Marsjahr. Sven Hauth

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Marsjahr - Sven Hauth

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Spinds ab.

      "Ist er das nicht?" Paul zeigte auf eine blau-gelbe Dose.

      "Natürlich nicht. Das ist WD-40. Bremsenreiniger ist in einer weißen Spraydose mit roter Kappe."

      "Keine Ahnung. Heute ist Freitag der 13., da verschwindet einiges. Warum lässt du den Kram nicht im Auto?"

      "Weißt du, wie heiß es darin werden kann? Soll der Pussy Magnet explodieren, oder was?"

      Paul seufzte. Kaum ein Tag verging, an dem Mark nicht irgendwelche Öle und Sprays aus der Werkstatt in die Schule schleppte, um sie in Freistunden am Pussy Magnet auszutesten. An manchen Tagen glich sein Spind dem Kofferraum eines Pannendienstes.

      "Scheiß drauf", sagte Mark. "Das Zeug bringt eh nicht viel."

      Paul hörte nur mit halbem Ohr hin. In seinem Kopf tanzten die Buchstaben. J-O-A-N-N-E. Was konnte er nur anstellen, damit sie von ihm Notiz nahm?

      In diesem Moment sah Paul X das erste Mal.

      Man konnte ihn gar nicht übersehen, denn er überragte alle anderen Schüler. Sein Kopf war kahlrasiert, bis auf einen Streifen in der Mitte, der in harte, an die Decke zeigende Stacheln unterteilt war. Ein Irokesenhaarschnitt, wie Paul ihn nur von den Downtown-Kids kannte, die auf der Monroe Avenue rumlungerten. So auffällig wie der Haarschnitt war auch die Kleidung des Jungen. Über einem zerlöcherten, von Sicherheitsnadeln zusammengehaltenen T-Shirt trug er eine schwere Lederjacke mit abgewetzten Ärmeln. Der Schulterbereich war gespickt mit Nieten, das Revers durchstochen von einer Sammlung greller Buttons mit mysteriösen Akronymen. DK, PIL, SxE, GBH. Darunter trug der Fremde ein kariertes Holzfällerhemd, um den Bund seiner Cargohose geknotet wie ein Schottenrock. Mit versteinerter Miene marschierte er auf Army-Stiefeln an Paul vorbei.

      Paul konnte seine Augen nicht von dem ungewohnten Anblick losreißen. Ihre Blicke trafen sich, und für einen Moment meinte Paul, in den graublauen Augen des Jungen eine immense Abneigung zu lesen. Nicht so sehr gegen ihn persönlich, eher spürte er eine Art allumfassende Verneinung, als verabscheute der seltsame Neuankömmling alles und jeden um sich herum.

      Dann sah der Junge wieder geradeaus und ging vorbei. Paul rammte Mark einen Ellbogen in den Hüftspeck.

      "Was ist?" Mark hatte die Suche nach dem Bremsenreiniger noch immer nicht eingestellt. Unbeirrt wühlte er im Spind, als gäbe es irgendwo im hintersten Winkel ein unentdecktes Geheimfach.

      "Hast du gesehen?"

      "Was denn??"

      "Der Typ eben. Mit dem Irokesenschnitt."

      "Nein. Wer an der Apollo trägt einen Irokesenschnitt?"

      "Eben."

      Mark reckte seinen Hals, aber der Junge war bereits verschwunden.

      "Ich seh' nichts."

      "Vergiss es."

      Paul durchlebte eine Sekunde des Zweifels. Mark hatte recht – wer an der Apollo High traute sich, so rumzulaufen? Der Junge sah aus wie ein finsterer Paradiesvogel und passte besser in eine der Punkbands, deren Videos spät abends auf MTV liefen. Schon zu Beginn der nächsten Schulstunde hatte Paul die Begegnung vergessen.

      Dienstag, 31. Oktober

      Liebes Tagebuch,

      dies wird ein besonders langer Eintrag, denn heute ist ein besonderer Tag. Der schlimmste Tag des Jahres - Halloween.

      Es ist der Tag, an dem sie die Grenze zu meinem Privatleben überschreiten und bis an meine Haustür vordringen. Nicht einmal vor meiner letzten Zuflucht schrecken sie an diesem Abend zurück. Und wenn man ihnen keine Geschenke macht, wird man sie nie wieder los.

