Marsjahr. Sven Hauth

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Marsjahr - Sven Hauth

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der Irokesenjunge seine Brücke zu Joanne werden. Vielleicht würde es Paul sogar gelingen, ihn in den Klub der Unsichtbaren zu integrieren, raus aus dem Einflussbereich der Crostons.

      Er ahnte, dass sein Vorhaben nicht leicht sein würde. Ihre erste Begegnung hatte aus nicht viel mehr als einem feindseligen Blick bestanden. Aber verglichen mit der Überwindung, die es kostete, Joanne direkt anzusprechen, würde es ein Waldspaziergang werden. Paul schob die Physik zurück in seinen Rucksack und machte sich auf den kurzen Weg zum Unbekannten.

      Als er am Tisch des Jungen ankam, saß dieser immer noch versteinert da, Arme vor der Brust, den Blick starr auf die Tischplatte gerichtet. Seine blaue Haarsträhne pendelte im Takt der Walkman-Musik. Einzelne Gesangsfetzen drangen durch den Schaumstoff der Ohrpolster.

      Paul kramte seinen gesamten Mut zusammen und setzte sich dem Jungen direkt gegenüber, auf denselben Stuhl, der kurz zuvor Joanne getragen hatte. Restpartikel ihres Erdbeeraromas hingen immer noch in der Luft.

      Der Junge sah kurz auf, nur mit den Augen. Dann fiel er zurück in seine Abwehrhaltung. Eine Minute verstrich.

      "Hi", sagte Paul, weil ihm kein besserer Einstieg einfiel.

      "Verpiss dich", sagte der Unbekannte und machte den Waldspaziergang zum Triathlon.

      "Ich wollte mich entschuldigen", versuchte Paul.

      Sichtlich genervt richtete der Junge sich ein wenig auf, drückte die Stop-Taste seines Walkmans und zog die Ohrhörer vom Kopf. Seine Lederjacke knirschte.

      "Hä?"

      "Ich wollte mich entschuldigen. Wegen neulich."

      "Neulich?"

      "Vor zwei Wochen, auf dem Gang. Ich wollte dich nicht so anstarren."

      "Was immer du sagst."

      "Bist du neu an der Schule?"

      "Hast du mich letztes Jahr schon mal gesehen?"

      "Nein."

      "Na also."

      Eine Weile saßen sie sich in gespannter Stille gegenüber. Dann machte der Junge Anstalten, sich die Kopfhörer wieder aufzusetzen.

      "Was hörst du?", fragte Paul, gerade noch rechtzeitig vor der nächsten Lärmattacke. Er musste das Gespräch irgendwie am Laufen halten.

      Der Junge stöhnte auf, als koste ihn jede Bewegung größte Anstrengung. Er nahm die Kassettenhülle und schleuderte sie quer über den Tisch. Sie landete in Pauls Schoß.

      "Misfits - Legacy of Brutality", las Paul die Beschriftung. Ebenso gut hätte ein Satz in Sanskrit draufstehen können. Von der Hülle glotzte ein stilisierter Totenkopf. "Cool."

      "Was immer du sagst." Der Junge verschränkte wieder die Arme vor der Brust. "Was willst du von mir? Ist dir langweilig?"

      Ich will etwas über Joanne wissen. Nicht nur etwas, eigentlich alles, dachte Paul. Sonst würde ich bestimmt nicht mit dir reden.

      Er zuckte mit den Schultern. "Ich dachte, du würdest vielleicht gern ein paar Leute kennen lernen."

      "Falsch gedacht."

      "Ist bestimmt nicht einfach, wenn man neu an die Schule kommt. Da kann man immer Freunde gebrauchen."

      "Freunde?" Er spuckte das Wort aus wie ein altes Kaugummi. "Und ausgerechnet du willst mein Freund sein?"

      "Ist das so abwegig?"

      Als Antwort kam ein Schnauben. "Leute wie du hängen gewöhnlich nicht mit Leuten wie mir rum."

      "Was soll das heißen, Leute wie du?"

      Der Junge zuckte mit den Schultern. "So Mittelklasse-Typen eben."

      "Mit den Mädchen eben hast du doch auch geredet. Mit Joanne und den Croston-Schwestern." Paul erschrak über den Klang seiner eigenen Stimme, wie jämmerlich beleidigt er sich anhörte. Aber die Überleitung war geschafft

      "Die nervigen Puten? Kleine Möchtegernpunks. Die haben mehr mit mir geredet, als ich mit ihnen."

      Der Neue gewann einen Sympathiepunkt. Jemand, der die Crostons als nervige Puten bezeichnete, konnte nicht völlig schlecht sein. Gleichzeitig schrumpfte Pauls Hoffnung, dem renitenten Jungen Informationen über Joanne zu entlocken. Anscheinend gefiel er sich in der Rolle des wortkargen Einzelkämpfers. Paul unternahm einen weiteren Anlauf.

      "Bist du bei einer von denen im Jahrgang?"

      "Hör zu. Ich habe keinen großen Bedarf an Smalltalk. Oder an neuen Freunden. Weißt du, wie viele High Schools ich in den letzten zwei Jahren besucht habe?"

      Paul wusste es nicht.

      "Die Apollo ist Nummer Vier. Da verliert so ein Begriff wie Freundschaft seine Bedeutung."

      Paul dachte an Mark, wie unendlich lange sie sich kannten.

      "Ist es nicht besser, wenigstens für kurze Zeit Freunde zu haben als überhaupt nicht?"

      "Ich komm ganz gut allein klar. Aber wenn es dich glücklich macht, nenn dich mein Freund. Gibt vermutlich Schlimmere als dich."

      Paul nahm es als Kompliment und streckte dem Jungen die Hand entgegen.

      "Also dann... Ich bin Paul."

      Der Neue fixierte die Hand mit dem Misstrauen eines Hundes, der öfter geschlagen als gestreichelt wurde.

      "Kannst mich X nennen", sagte er schließlich, als Paul seine Hand ungeschüttelt zurückzog.

      "X", wiederholte Paul. Hatte er X gesagt?

      "Mein Straßenname. Wie die Band."

      Paul kannte eine Band namens X so wenig wie die Misfits. Er hatte höchstens von Malcolm X gehört, den sie letztes Jahr kurz in der Geschichtsstunde abgehandelt hatten. Jemanden mit einem Buchstaben anzusprechen, fühlte sich seltsam an. Er hielt dem Jungen – X – die Kassettenhülle hin. X ließ den Walkmandeckel aufschnappen, legte die Kassette in die Hülle und gab sie Paul zurück.

      "Kannst dir ausleihen. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft."

      Paul nahm die Kassette, unsicher, ob der Junge es ernst meinte.

      "Okay. Dann...danke...X."

      "Nicht der Rede wert, Paul. War nett mit dir zu reden."

      Bevor Paul sein Interview fortsetzen konnte, hatte X eine andere Kassette eingelegt. Unter dem Gewicht von 90 Dezibel Punkrock rutschte er tief in den Stuhl. Paul sah ihm kurz zu und ließ ihn dann allein. Das Gespräch war beendet, und Paul allein mit der Frage, ob er soeben einen neuen Freund gewonnen hatte.

      -

      Rachels Cabrio, ein gebrauchter Pontiac Sunbird, den ihre Eltern ihr zum 16. Geburtstag in die Auffahrt gestellt hatten, kurvte durch den dichten Mittagsverkehr. Ale beneidete Rachel um diesen Wagen und die Freiheit, die er repräsentierte. Ohne Führerschein galt man in diesem Land, in dem

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