Marsjahr. Sven Hauth

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Marsjahr - Sven Hauth

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sind sie, und was wollen sie?", fragte er mit gespielter Autorität, nachdem er Eds Anblick verdaut hatte. Als Antwort hielt Ed ihm seinen Stundenplan vor die Nase. Unter jedem Wochentag war Special Ed eingetragen, die Bezeichnung für den Sonderunterricht an der Apollo. Mark nahm die Steilvorlage dankbar an und nannte Ed ab diesem Tag nie wieder anders . Paul ahnte, dass Ed damit noch ganz gut weggekommen war. Andere hätten ihn vermutlich Krüppel-Keith oder Spasti-Steve getauft.

      Sein neuer Name hinderte Ed nicht daran, sie weiter regelmäßig zu besuchen. Warum sich Ed gerade Paul und Mark auserkoren hatte, wusste nur er selbst. Hätten sie in der Flurecke eine Bar betrieben – Ed wäre ihr treuester Stammgast.

      Mit der Zeit gewöhnten sie sich an ihn, so wie man sich an eine quietschende Tür gewöhnt. Ed wurde zur Konstante. Er gehörte irgendwie dazu, auch wenn er meist nur da stand, sie beobachtete und grinste. An guten Tagen stieß er undefinierbare Geräusche aus, an schlechten verströmte er den Geruch von Urin. Nie sah man ihn in der Nähe anderer Schüler.

      Wenn Ed sich durch die Gänge schlängelte, teilte sich die Menge vor ihm wie das rote Meer unter Moses Händen. Wer ihn kannte, sah angestrengt durch ihn hindurch. Wer ihn nicht kannte, glotzte ihn erst ungläubig an und sah dann angestrengt durch ihn hindurch. Außer für ein paar Footballspieler, die sich einen Spaß daraus machten, ihm einen Bodycheck zu verpassen, war Ed so unsichtbar wie lauwarme Luft. Paul und Mark gaben sich als Einzige mit ihm ab, auch wenn Eds Anwesenheit primär Marks Unterhaltung diente. Wer, wenn nicht Special Ed qualifizierte sich so perfekt als vollwertiges Mitglied im Klub der Unsichtbaren?

      Ed glitt zwischen Paul und Mark und grinste.

      "Neuer Helm, Meister?", fragte Mark und klopfte mit dem Fingernagel auf den Blitzaufkleber. "Schnittig."

      Ed nickte begeistert.

      Mark nahm das Hubba Bubba aus dem Mund und hielt es demonstrativ in die Höhe. Es sah aus wie ein pinkfarbenes Miniaturgehirn.

      "Jetzt pass mal gut auf, mein Freund."

      Er wartete einen Moment, bis keine Schüler seinen Weg kreuzten, ging zum Trinkbrunnen auf der gegenüberliegenden Seite und drückte die rosa Masse halb über die Öffnung des Wasseraustritts. Ed begleitete den Vorgang mit breitem Grinsen.

      Es dauerte nicht lange, bis Marks infantiler Scherz sein erstes Opfer fand. Ein durchgeschwitztes Mädchen näherte sich dem Trinkbrunnen mit der Gier einer Verdurstenden. Paul konnte sich nicht erinnern, sie jemals an der Schule gesehen zu haben. Das Mädchen beugte sich hinab und drückte auf den Edelstahlknopf. Der Wasserstrahl, durch das Hubba Bubba in einen für die Durstige unerwarteten Winkel gelenkt, traf sie genau zwischen den Augen.

      Mark prustete in seine Armbeuge. Sein ganzer Körper bebte vor Gelächter. Ed machte ein gurgelndes Geräusch und verlor eine beträchtliche Menge Speichel. Paul seufzte. Mark schien auf Ewig dazu verdammt, ein Kind zu bleiben.

      "Hey du."

      Hinter Mark stand das Mädchen und tippte ihm auf die Schulter. Über ihre Stirn rannen Tropfen, die Schweiß oder Trinkwasser sein konnten. Mark unterbrach seinen Lachkrampf und drehte sich um. Noch bevor er seine Gegnerin einschätzen konnte, verpasste ihm das Mädchen einen Schwinger direkt auf die Nase. Mehr aus Überraschung als von der Wucht des Boxhiebs taumelte Mark rückwärts in seinen Spind und blieb in einer Haltung irgendwo zwischen Sitzen und Stehen in der Türöffnung stecken. Mit beiden Händen hielt er sich die Nase und stieß einen Zischlaut aus. Paul beobachtete fasziniert, wie sich ein scharlachrotes Rinnsal den Weg über Marks Kinn suchte. Ed verdrückte sich in die Ecke und sah noch dünner und bleicher aus als sonst.

