Marsjahr. Sven Hauth

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Marsjahr - Sven Hauth

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der Begründung, sie müsse ihren Gast an die amerikanische Kultur heranführen, war es Rachel gelungen, Ale frühzeitig aus dem Unterricht zu nehmen. Vermutlich wollte sie sich nur selbst einen verkürzten Schultag gönnen, hatte sie ihrer Gastschwester doch bisher soviel Aufmerksamkeit geschenkt wie einer Seifenoper beim Bügeln.

      "Wohin fahren wir?", fragte Ale.

      "Überraaaschung", krähte Rachel und ignorierte das empörte Hupen des Lieferwagens, den sie gerade geschnitten hatte.

      Fünfzehn Minuten später bogen sie auf den gigantischen Parkplatz des Long Ridge Einkaufszentrums.

      Die Mall – natürlich.

      Wenn Rachel nicht gerade in der Schule oder mit den Apollo Rockettes trainierte, hing sie mit ihren Freunden (und Rachel schien einen unerschöpflichen Vorrat an Freunden zu haben) in der Mall rum. Im Teenagerrudel zogen sie von Shop zu Shop, legten ihr Taschengeld in Textilien an, besetzten die Holzbänke neben den Springbrunnen, und lästerten über weniger privilegierte Mädchen, deren Outfits nicht ihren strengen Kriterien entsprachen.

      Ein einziges, quälendes Mal hatten sie Ale mitgenommen. Stundenlang war sie der lärmenden Gruppe hinterher gezuckelt, ohne dass jemand auch nur den Versuch gemacht hatte, sie in das Geschnatter zu integrieren. Lediglich Rachels Boyfriend hatte hin und wieder eine anzügliche Bemerkung fallen lassen, auf die Ale gerne verzichtet hätte.

      Um nicht völlig als Spielverderber dazustehen, hatte sie die ganze Zeit tapfer gelächelt, bis ihr abends die Mundwinkel schmerzten. Seit jenem Nachmittag verursachte schon der Gedanke an die Mall ein Würgegefühl. In der Hoffnung, dass sie diesmal nicht lange bleiben würden, folgte sie Rachel durch die klimatisierte Konsumwelt.

      "Hey, Dirty Darren kauft auch hier", sagte Rachel, und zeigte in einen Elektronikladen, wo ein graubärtiger Mann in ein Verkaufsgespräch vertieft war. Ale erkannte den Hausmeister der Apollo.

      Rachel blieb kurz an einem Schuhgeschäft kleben, bevor sie auf einen Laden mit farbenfroh verkleideten Schaufensterpuppen zusteuerte. Arlene's Kostümverleih, konnte Ale gerade noch lesen, bevor sie sich in einem Gruselkabinett wiederfand.

      Der Laden war vollgestopft mit Kostümen. Vom bleichen Pappgesicht, das vermutlich Casper das freundliche Gespenst darstellen sollte und nicht einmal einen Dreijährigen täuschen könnte, bis zu hollywoodtauglichen Horrorköpfen aus Latex für dreistellige Beträge wurde jeder Geschmack und Geldbeutel bedient.

      An einem karussellartigen Kleiderständer entdeckte Ale die Outfits bekannter Filmstars – Indiana Jones, Batman, Freddy Krueger. Ein anderer bot haarigen Ganzkörperanzügen für Sportmaskottchen. Auf dem Boden standen Drahtkörbe mit Sonderangeboten - Clownsnasen, Tüten mit Kunstblut und eingeschweißte Komplettsets zum großfamilienfreundlichen Preis. Das Teufelsset zu $14.99 – eine Art roter Taucheranzug inklusive Hörnern, Dreizack und Schwanz! – schien ein Bestseller zu sein und näherte sich dem Ausverkauf.

      Zwischen den Verkleidungen drückten sich aufgeregte Grundschüler herum, im Schlepptau ihre Mütter, denen die Ungeduld fleckig-rot im Gesicht stand.

      Rachel schlängelte sich zur Kasse, wo eine dunkelhaarige Ausgabe ihrer selbst kaugummikauend ihre Nägel bewunderte. Ale erkannte in ihr eine der Freundinnen von dem Tag, an dem sie die Mall hassen gelernt hatte. Nervös beobachtete Ale aus dem Abseits, wie sich die beiden unter überdrehten Begrüßungsfloskeln umarmten, als hätten sie sich Jahre nicht gesehen.

