Die hohle Schlange, das Labyrinth und die schrecklichen Mönche von Bresel. Gerhard Gemke

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Die hohle Schlange, das Labyrinth und die schrecklichen Mönche von Bresel - Gerhard Gemke

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Trutzlingen, genannt Wolfram mit dem Buckel, Burg Knittelstein an. Die wurde von Meinhardt dem Dicken verteidigt. Wolfram hatte Wurfmaschinen den Berg hinauf schaffen lassen. Eine irrsinnige Plackerei, könnt ihr euch vorstellen. Am Mittwoch Abend dann waren die Mauern der Burg durchlöchert wie ein Sieb und die Zugbrücke kurz vorm Zusammenbruch. Doch die beiden Raufbolde hatten wenigstens vor dem Bischof Respekt. Naja, und bis nach Jerusalem war es verflixt weit. So hielten sie sich notgedrungen an die Ruhezeit. Aber Meinhardt der Dicke war schlau. Er nutzte die vier folgenden Tage und Nächte und – das berichten die alten Legenden – haute eine Spalte im Berg so aus, dass sie für dicke Ritter begehbar wurde. Oder wahrscheinlich eher bekriechbar. Plötzlich kamen am Montag Morgen irgendwo unterhalb der Burg ein paar finstere Gesellen aus einem Stollen geschlüpft. Sie fielen dem überraschten Wolfram und seiner Truppe in den Rücken und – man darf es kaum sagen – warfen sie mit allem Gerät die Südklippen runter. Hinter der Burg, bei der Teufelsnase. Ihr kennt das dort? Ihr wisst, was das bedeutet. Noch Fragen?“

      „Klar! Wo kommt der Gang denn raus?“

      Anke Rufus machte ein geheimnisvolles Gesicht und blickte Timo ernst in die Augen. „Ich vermute,“ sagte sie langsam, „im Keller von Direktor Zuffhausen.“

      Es dauerte eine Weile, bis die ersten grinsten.

      „Und nun ab mit euch in die Pause. Aber nicht bis Montag früh!“

      Meinhardt der Dicke verdrehte die Augen. Ja damals! Da hatten sie sich durch den Berg gewühlt. Und dann erging's dem Wolfram schlecht!

      Und heute? Hing er in der Knittelsteiner Ahnengalerie! Und blickte hinunter auf diese Göre, die ihm neulich drei schwarze Haare in jedes Nasenloch gemalt hatte. Beim verklemmten Visier! Da rannte sie schon wieder die Galerie entlang. Streckte ihm die Zunge raus und verschwand in der Wendeltreppe zum Burgturm.

      Jubiläum

      Montag, 14. April, Punkt 10 Uhr. Rathaus Bresel.

      Bimmelebimmelebim! Die goldene Rathausglocke in der Hand von Bürgermeister Aloisius Schwobenhammer läutete die letzte Sitzung des Stadtrats vor der Osterpause ein. Versammelt hatte sich die komplette Bürger-Partei-Bresel. BPB. Allesamt alteingesessene Breselner und stolz darauf, viel für das Ansehen der Stadt geleistet zu haben. Zum Beispiel Bäcker Blume, der neben Schneider Böck saß und sorgfältig die Mehlreste aus seinem Anzug klopfte. Frisör Fernandel betrachtete missbilligend die Glatze von Sparkassendirektor Schönemann, die sich unter wenigen nassgekämmten Haaren zu verstecken versuchte. Martina Dall vom Dalli-Markt schäkerte mit Fridolin Rausch vom Kaufhaus Rausch. Der alte Todd Emmerich saß etwas abseits und kämpfte mit dem Schlaf. Der Totengräber von Bresel musste seit langem schon alle Nachtwachen selbst übernehmen. Es hatte sich einfach niemand gefunden, der in sein Geschäft einsteigen wollte.

      Die Versammlung wartete gespannt auf die Rede des Bürgermeisters. Und das hatte seinen Grund. Aloisius feierte im letzten Jahr seinen 65. Geburtstag und war – wie er nicht müde wurde zu betonen – nur noch bis Oktober im Amt. Dann würde er seinen Posten für einen Jüngeren räumen. Das hatte eine gewisse Unruhe im Stadtrat ausgelöst. Bürgermeister zu werden, das lockte so manchen. Aber bis Oktober floss noch viel Wasser den Breselbach hinunter.

      Zu Aloisius' Linken saß seine rechte Hand Radolf Müller-Pfuhr, langjähriges Mitglied der BPB, Kassenwart und Protokollführer. Nicht anwesend heute Radolfs Frau Agathe, der weibliche Teil der BPB. Mal abgesehen von Frau Dall.

      Bimmelebimmelebim! Aloisius Schwobenhammer schwang die goldene Glocke und Ruhe kehrte ein.

