Marsjahr. Sven Hauth

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Marsjahr - Sven Hauth

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zitronenfarbene Stück Hartplastik nicht mehr, dass einst die Hülle ihres Warndreiecks gewesen war, und nun, mit einer Kordel an ihrem Knöchel befestigt, als Rettungsboje durchgehen sollte.

      Auch der Hintern dieser "Elli" blieb unter ihrer lächerlichen Stola verborgen. Brian musste ihn gar nicht sehen, um zu wissen, dass er keinen Vergleich mit Rachels durchtrainiertem Sitzfleisch standhalten können.

      "Lass es uns dort mal probieren. Das mit der Kürbislampe."

      Rachel zeigte auf ein Einfamilienhaus, das aussah, wie alle anderen in dieser Straße. Unsanft aus seinen Gedanken gerissen, trat Brian auf den viel zu langen Umhang der Möchtegern-Freiheitsstatue. Die Ausländerin raffte ihr Kostüm und funkelte ihn an. Ihre Schaumstoffzacken zitterten. Im Zwielicht des Mag-Lites, das Rachel ihr in Ermangelung einer echten Fackel zugedacht hatte, sah sie gar nicht mal so unattraktiv aus. Vielleicht lag ein flotter Dreier doch im Rahmen des Möglichen, wenn auch nur um damit anzugeben - wer konnte schon behaupten, Miss Liberty gevögelt zu haben?

      Rachel drückte ihm den Sammelbeutel in die Hand.

      "Honey, du bist dran."

      Honey schlurfte lustlos zur Haustür, drückte die Klingel und wartete. Nichts geschah. Das Kürbislicht flackerte. Unter der Maske wurde es warm. Brian nahm sie ab und trocknete das schwitzige Gesicht in der Armbeuge seines Overalls. Ein Rascheln. Aus dem Gebüsch neben der Tür kam eine Katze und liebkoste seinen Knöchel. Brian verscheuchte sie mit einem Tritt.

      "Macht keiner auf", verkündete er das Offensichtliche und zog die Maske wieder über. Rachel zuckte mit den Schultern, als hätte sie nichts anderes erwartet. Während Brian zurück zur Straße ging, wo johlende Kindergruppen ihre Beutezüge planten, nahm er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Er sah über seine Schulter. War da ein Schatten hinter der Jalousie? Der Regen machte es unmöglich, Genaueres zu erkennen. Welche Rolle spielte es auch? Er wollte endlich nach Hause.

      "Letzter Versuch", verkündete Rachel, als hätte sie seine Gedanken gelesen. "Ale, dein Einsatz." Sie zeigte auf das Haus ihrer Wahl und schob ihre Teilzeitschwester auf den erleuchteten Eingang zu. Eine erschöpft aussehende Frau öffnete ihrem Klingeln.

      "Trick or Treat", sagte Ale mit einem Akzent, dem Brian eine gewisse Erotik nicht absprechen konnte. Ihr Tonfall hingegen klang, als spräche sie Beileid aus.

      Die Frau nahm von irgendwoher eine Handvoll Naschkram, hielt dann aber inne. Sie beäugte das Trio mit dem misstrauischen Ausdruck, der für Staubsaugervertreter und Jehovas Zeugen reserviert ist. Brian hielt dem Blick stand, sein echtes Gesicht genauso ausdruckslos wie seine Maske.

      "Seid ihr nicht schon ein wenig alt für Halloween?"

      "Gib das Zeug her und halt die Klappe, du alte Schachtel." Der Satz lag Brian auf der Zunge, aber er beherrschte sich und schwieg. Er drehte das Brotmesser in der Hand. Vielleicht war es an der Zeit, zu testen, wie stabil die Klinge wirklich war.

      Gerade als Rachel zu einer langatmigen Erklärung über kulturelle Unterschiede zwischen Nord- und Südamerika ausholte, stieg Rauch aus dem Kopf der Frau.

      "Mom!", krähte eine Stimme im Hintergrund. Brian begriff, dass der Rauch aus dem Zimmer hinter der Frau kam.

      "Oh, mein Gott", rief die als Mom titulierte, ließ Bonbons und Schokoriegel auf die Türschwelle regnen und stürmte zurück ins Haus. Für ein paar Sekunden sagte niemand ein Wort. Dann polterte es, und etwas huschte an ihnen vorbei, eine schlanke Gestalt, die etwas trug, das entfernt Rachels Badeanzug ähnelte. Flink wie ein scheues Tier verschwand es in der Dunkelheit.

      "Was zum Teufel war das?", fragte Brian.

      Rachel seufzte, gleichermaßen frustriert über ihren durchnässten Mantel, Ales mangelnde Halloweenbegeisterung und den immer noch leeren Sammelbeutel.

