Anele - Der Winter ist kalt in Afrika. Marian Liebknecht
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„Eines noch: Sie werden als Entwicklungshelfer von uns entsandt und es kann jederzeit sein, dass Sie von einer Stelle zu einer anderen versetzt werden. Im Extremfall kann das sogar bedeuten, dass Sie in ein anderes Land wechseln. Das kommt allerdings selten vor. Ich hoffe, das ist kein Problem für Sie.“ Dr. Schuster blickte Philipp an, der verneinte.
„Etwas wird Sie vielleicht noch interessieren, nämlich die Höhe Ihres Bezuges.“
Dr. Schuster nannte Philipp einen Betrag, der zwar an seinen Verdienst in der Bank nicht herankam, aber doch über seinen schlimmsten Befürchtungen lag. Dort unten würde er ohnehin nicht viel brauchen, und die paar Hunderter, mit denen er Julia unterstützte, würden sich auch mit diesem Salär noch ausgehen.
„Keine Sorge,“ sagte Philipp aufrichtig, „mehr habe ich mir – ehrlich gesagt – ohnehin nicht erwartet.“
„Na gut.“ Dr. Schuster stand auf. „Fürs Erste wäre dann alles besprochen. Darf ich Sie noch bitten, draußen den Fragebogen auszufüllen, damit wir Ihre Daten haben. Wir werden uns dann bei Ihnen melden, sobald wir Genaues über die Schulung wissen.“
Er reichte Philipp die Hand zum Zeichen, dass das Gespräch beendet war. Dieser nahm sich draußen noch den Fragebogen vor und beschloss danach, einen Kaffee trinken zu gehen, da es erst halb fünf war. Er wollte das eben beendete Gespräch noch einmal Revue passieren lassen und auch darüber nachdenken, was er Babsi sagen sollte, mit der er um sechs verabredet war.
Gleich gegenüber vom D.C.-Büro gab es eine nette Konditorei. Er musterte kurz das Angebot im Schaufenster und spazierte schließlich hinein. Da es – wie um diese Zeit nicht anders zu erwarten – ziemlich voll war, benötigte er eine Weile, um einen freien Platz zu finden. Schließlich machte er es sich an einem kleinen Tisch bequem, bei dem die Gefahr gering war, dass sich jemand zu ihm setzte. Während er Ausschau nach einem Ober hielt, durchfuhr es ihn plötzlich, als hätte er eine 1.000-Volt-Leitung mit bloßen Händen angefasst. An einem der Nebentische sah er ein bekanntes Gesicht. Es war Sarah, seine Ex-Frau. Sie saß zwei Tische weiter und ordnete irgendwelche Unterlagen. Im selben Moment, als er sie gesehen hatte, begann sein Herz mit doppelter Geschwindigkeit zu schlagen. Er überlegte kurz, ob er versuchen sollte, unauffällig hinaus zu kommen. Aus einem Zusammentreffen mit Sarah konnte nichts Positives heraus kommen, da war er sich hundertprozentig sicher. Das hatte er auch Julia gestern gesagt. Aber im selben Moment, als er darüber nachdachte, hatte Sarah ihn auch schon gesehen und winkte freundlich herüber. Philipp verzog das Gesicht zu einem Lächeln, so unbeholfen und gekünstelt, dass es schien, als hätte er sich einen Mokkalöffel quer in den Mund geschoben. In seiner Panik wusste er nicht, was er tun sollte. Da Sarah aber bereits ihre Papiere zusammengepackt hatte und auf dem Weg zu seinem Tisch war, brauchte er sich darüber nicht mehr den Kopf zu zerbrechen.
„Hallo, Philipp, so ein Zufall, wie lange haben wir uns schon nicht mehr gesehen. Darf ich mich zu dir setzen?“ Sarah sah so aus, wie er sie in Erinnerung hatte, vielleicht war sie etwas schmaler geworden, was ihrem fein gezeichneten Gesicht aber nur noch mehr Reiz verlieh. Philipp betrachtete ihre Sommersprossen und die kurz geschnittenen rotbraunen Haare. Seltsamer Weise hatte er für einen Moment das völlig unpassende Bedürfnis, mit seiner Hand durch ihr Haar und über ihre Wangen zu streichen, wie er es früher immer getan hatte.
„Natürlich, setz dich doch, es ist wirklich lange her. Wie geht es dir, was machst du mit den vielen Papieren da?“
Philipp vermied es, anzusprechen, dass Julia ihm von ihrem Zusammentreffen erzählt hatte. Er wollte dem Gespräch keine zu ausführlichen Themen geben und es lieber bei Belanglosigkeiten belassen.