      „Meine Dame, meine Herren!“ Er ließ seinen grauen Blick unter den buschigen Augenbrauen von einem zum andern wandern. „Wie ich sehe sind wir nahezu vollzählig. So wenden wir uns …“, er drehte seinen Kopf zu einer beschrifteten Tafel an der einzigen fensterlosen Wand des Saals, „… wenden wir uns einer neuen Aufgabe zu.“

      Oben auf der Tafel stand in handgroßen LetternJUBILÄUM.

      Einige Gesichter zeigten unverhohlene Enttäuschung. Das klang nicht nach Vorschlägen für einen Bürgermeisterkandidaten. Aloisius Schwobenhammer, der seine Breselner nur zu gut kannte, zögerte höchstens einen Wimpernschlag, um dann ungerührt fortzufahren.

      „Wie Sie wissen, wird unsere schöne Stadt in diesem Jahr eintausend Jahre alt.“

      Zaghaftes Kopfnicken.

      „Und Burg Knittelstein ebenfalls.“

      Leises Gemurmel.

      „Ich habe mich bereits mit Baronin Tusnelda von Knittelstein-Breselberg in Verbindung gesetzt.“

      Vereinzeltes Stühleknarzen. Bäcker Blume hüstelte eine Mehlwolke.

      „Und wir schlagen für die Jubiläumsfeierlichkeiten das erste Wochenende im Mai vor. Irgendwelche Gegenstimmen?“

      Die Sonnenstrahlen, die durch die bleiverglasten Rathausfenster fielen, begleiteten die Staubflöckchen, bis sie auf den geschlossenen Augenlidern von Todd Emmerich zu liegen kamen.

      Schweigen.

      „Radolf, schreib ins Protokoll: Jubiläumsfeiern Anfang Mai. Keine Gegenstimmen. Wir benötigen ein fünfköpfiges Festkomitee. Ich bitte um Handzeichen.“

      Als die Versammlung das Rathaus verließ, legte Aloisius seinen Arm um Radolfs Schultern und dirigierte ihn über den Marktplatz zum Kunibald-Brunnen. Ritter Kunibald glänzte in der Frühlingssonne. In seiner rechten Faust reckte sich siegesgewiss die eiserne Lanze, um deren Schaft sich eine zierliche goldene Schlange ringelte, die gespaltene Zunge angriffslustig vorgestreckt. Der Bürgermeister hielt diesen Ort für geeignet, ein paar vertrauliche Worte an seinen Parteikollegen zu richten.

      „Radolf“, sprach er, „wir kennen uns nun schon viele Jahre. Und wie du weißt, trete ich am 19. Oktober ab.“ Er zog die Augenbrauen hoch und blinzelte verschwörerisch. „Und so ein Bürgermeisteramt bedeutet nicht nur Arbeit. Es hat auch seine angenehmen Seiten. Denk mal darüber nach. Und mach den Mund zu.“

      Sprach's und ließ den verdutzten Radolf in der Vormittagssonne stehen.

      Als die Glocken von Sankt Urban elf schlugen, rieb sich Radolf Müller-Pfuhr die Augen und eilte zu seiner Kehrmaschine. Die Neuigkeit musste so schnell wie möglich mit Agathe besprochen werden. Er sprang hinters Lenkrad, und bald ruckelte das leuchtend orange lackierte Gefährt los, auf dessen Rückfront in breiten Buchstaben STÄDTISCHE MÜLLABFUHR zu lesen war. Denn Radolf war Angestellter der Stadtreinigung und ritt tagein tagaus auf seinem Kehrdrachen durch die Straßen. Jetzt führte ihn sein Weg durchs Augsburger Tor, die Breselner Landstraße hinaus, am Dalli-Markt, an der Feuerwehr und der Polizeiwache vorbei, bis zum Haus Nummer 153, wo er rechts ran fuhr und parkte.

      Radolf Müller und Agathe Pfuhr hatten die Nummer 153 vor Jahren erworben. Sie hatten ganz modern mit Doppelnamen geheiratet und keine Kinder bekommen. (Was manche Nachbarn für ein Glück hielten. Für die Kinder.) Radolf fuhr jeden Morgen den Müll. Agathe beschäftigte sich. Im Haus, im Garten, im Rosenzüchterverein. Ihre wahre Hingabe galt jenen duftenden, dornigen Blumen. Besonders den violett-weiß gefüllten vor dem Küchenfenster, die – nun ja – vor nicht allzu ferner Zeit deutlich gelitten hatten.

      Vor einem Jahr hatten die Müller-Pfuhrs sich Untermieter ins Haus geholt, die das erste Stockwerk und das Dachgeschoss bewohnten. Franziska und Ferdinand Fesenfeld. Mit Jan, elf Jahre, Lotte sieben und Jonny muntere

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