Marsjahr. Sven Hauth

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Marsjahr - Sven Hauth

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auf einen Spaziergang an seine Fersen heftete. Enttäuscht musste sie beobachten, wie Paul über den Maschendrahtzaun kletterte und hinter den hohen Brettern verschwand, die ihr Grundstück vom Parkplatz der Baptistenkirche trennte.

      Der Parkplatz war ideales Übungsgebiet, nicht nur weil er direkt hinter Pauls Haus lag. Von der Hauptstraße nicht einsehbar, war man hier außer an Sonn- und gelegentlichen religiösen Feiertagen, an denen betfreudige Christen mit ihren kinderreichen Familien einfielen, völlig ungestört.

      Paul schlug das Kapitel Ollie im Stand auf und legte das Buch auf den Boden.

      In einer fünfteiligen Fotosequenz demonstrierte ein Teenager (mindestens vier Jahre jünger und vier Mal so cool gekleidet wie Paul), alle notwendigen Schritte, diese Basis aller Skateboardtricks erfolgreich durchzuführen. Paul bemühte sich, es ihm gleich zu tun. Er stellte den linken Fuß über die vorderste Rolle, den anderen auf das hintere Ende des Bretts. Ziel war es, beim Absprung den Vorderfuß nach oben zu ziehen, während der Rechte das andere Ende des Skateboards auf den Boden trat. Laut Buch würde das komplette Board auf diese Weise vom Boden abheben. Statt dessen schlug es mit der Kante gegen Pauls Schienbein. Mit schmerzverzerrtem Gesicht landete er auf dem asphaltierten Boden der Tatsachen. Er hätte Skateboarding für Superdummies kaufen sollen.

      Plötzlich schob sich ein Schatten vor die Sonne.

      "Hi, Paul!!" Ein dissonanter Dreiklang aus Mädchenkehlen.

      Paul sah auf und kniff die Augen zusammen. Das grelle Gegenlicht reduzierte die Besitzerinnen der Stimmen zu unscharfen Silhouetten, aber er wusste sofort, mit wem er es zu tun hatte.

      Die Croston-Schwestern. Holly. Amy. Leah. Eine dreiköpfige Hydra, ein Triplet albinoartiger Wesen aus der Nachbarschaft, die alle in den selben Genpool gefallen waren. Im Abstand von jeweils einem Jahr auf die Welt gekommen, glich eine der anderen – feingliedrig an der Schwelle zur Magersucht, weißblond, und trotz Sommer stets von vornehmer Blässe (wenn auch nicht Special-Ed-Blässe). Niemand konnte sie auseinanderhalten. Das größte Talent dieser elfenhaften Charaktere mit dem Wesen einer bösen Stiefmutter bestand daran, wie ein Pickel vorm Date in den ungelegensten Momenten aufzutauchen. Nur wenige Tage nach Joannes Einzug hatten sie sich ihrer angenommen und fest in ihren Zirkel skatender Amazonen integriert. Glücklicherweise waren sie heute allein unterwegs. Paul schob das Dummies-Buch unters Skateboard.

      "Naaaa, am Skaten lernen?" Die mittlere, Holly (oder war es Amy?) umkreiste ihn wie eine Hyäne das Aas.

      "Wonach sieht's denn aus?"

      "Nach rumsitzen und Nichtstun", sagte Leah (oder Holly?), die in Pauls Jahrgang ging, als einzige den Führerschein besaß und daran Schuld war, das Joanne nur selten morgens den Bus benutzte. Sie trat mit ihrem Converse gegen Pauls Skateboard. "Das sieht aber verdächtig unbenutzt aus. Zeig doch mal, was du drauf hast."

      Als ob er sich freiwillig vor den Crostons blamieren würde.

      "Zeigt ihr doch erst mal, was ihr drauf habt."

      HollyAmyLeah verlor keine Zeit, einen mindestens 30 cm hohen Sprung zu vollführen. Verdammte Crostons – bei ihnen sah es so einfach aus.

      Paul applaudierte mit einer extragroßen Portion Sarkasmus und nutzte die Gelegenheit zur Flucht. Wie ein Zauberkünstler versuchte er beim Aufstehen, das Skateboard zu greifen und gleichzeitig das Buch hinter seinem Rücken zu verbergen.

      "Tut mir leid, Mädels, ich würde ja liebend gerne noch eine Weile eure charmante Gesellschaft genießen – aber eigentlich auch nicht."

      "Schade, Paul. Bye Paul!!"