      Als Mark sich vom ersten Schock erholt hatte, funkelte er das Mädchen an.

      "Fuck, was hast du für ein Problem?"

      "Was hast DU für ein Problem? Denkst du das ist lustig?" Sie sprach mit einem kantigen Akzent.

      Mark wusste nicht, was er sagen sollte und wischte mit dem Handrücken über seine Nasenlöcher. Plötzlich hellte sich seine Miene auf.

      "Lehrkörper", raunte er Paul zu und nickte Richtung Brunnen. Paul erkannte seine neue Chemielehrerin. Acht Augenpaare verfolgten, wie Mrs. Schalge (oder Schalgi?) sich hinab beugte und den Knopf drückte. Das Wasser trat in einem kräftigen Strahl aus, traf zielsicher ihr Brillenglas und zerstob in unzählige Spritzer, die auf ihrer rüschenbesetzten Bluse ein feines Rorschachmuster hinterließen. Die Lehrerin sah sich um, ängstlich, als hätte sie einen Fehler begangen. Diesmal gelang es Mark, sein Lachen unter Kontrolle zu halten. Er setzte sein bestes Pokerface auf. Inzwischen war sein Nasenblut quer über den Mund verschmiert, so dass er mehr aussah wie Batmans Joker als ein Unschuldsengel. Doch selbst wenn sie in Mark den Täter vermutet hätte – die arme Frau wirkte so verschüchtert, dass sie wohl nie gewagt hätte, ihn – oder irgend jemanden – zu beschuldigen. Die Brille mit dem Zipfel ihrer Strickjacke trocknend ging sie davon, als wäre nichts passiert.

      "Mein Gott, seid ihr Amerikaner alle so kindisch?", fragte das fremde Mädchen.

      "Hauptsächlich Mark", sagte Paul.

      "Was soll das heißen, ihr Amerikaner? Wo kommst du denn her?"

      "Aus São Paulo."

      Mark zögerte. "In Texas?"

      Ale verdrehte die Augen.

      "São Paulo ist die größte Stadt in Brasilien. Das ist in Südamerika", fügte sie hinzu, als sie Marks leeren Blick bemerkte.

      "Du bist aus Brasilien?"

      "Sou, o senhor."

      "Siehst aber nicht so aus."

      "Ach ja? Wie sehen wir denn deiner Meinung nach aus?"

      "Naja, irgendwie… kurviger."

      "Also eher wie du?"

      "Eher wie die da." Mark zeigte auf das Foto einer Brünetten, die sich in einem Stofffetzen, der gerade noch als Bikini durchgehen konnte, auf der Motorhaube eines Ferrari räkelte.

      "Dann bin ich wohl die goldene Ausnahme."

      Brasilien. Paul überlegte, was ihm dazu einfiel. Samba, Karneval, Copacabana kamen ihm in den Sinn, und ja, er musste zugeben, auch das Bild exotischer Strandschönheiten in mikroskopischen Stringtangas. Das Mädchen vor ihm verkörperte eher das Gegenteil. Abgesehen von den schwarzen Haaren sah sie gänzlich unbrasilianisch aus – flachbrüstig, hellhäutig (wenn auch nicht Special-Ed-hellhäutig) mit Sommersprossen, in gedeckten Farben gekleidet. Keine Spur von Karneval an ihr.

      "Und wie gefällt's dir so in Amerika?", fragte Mark.

      "Ich BIN aus Amerika." Sie funkelte ihn an.

      "Schon gut." Mark hob abwehrend die Hände, als ob sich für den nächsten Schlag wappnete. "Dann eben in Plainsville."

      "Ist ganz okay."

      "Ich bin übrigens Mark."

      "Ale", sagte das Mädchen.

      "Alley?" Marks Lachen kehrte zurück. "Wie der Hinterhof?"

      "Wie A-L-E. Kurzform von Alessandra."

      "A-L-E? Das spricht man aber Ehl aus."

      "Ich

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