„Danke, es geht mir gut. Ach das, die Urkunden brauche ich für etwas Bestimmtes, das ich vorhabe, nichts Besonderes.“
Philipp kannte Sarah, wie er vielleicht niemanden sonst auf der Welt kannte. Ihre leicht geröteten Ohren verrieten ihm, dass auch sie nervös war und ihre innere Unruhe überspielte.
„Hat Julia dir erzählt, dass wir uns gerade erst getroffen haben?“, fragte sie, wartete aber seine Antwort nicht ab, „wir haben wieder einmal über alles reden können, was in der Zwischenzeit passiert ist. Das hat mir richtig gut getan. Und jetzt treffe ich dich hier, nicht einmal eine Woche später.“
Irgendwie hatte Philipp das Gefühl, dass Sarah den Tränen nahe war.
„Ja, das ist wirklich ein Zufall. Julia hat mir von eurem Zusammentreffen erzählt. Ich sehe sie jetzt auch nicht mehr so oft, höchstens alle ein, zwei Monate schneit sie bei mir herein, und dann erzählen wir uns die Neuigkeiten, die sich in der Zwischenzeit angesammelt haben. Am Sonntag ist sie wieder einmal vorbei gekommen“, erwiderte er.
„Wir haben auch ausgemacht, dass wir uns in Zukunft regelmäßig sehen“, sagte Sarah, und die Mischung aus Nervosität und kindlicher Freude, mit der sie erzählte, dämpften Philipps Ablehnung, dieses seit der Scheidung nach und nach immer fester gewachsene Gefühl, das er mit Sarah verband, einfach um mit der für ihn anfangs unvorstellbaren Tatsache der Trennung leben zu können. Aber bei jedem Wort von ihr erkannte er, dass dies alles nur aufgesetzt, nur antrainiert war und, wenn er nicht aufpasste, jederzeit abhanden kommen konnte.
„Nachdem sie dich fast zehn Jahre überhaupt nicht interessiert hat.“ Die Antwort von Philipp kam von selbst, ohne dass er es wollte. Vorwürfe hatte es vor Jahren mehr als genug gegeben, im Grunde wollte er damit nicht mehr anfangen, doch jetzt war es nun einmal heraußen.
„Woher willst du das wissen? Woher willst du wissen, was bei mir in den letzten Jahren los war. Kannst du noch immer mit nichts anderem kommen als mit solchen Vorhaltungen. Davon habe ich schon genug gehört, was soll das Ganze jetzt für einen Sinn haben. Ist noch nicht genug Zeit seit damals vergangen?“
Philipp wusste, dass sie im Grunde Recht hatte und konnte darauf nichts sagen. Er verfluchte insgeheim nur den Teufel, der ihm die Idee zugeflüstert hatte, in dieses Kaffeehaus zu gehen.
„Ich hatte gehofft, wenn wir uns wiedersehen, dass wir in Ruhe und mit ausreichendem Abstand über alles reden können. Ich habe das Bedürfnis, dir einiges zu erklären, ich glaube, das bin ich dir schuldig“, sagte Sarah, indem sie ignorierte, dass er keine Antworten auf ihre Fragen gab.
„Kannst du mir sagen, warum du dieses Bedürfnis nicht schon vor neun Jahren gehabt hast? Ich habe damals lange genug auf Erklärungen gewartet, doch es kam kein Wort. Jetzt, weiß Gott, warum, sind wir dir wieder gut genug und plötzlich fällt dir ein, dass du mir eine Erklärung schuldest. Aber da spiele ich nicht mehr mit, dafür ist es zu spät.“ Philipp konnte nicht anders. Diese Worte hatten zu lange darauf gewartet, gesagt zu werden, als dass er sie jetzt zurückhalten konnte, auch wenn er im Moment, als er sie sagte, wusste, dass er sie vielleicht bereuen würde.
Sarah sagte nichts und sah ihn nur an. Mit diesem Maß an Ablehnung hatte sie nach so vielen Jahren offenbar nicht gerechnet. Sie bewahrte aber ihre Fassung und ließ sich nichts anmerken. Diese Eigenschaft, niemals die Kontrolle zu verlieren, war ihr immer schon eigen gewesen und Philipp hatte sich oft genug daran die Zähne ausgebissen. Aber an bestimmten Merkmalen, zum Beispiel ihren Ohren, die sich jetzt wieder rötlich färbten, wusste er, wie es bei ihr innen aussah. ‚Sie hat die falsche Frisur“, dachte er bei sich, ,sie sollte sich die Ohren nicht ausschneiden lassen‘.
„Philipp, ich weiß, dass du manches, was damals passiert ist, nicht begreifst, aber um zu reden, ist es nie zu spät und ich bin überzeugt, dass es für uns beide wichtig wäre. Es gibt einiges, was ich dir damals nicht sagen konnte, vielleicht, weil mir selbst Vieles nicht klar war. Wenn du es weißt, kannst du mich aber vielleicht nachträglich verstehen.“
„Weißt