      Zurück in seinem Zimmer teilte Paul die Jalousie mit zwei Fingern und linste durch den Spalt. Es war der perfekte Beobachtungsposten. Von hier oben hatte man freien Blick auf den Parkplatz, ohne selbst gesehen zu werden. Und freies Gehör auf das nervtötende Gelächter der Crostons. Scheinbar schwerelos zogen sie ihre Kurven, grazil wie olympische Eisläufer, vollführten Sprünge, als sei das Board mit ihren Füßen verwachsen. Keine Spur von Joanne. Paul ließ die Lamellen zurückschnappen, fiel rückwärts auf sein Bett und versuchte, an Nichts zu denken.

      -

      Darren genoss das Echo, das seine stahlkappenbesetzten Arbeitsschuhe in den leeren Korridoren hinterließen. Jedes Mal, wenn er es hörte, fühlte er sich wie ein Großgrundbesitzer, der seine Ländereien abschritt. Sollten die Schüler sich nur über ihn lustig machen und ihm Spitznamen verpassen – nach Schulschluss war Dirty Darren keine Witzfigur mehr, dann besaß er die Gebietshoheit.

      Von oben nach unten arbeitete sich Darren auf seiner nachmittägliche Inspektionsrunde durch das Gebäude, prüfte Türklinken, rückte Tische gerade, stellte die Ordnung wieder her. Der Universalschlüssel war sein Zauberstab, der dafür sorgte, dass ihm nichts verborgen blieb.

      Er betrat er die Umkleidekabine der Mädchen - jedes Mal eine prickelnde Wundertüte, deren Kontrolle er sich für ganz zuletzt aufsparte, quasi als Belohnung für einen harten Arbeitstag.

      Nachdem er einen Blick in die Duschen geworfen hatte, ging Darren die Reihen der Schließfächer ab. Wie oft hatte er sich vorgestellt, an diesem Ort ein unsichtbarer Beobachter zu sein. Einmal den Spieß umdrehen, süße Rache nehmen an den Mädchen, für die Art, wie sie ihn nicht ansahen, eine permanente Provokation mit ihren rücksichtslos kurzen Röcken und vorwitzigen Brüsten unter bauchfreien T-Shirts.

      Statt dessen musste er sich mit ihren Hinterlassenschaften begnügen. Es kam regelmäßig vor, dass eines der Schließfächer offen stand, weil seine Besitzerin in Eile gewesen war. Wenn Darren Glück hatte, lag darin eine Halskette oder eine Uhr. Im Idealfall auch mal Leggings oder gar ein Slip - Fundstücke, die er, nachdem er ihren Teeniegeruch ausgiebig inhaliert hatte, seinem ganz privaten Museum zukommen ließ.

      Heute ging er leer aus. Alle Fächer waren vorschriftsmäßig verschlossen. Während Darren noch überlegte, ob es die Mühe wert war, eines der Zahlenschlösser zu knacken, erhaschte er aus dem Augenwinkel eine glänzende Unregelmäßigkeit. Neben einem Bein der Umkleidebank lag eine Münze. Keine Seltenheit – was die Schüler an Taschengeld verloren, summierte sich in manchen Wochen zu einem willkommenen Nebenverdienst, den Darren nur allzu bereitwillig in Mahady's Pub auf der Dewey Avenue gegen ein gepflegtes Guinness tauschte.

      Er bückte sich und stellte enttäuscht fest, dass es keine Münze, sondern eine Art vergoldetes Medaillon war. Auf beiden Seiten war die Abbildung eines bärtigen Mannes geprägt, der sich auf einen Wanderstab stützte.

      Verblüfft registrierte Darren eine gewisse Ähnlichkeit zwischen sich und der Person auf dem Medaillon. Und der Stab sah ein wenig aus wie jener, den er benutzte, um die weggeworfenen Trinkkartons aus den Anpflanzungen zu piken. Ein Hausmeistermedaillon, gleich am ersten Schultag – konnte es ein besseres Omen geben?

      Er ließ den neuen Glücksbringer in die Brusttasche seines Blaumannes gleiten und machte sich auf den Weg zu seiner letzten Station, dem Mehrzweckraum im Erdgeschoss. Es war ein außerplanmäßiger Abstecher, denn der Schulfotograf hatte den normalerweise unbenutzten Raum für ein paar Tage zu seinem Studio umfunktioniert und Darren gegen eine Spende von fünf Dollar (zwei Guinness) gebeten, ein besonderes Auge auf die wertvolle Fotoausrüstung zu haben.

      Darren sah in den Raum. In der Mitte stand eine mit Samt überzogene Treppenkulisse, an der Wand einige Scheinwerfer und die Kamera auf ihrem Stativ. Alles war an seinem Platz. Darrens Blick blieb am Fotoapparat kleben.

      Eine Kamera. In ihm reifte eine Idee. Vielleicht gab es doch eine Möglichkeit, sich unsichtbar zu machen.

      Ein

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