Anele - Der Winter ist kalt in Afrika. Marian Liebknecht
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Philipp musste an das Gespräch mit seinem Chef in der Bank denken, wenn auch das Thema heute erfreulicher war. Als er ins Zimmer trat, begrüßte ihn Dr. Schuster sehr freundlich. Er war um die fünfzig, hatte graues, fast weißes Haar und eine sehr einnehmende Persönlichkeit. In gewisser Weise erinnerte er Philipp an seinen Vater, besonders durch seine ruhige, aber trotzdem engagierte Art, mit der er auf die Leute zuging.
Das Gespräch verlief recht viel versprechend. Dr. Schuster fragte Philipp, ob er eine ähnliche Arbeit schon einmal gemacht habe und als dieser verneinte, wollte er die Beweggründe für seinen Wunsch nach einem Berufswechsel wissen. Philipp erzählte von der vertrackten Situation in der Bank und vom Wunsch, endlich etwas Sinnvolles in seinem Leben zu tun. Er erwähnte auch, wie sehr ihn die Veranstaltung am Samstag beeindruckt hatte. Schließlich erkundigte sich Dr. Schuster nach Philipps Ausbildung und seiner Tätigkeit in der Bank, was ihm dieser ebenfalls anschaulich darlegte.
„Wissen Sie, wir haben natürlich genaue Vorstellungen, welche beruflichen Voraussetzungen gegeben sein müssen, um einen guten Betreuer bei unseren Projekten abzugeben, Voraussetzungen, die bei Ihnen durch die langjährige Praxis in ihrem bisherigen Beruf, wie ich meine, vorhanden sein dürften“, begann Dr. Schuster nach einer kurzen Pause, „aber ich habe im Laufe der Zeit eine Erfahrung gemacht, und sie bestätigt sich immer aufs Neue. Weitaus wichtiger als alle Zeugnisse und Referenzen ist, dass man es wirklich will. Das gilt im Grunde für alles im Leben, aber besonders für diese Arbeit. Sie müssen sich bewusst sein, dass es etwas vollkommen anderes ist als alles, was Sie bisher gemacht haben, und wenn sie nicht mit ihrem ganzen Herzen dahinter stehen, werden Sie scheitern. Dort unten arbeiten Sie nicht, um zu leben, die Arbeit wird der Inhalt Ihres Lebens. Ist es wirklich aus tiefster Überzeugung Ihr Wunsch, in Afrika für uns zu arbeiten?“
„Natürlich weiß ich noch nicht, was mich wirklich alles erwartet, und ich habe hier noch einiges zu regeln, aber dass ich es will, da bin ich mir völlig sicher“, sagte Philipp, etwas überrascht von dieser plötzlichen Gewissensfrage.
Dr. Schuster fuhr fort: „Ich muss Ihnen ehrlich sagen, irgendwie scheint sie uns der Himmel zu schicken. In unserem Projekt in Swasiland haben wir gerade den Plan entwickelt, ein Genossenschaftssystem aufzubauen, um den dortigen einheimischen Bauern Maschinen und Gerätschaften zur Verfügung stellen zu können. Außerdem sollen über diese Genossenschaft auch sogenannte Startkredite abgewickelt werden, das sind Kleinkredite an Personen, die sich mit einer eigenen Arbeit eine Existenz aufbauen wollen und dafür Anschaffungen benötigen, beispielsweise eine Nähmaschine, um Schneiderarbeiten ausführen zu können. Wenn sich dieses System bewährt, möchten wir solche Kredite in größerem Umfang vergeben, um den Leuten zu helfen, auf eigenen Beinen zu stehen. Glauben Sie, Sie könnten das organisieren?“
„Ich denke schon“, antwortete Philipp, „es ist ja ziemlich genau mein Bereich.“
„Sie bekommen natürlich eine gründliche Einschulung“, fuhr Dr. Schuster fort, „unten wären Sie die Drehscheibe für alles, was die Gründung und Abwicklung der Kredite und der Genossenschaft betrifft: Genehmigungen, Beschaffung der notwendigen Materialien, Einrichtung der Räumlichkeiten, Information und so weiter. Wenn Sie sich dafür entscheiden, werden Sie eine Erfahrung ganz sicher machen: Es gibt bei dieser Arbeit Schwierigkeiten, die sie sich in Ihren schlimmsten Träumen noch nicht ausgemalt haben.“
„Ich hoffe, Sie erwarten nicht zu viel von mir. Ich habe zwar viele Jahre Erfahrung im Kreditbereich, aber bisher habe ich so etwas noch nie völlig eigenständig aufgezogen“, bemerkte Philipp etwas verunsichert.