      Den Unterricht lasse ich heute ausfallen. Ich kann mich nicht darauf konzentrieren. Heute morgen bin ich noch vor dem Frühstück zur Tankstelle am Ende der Straße und habe zwei große Plastiktüten voll Süßigkeiten gekauft. Keine der billigen Mischpackungen, die größtenteils farbstoffgeschwängerte Zuckerkegel enthalten. Nein, dieses Jahr gibt es nur feinste Markenware. Reese's Peanut Butter Cups. Hershey Kisses. Und die unverschämt teuren Mini-Schokoladenriegel. Mars, Snickers, Milky Way.

      Neben die Haustür habe ich einen beleuchteten Plastikkürbis gestellt. Er wird sie milde stimmen. Wenn man ihnen gibt, wonach sie verlangen, wird man sie schnell wieder los. Tür auf, eine Handvoll Süßigkeiten in die Beutel, Tür zu. Meine Medikamentendosis habe ich verdoppelt, zwei Smiley-Pillen statt einer. Ich bin perfekt vorbereitet.

      Liebes Tagebuch, draußen sind dunkle Wolken aufgezogen, als wolle die Natur meine Gedankenwelt parodieren. Das lange Warten hat begonnen. Meine Gedanken beginnen zu kreisen. Gerade musste ich an die Botschaft denken, die in der Schule an der Wand gegenüber des Trinkbrunnens geschrieben stand.

      Der Bogeyman wird dich holen.

      War es Drohung oder Warnung? Nein, ich will es gar nicht wissen. Wie es der Doc bei Grübelattacken empfiehlt, versuche ich, mich mit Ersatzhandlungen abzulenken. Irgend etwas, nur nicht Nichts tun. Es erfordert große Anstrengung, auf etwas zu fokussieren, wenn im Hinterkopf der Abend lauert.

      Eine Weile habe ich mit Pasteur geredet, dann wurde es ihm langweilig und er verließ das Haus. Wer weiß, was er da draußen treibt. Seit wir hier eingezogen sind, hat er sich verändert. Alles scheint ihm zuviel. Unser Verhältnis verschlechtert sich von Tag zu Tag

      Danach habe ich in der Formelsammlung rumgeblättert, bis die Symbole anfingen, vor meinen Augen zu tanzen.

      Ich glaube, das Bad könnte mal wieder eine Reinigung vertragen. Nicht, dass es schmutzig wäre, aber man weiß nie, welche Keime sich in den Ecken und Kanten einnisten. Die Angst wegschrubben - vielleicht funktioniert das?

      Ich werde noch eine Pille nehmen und versuchen, ein wenig zu schlafen.

      Das Kreischen der Türklingel riss mich aus einem traumlosen Schlaf. Ich lag auf der Couch, umgeben von Dunkelheit. Mein Gott, wie viel Zeit war vergangen? Benommen stolperte ich zum Fenster, eine Hand bereits am Korb mit den Süßigkeiten, in Erwartung singender Kinder vor der Haustür.

      Liebes Tagebuch, du wirst nicht glauben, was dort draußen im Schein der Kürbislampe stand. Zwei Meter groß und mit breiten Schultern wie ein Footballspieler in Schutzkleidung – das war alles andere als ein Kind. Nicht einmal ein Mensch. Es war der Bogeyman höchstpersönlich, gekleidet in einem Overall, so schwarz, dass das narbige, kreidige Gesicht darüber zu schweben schien. In der Hand hielt er ein Fleischermesser, die Klinge lang wie ein Lineal. Die Prophezeiung auf den Schulkacheln hatte sich erfüllt.

      Hinter der Jalousie lauschte ich meinem hämmernden Herzen und erwartete das nächste Klingeln. Doch der Bogeyman stand nur da, regungslos. Die Messerklinge reflektierte oranges Licht. Dann drehte er sich auf seinen schweren Stiefeln um und ging betont langsam die Auffahrt. Kurz bevor er die Straße erreichte, sah er über seine Schulter, mir direkt in die Augen. Die Klinge funkelte. Ich verstand die Nachricht: dies war nicht sein letzter Besuch.

      Dann bemerkte ich etwas seltsames. Meine Angst, mein dunkler Begleiter, der mich nie allein ließ, verschwand. Und mit ihr auch die Angst vor der Angst. Noch nie hatte ich mich so wach gefühlt.

      Voll Tatendrang ging ins Badezimmer. Auf dem Boden standen Flaschen mit Reinigungsmitteln. Schmutzige Wischtücher hingen zum Trocknen über dem Rand der Badewanne.

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