      "Keine Ahnung. Lass uns nach Hause gehen."

      -

      Der Tag war gekommen. Letzte Woche hatte Mom ihn erwähnt, im Gespräch mit der Nachbarin, einen tiefen Seufzer vorangestellt: Schon wieder! Das Jahr geht so schnell rum.

      Ein paar Tage später begegnete Greg ihm im Supermarkt in Form einer Kette orangefarbiger Pappbuchstaben (würde es kein Rot geben, hätte Greg genau dieses Orange zu seiner Lieblingsfarbe erkoren), die über gigantischen Kürbissen inmitten einer Dekoration aus Herbstlaub und Ährenbündeln hing. Und vorhin hatte er ihn sogar in der Schule aufgeschnappt, als Gesprächsthema seiner besten Freunde. Selbst wenn Greg nie viel zu ihren Diskussionen beisteuern konnte, so wusste er doch immer, worum es ging.

      Heute ging es um Halloween.

      Das erkannte Greg auch daran, dass auf dem Frühstückstisch die Papiertischdecke mit der Endlosreihe tanzender Skelette, und der kleine Porzellankürbis aufgetaucht waren, in dessen Bauch man drei Teelichter versenken konnte. Greg liebte das warme Flackern, dass aus den dreieckigen Augenhöhlen strahlte und wildes Schattentheater auf seiner morgendlichen Portion Count Chocula aufführte.

      Halloween bedeutete, dass er mehr Süßigkeiten essen durfte als sonst. Von diesem Privileg machte er schon vor dem Frühstück Gebrauch und bediente sich mehrfach aus der gut gefüllten Tupperschüssel im Flur bedient, bis diese nicht mehr gut gefüllt war und Mom Mäßigung anmahnte.

      Kürbiskerzen und Süßigkeiten waren eine feine Sache. Was Greg jedoch am meisten faszinierte, war, dass man an diesem Feiertag völlig verrückte Kleidung tragen durfte.

      Er konnte sich noch gut an das letzte Halloween erinnern. Eine Gruppe Kinder hatte an ihrer Haustür geklingelt, was an keinem anderen Tag des Jahres geschah. Sie trugen spitze Hüte, Umhänge und seltsame Masken, unter denen man ihr wahres Gesicht nur erahnen konnte. Der Anblick der verkleideten Kinder erinnerte Greg an seinen Helm, und auf einmal fühlte er sich nicht mehr so sehr als Außenseiter. Wie schön musste es sein, ein Kostüm zu tragen, unter dem einen niemand erkannte. Greg wäre unsichtbar!

      Mom hatte den Kindern mit einer Hand Bonbons und Schokoriegel in die Stoffbeutel geworfen, und mit der anderen einen zappelnden Greg davon abgehalten, an ihr vorbei zu schlüpfen und sich der Gruppe anzuschließen. Als die Haustür wieder ins Schloss fiel, rannte Greg ins Wohnzimmer und drückte sich die Nase am Fenster platt. Alles was er sah war die schwarze Oktobernacht, aber er wusste, in ihrem Schutz passierten dort draußen in den Straßen aufregende Dinge.

      Seit jenem Tag lief Greg in seinen Träumen verkleidet über die Bürgersteige der Nachbarschaft. Niemand wich ihn aus oder rempelte ihn an, denn niemand wusste, wer er war. Jedes Mal, wenn er diesen Traum durchlebte, reifte sein Entschluss, ihn wahr werden zu lassen, ein Stück mehr.

      Heute war der Tag gekommen. Er würde einer von ihnen sein, einer der Glücklichen, die dort draußen unerkannt umherliefen und Spaß hatten. Greg war bestens vorbereitet, immerhin hatte er ein ganzes Jahr Zeit gehabt.

      Mit einem Rucken kam der Schulbus zum Stillstand. Ein letztes Mal murmelte Greg das entscheidende Wort - ein Bandwurm von einem Wort, mit so vielen Silben, dass Greg die Aussprache tausendmal hatte üben müssen, bevor es ohne Stottern über seine Lippen rutschte. Er stürmte auf die Straße und war mit drei Sätzen auf der Veranda in Moms Armen. Er wartete gar nicht erst ab, bis sie ihre Umarmung beendet hatte.

      "Halloweenkostüm!", platzte er heraus, direkt in Moms linkes Ohr. Sie schob ihn mit ausgestreckten Armen auf Abstand. Ihr Mund stand weit offen, als konnte sie es nicht glauben, dass es wirklich ihr Sohn war, den sie festhielt.

      "Halloweenkostüm!", wiederholte Greg, noch etwas lauter,

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