„Immer mit der Ruhe, Herr Engelbrecht, machen Sie sich zum jetzigen Zeitpunkt bitte keine Sorgen, ob Sie es schaffen oder nicht. Wie ich schon sagte, wichtig ist, dass Sie es wollen. Wissen Sie, ich habe schon mit sehr vielen Menschen ähnliche Gespräche geführt und einen gewissen Blick dafür entwickelt, wer geeignet ist und wer nicht.“
Er machte eine kurze Pause.
„Ich glaube nicht, dass Sie mich enttäuschen werden.“
Wieder sah er Philipp ein paar Sekunden an, bevor er weiter sprach.
„Sie haben gesagt, sie müssen noch Dinge regeln, bevor Sie beginnen könnten.“
Philipp begriff im ersten Moment nicht, dass es sich dabei um eine Frage handelte, so dass er kurz zögerte.
„Ja, dabei handelt es sich allerdings um rein Persönliches. Es wird sicher kein Hindernis sein“, sagte er schnell.
„Ich hoffe, sie verstehen das, aber es ist uns wichtig, dass Leute, die eine Schulung beginnen, dann auch dabei bleiben. Ach ja, zur Schulung habe ich Ihnen noch gar nichts gesagt. Bei uns ist es so, dass wir die Ausbildungen nach Bedarf organisieren, wenn wir genug Bewerber zusammen haben. Sie lernen alles Notwendige, was Sie über das Land wissen müssen, also politische Verhältnisse, geographische Lage, Grundzüge der Landessprache, wobei in Swasiland ohnehin jeder Englisch spricht, und noch Einiges mehr. Ein wichtiger Teil der Schulung ist natürlich eine genaue Information über das gesamte Projekt. Zusätzlich machen Sie eine Kurzausbildung in Krankenpflege und Erste Hilfe. Insgesamt dauert der Kurs drei Monate, die Veranstaltungen finden an zwei Abenden in der Woche statt.“
Die Flut an Informationen war für Philipp ein bisschen viel auf einmal. Dr. Schuster ließ sich deshalb aber nicht aus der Ruhe bringen.
„Wann die nächste Staffel beginnt, kann ich jetzt noch nicht genau sagen, aber da wir bereits vier Leute beisammen haben und vier bis fünf für einen Kurs reichen, werden wir sicher in den nächsten paar Wochen starten. Ist das für Sie möglich?“ wandte sich Dr. Schuster wieder an Philipp.
„Ja, das wäre mir recht. Eigentlich würde ich gern möglichst bald anfangen“, stellte Philipp klar.
„Jetzt wird es Sie natürlich interessieren, wie Ihr Dienstverhältnis aussieht, das Sie mit uns eingehen.“
Philipp wunderte sich, dass er darüber noch überhaupt nicht nachgedacht hatte.
„Wenn die Schulung erfolgreich verläuft, schließen wir standardmäßig Arbeitsverträge über drei Jahre. Diese Frist hat sich im Laufe der Zeit als die Sinnvollste herausgestellt, da doch sehr viele die Entwicklungshelfertätigkeit nicht ewig ausüben wollen. Auf der anderen Seite sind wir aber daran interessiert, die Leute für eine Mindestfrist an uns zu binden. Ein Abbruch der Tätigkeit vor Ablauf der Frist ist natürlich möglich, er ist aber mit finanziellen Nachteilen verbunden, wenn kein zwingender Grund ihn erfordert. Eine im Verhältnis zu den laufenden Bezügen relativ hohe Prämie kommt nämlich erst am Ende der drei Jahre zur Auszahlung, aber eben nur, wenn der Arbeitsvertrag nicht vorher beendet wurde.“
„Wie sieht es aus mit Unterkunft und Verpflegung?“ fragte Philipp.
„Das wird natürlich alles von uns im Rahmen des Arbeitsverhältnisses bereit gestellt. Sie werden sehen, die Unterkünfte sind – besonders für Afrika – nicht schlecht. Sie werden zwar nicht gerade im Hilton leben, aber es ist alles sauber und ausreichend ausgestattet.