.“

      Obwohl Mama mir das schon oft und nervtötend erzählt hatte, hielt es mich nicht vom Schminken ab. Auffallen ist zwar nicht so mein Ding. Ich ziehe mich eher konservativ an, eben doch ganz schwarz in schwarz. Aber etwas Makeup muss einfach sein. Finde ich!

      Lilly behauptete, ich sei attraktiv und müsste nur was aus mir machen. Aber was zum Teufel macht man, wenn man was „aus sich macht“? Ist das innerlich? Äußerlich? Ein Gesamtprojekt? Für mich? Oder für die anderen? Ich bin oft unsicher, was mir steht, was zu mir passt. Dann hilft mir nur der Spurt zum Drogeriemarkt.

      Leider bin ich nicht besser als andere. Ich stecke die Leute auch gleich in Schubladen, je nachdem wie sie daher kommen. Sie bekommen das Etikett die Stirn: doof, interessant, prollig, unterirdisch, langweilig oder spießig. Ich will natürlich nicht ebenfalls in deren Schubladen gesteckt werden. Darum wechsle ich meinen „Styl“ wie ein Chamäleon. Lilly meint, ich solle mehr an meinem Wiedererkennungswert arbeiten. Wie denn, bitte schön?

      Ich lehnte mich noch weiter in meinem Sessel zurück, von hinten wurde gemurrt: „Stellen sie ihren Sitz gerade!“ Prompt ließ ich ihn wunschgemäß nach vorne schnalzen und meine meckernde „Hinterfrau“ schüttete sich ihren Kaffee auf den Schoß.

      Das hatte sie vom Nörgeln.

      In den Ferien werden wir uns nicht gegenseitig anmeckern. Wir werden uns eine schöne Zeit da unten im Süden machen.

      Das Brummen der Motoren schläferte mich ein. Und ich träumte weiter von Moritz, meinem Moritz! Von Moritz mit den blonden Haaren und der Porzellanhaut.

      Meine Freundin Lilly behauptete: „Moritz ist bleich wie ein Grottenolm!“ Das stört mich überhaupt nicht, es gibt ihm das gewisse Etwas, einen intellektuellen Touch. Ich stehe nicht auf braungebrannte Surfer Boys mit dem ewigen Strahlen ihrer gebleachten Zähne.

      Mein Moritz ist anders. Moritz hat noch eine unschlagbare Eigenschaft: Moritz kann zuhören und er ist aufmerksam. Nicht nur bei mir, sondern überhaupt. Darum liebt Mama auch meinen Moritz! Sie mag meinen blonden Freund sehr. Deshalb hatte sie kaum was dagegen gehabt, dass er mit nach Portugal kommt. Sie sah sich schon als die Schwiegermutter eines berühmten Stararchitekten. Papa kann als Zahnarzt, mit zugegebener Maßen sehr erfolgreicher Praxis, nie einen Promistatus erreichen. Es sei denn, er fängt was mit Daniela Katzenberger an.

      Bei Moritz träumte sie sich schon als VIP-Schwiegermutter. Was Mütter halt so Zukunftsträume für ihren Nachwuchs haben. Sie vergöttert Moritz, ich glaube sogar, dass sie ihn liebte. Eigentlich hätte ich eifersüchtig sein sollen. Doch was sollen Mütter schon mit den Freunden der Töchter anfangen? Oder umgekehrt?

      5 Von Palmen und Rüsselkäfern oder Erinnerungen Oder Gefühle sind nur was für ganz Mutige

      Die Quinta war keineswegs einsam und verlassen. Wir dachten, das alte Gemäuer würde vor sich hin gammeln und langsam verfallen. Papa liebt alte Bruchbuden, er wäre gerne Archäologe geworden. Ich glaub, er findet es romantisch, wenn der Putz bröckelt. Jedes Jahr flog er mit seinen Kumpeln aus dem Golfclub zur Quinta. Die brauchten nur ein Bett und ein Dach überm Kopf. Und im Kopf selber hatten sie nur pitchen, putten und driven und am neunzehnten Loch ein eiskaltes Bier schlürfen.

      Wir ahnten nicht, dass auf der Quinta ganzjährig der ulkige Paul wohnt. Und der kümmerte sich um das „Alte Gemäuer“ wie ein Schönheitschirurg sich um die Runen von Millionärsgattinnen.

      „Quinta Velha“ heißt eigentlich altes Bauernhaus. Das steht auf weiß-blau glänzenden Keramikkacheln am Gartentor. Aber das war nicht wirklich ein Bauernhaus, das war bestimmt mal ein Herrenhaus gewesen mit allen Drum und Dran. Die Quinta thront auf einem kleinen Hügel, nicht weit von der felsigen Steilküste der Algarve. Von weitem sieht man als erstes eine riesige Araukarie, die neben dem Gebäude wächst. Sie reckt sich imposant in den stahlblauen Himmel. Ihre Form und ihre dunklen Zweige, die dicht benadelt sind, erinnern an einen Weihnachtsbaum. Wenn man drüber streicht, fühlen die Äste sich kühl und zart an, ein wenig wie glatte Haut einer Blindschleiche. Ich kann nie an der Araukarie vorbeigehen, ohne sie zu streicheln.

      Hinter dem einstöckigen Haus strotzt eine Handvoll riesiger Pinien dem rauen Wind und der sommerlichen Trockenheit. Ursprünglich war die gesamte Küstenlandschaft von saftig grünen Pinien bedeckt. Heute haben wuchernden Hotelpaläste und elegante Ferienvillen sie verdrängt. Zwei mächtige Eukalyptusbäume werfen Schatten auf den hinteren Garten. Die ganze Gegend duftet nach Hustenbonbons.

      Vor dem Haus an der niedrigen Gartenmauer mit dem blauen Eisentor vertrocknen die traurigen, zerfransten Stümpfe zweier Palmen. Sie waren einmal der Glanz und das Wahrzeichen der Quinta. Jetzt hatten die Maden des Palmrüsselkäfers sie ausgehöhlt wie Frühstückseier. Der blöde Käfer hat ganze Arbeit geleistet. Es hingen nur noch einige vertrocknete Palmzweige dran. Da hatte wohl jemand gehofft, es würden Wunder geschehen und die Palmen fröhlich neue Triebe fabrizieren. Nach dem Motto: die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber Palmen haben nun mal nur ein Herz und können keine Seitentriebe wachsen lassen.

      Hier wollten wir uns treffen: Mama, Papa, Moritz und ich. Hier wollten wir meinen achtzehnten Geburtstag feiern. Ganz allein unter uns. Nicht mit Freundinnen ins Kino oder in die Disco. Nein, nur wir vier.

      Die alte Quinta gehörte meiner geliebten, etwas schrägen Großmutter, Oma, Granny oder Paula, wie sie genannt werden wollte. Sie lebte seit Jahren in den Staaten oder war auf Reisen. Oma war schon ewig nicht mehr auf der Quinta gewesen, darum fiel es uns auch nicht im Traum ein, dass sie dort sein könnte.

      Ich selber war mal als kleiner Pups durch den Garten gestolpert, aber daran konnte ich mich natürlich nicht erinnern. Mama hat nach ihrem ersten und letzten Besuch verkündetet: „Ich geh lieber ins Hotel!“ Für Mama ist Urlaub in einem Ferienhaus der reine Horror. Da muss man Betten beziehen, Spinnenweben beseitigen, Vorräte auffüllen. All das braucht man in einem Hotel nicht. Sie fand die Quinta grässlich und nur,

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