      Rachel sagte etwas und zeigte auf Ale. Die andere nickte, verschwand im Hinterzimmer und kehrte kurz darauf mit einem Laken zurück. Es besaß die grünliche Farbe angelaufenen Kupfers. Rachel winkte Ale zu sich. Ale gehorchte. Das Kassenmädchen händigte ihr wortlos den grünen Stoffhaufen, ihr Blick schon wieder auf ihre Fingernägel gerichtet.

      "Na?", fragte Rachel und sah Ale erwartungsfroh an.

      Ale faltete das Stoffzelt auseinander. Heraus fielen eine fand sie eine Zackenkrone aus Schaumstoff und eine Buchattrappe, beides in der selben unappetitlichen Farbe.

      "Was ist das?" Ale hob die Zackenkrone auf und drehte sie wie ein außerirdisches Werkzeug.

      "Das ist dein Kostüm für heute Abend. Ich weiß doch, wie gerne ihr da unten Karneval feiert. Und heute ist Halloween, das ist unser Karneval. Das habe ich extra für dich bestellen lassen."

      "Aber...was stellt es dar?"

      "Na, die Freiheitsstatue!"

      "Oh."

      "Die Freiheitsstatue steht in New York", belehrte sie die Kassiererin und tauschte einen mitleidigen Blick mit Rachel aus.

      Oh mein Gott, dachte Ale, und zwang sich gleichzeitig ein höfliches Grinsen aufs Gesicht. Machte es Sinn, Rachel und ihrer debilen Freundin zu erklären, dass dort unten der Karneval nicht für jeden denselben Stellenwert besaß? Am populärsten war er in Rio, und selbst dort gab es reichlich Menschen, die sich den bunten Exzessen verweigerten. Ale hasste den Karneval und den ganzen Rummel, der damit einherging, aber sie beschloss, sich nichts anmerken zu lassen. Sicher wollte Rachel nur ihr Bestes.

      "Toll. Danke", knurrte sie und krallte ihre Finger in den Stoff.

      "Probieren wir es gleich mal an. Falls es nicht passt, können wir es noch ändern lassen."

      "Jetzt? Hier??"

      "Ja, sicher." Rachel nahm ihr das Tuch aus der Hand, bauschte es auf bis sie die Öffnung für den Kopf fand und stülpte es Ale über wie einen überdimensionierten Poncho. Mit wenigen Handgriffen befestigte sie die Krone auf Ales Kopf, drückte ihr das falsche Buch in die linke Hand und dirigierte sie in eine Pose, die sie für die der Miss Liberty hielt.

      "Halte mal den rechten Arm hoch. Leider gab es keine Fackel, aber Zuhause basteln wir dir eine."

      Ale tastete unter ihrem Umhang nach dem Loch für den rechten Arm und streckte ihn in die Höhe. Der grüne Poncho hing formlos an ihren schmalen Schultern wie der stoffgewordene Zuckerhut. Einige der Mütter warfen ihr verstohlene Blicke zu, ihre Kinder kicherten weniger verstohlen.

      Rachel trat einen Schritt zurück und betrachtete ihr Werk.

      "Yay, sieht super aus! Amerikanischer geht's nicht."

      "Und was ist mit deinem Kostüm?"

      "Alles schon zu Hause, das von Brian auch."

      Brian, dachte Ale, und schauderte bei dem Gedanken, den ganzen Abend das fünfte Rad am Wagen der beiden Turteltauben zu sein. Sie verfluchte sich, Marks Vorschlag, ihn und Paul zu begleiten, vorschnell abgelehnt zu haben. Eines stand fest – ihr erstes Halloween würde unvergesslich werden.

      -

      Der Besuch der Mall bot eine willkommene Abwechslung vom Schulalltag. An machen Tagen nervte Darren sein Job ganz besonders, und heute war so ein Tag.

      Erst kurz vor Feierabend hatte er entdeckte, dass irgendein Schwachkopf die Wand gegenüber des Trinkbrunnens beschmiert hatte. Der Bogeyman wird dich holen stand dort, geschrieben in schwarzem Marker. Buh, wie furchteinflößend. Natürlich war der Stift wasserfest und die Farbe erwies sich als immun gegen normale Reinigungsmittel, so dass Darren erst wieder in den Keller gehen musste, um aus seinem Arsenal an hochaggressiven Chemikalien die geeignete Waffe auszusuchen. Fluchend hatte er danach eine halbe Stunde an dem Graffiti herumgerubbelt, und trotzdem waren am Ende immer noch ein paar Buchstabenfragmente

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