Die hohle Schlange, das Labyrinth und die schrecklichen Mönche von Bresel. Gerhard Gemke
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die hohle Schlange, das Labyrinth und die schrecklichen Mönche von Bresel - Gerhard Gemke страница 7
„Der schräge Oskar“, flüsterte Freddie noch einmal.
Jan machte wieder sein Schauspielergesicht. „Auf der Suche nach dem verlorenen Schatz von Knittelstein!“
„Pssst!“
Die Jungs duckten sich hinter die Äste und hielten den Atem an. Sie hatten gehörigen Respekt vor dem schweigsamen Alten. Langsam kam er näher. Das Laub raschelte unter seinen Wanderstiefeln. Leise summte er ein Lied. Knapp vor der Eiche hielt Oskar an. Drehte sich halb im Kreis und musterte die Baumstämme. Wenige Meter über ihm presste sich Jan mit Daumen und Zeigefinger die Nasenlöcher zu.
Ein vorwitziges Eichhörnchen sauste den Stamm hoch, bis es Freddies Turnschuhe bemerkte. Oskar Sievers hob den Kopf gerade so weit, dass das Tierchen unter seiner Hutkrempe erschien. Wenige Zentimeter noch, und Freddies Quadratlatschen würden ihm ins Bild hängen.
Das Eichhörnchen beäugte einige lange Sekunden die merkwürdigen neuen Baumbewohner. Dann sprang es an ihnen vorbei in die Krone. Jetzt hat er uns gleich, dachte Jan. Doch Oskars Hut senkte sich. Der alte Heimatforscher hatte seinen Knochen genug Pause gegönnt und nahm seine Wanderung zur Burg wieder auf.
Als die Jungs wenig später um die Fischteiche herum schlenderten, kam Jan noch einmal auf die Müller-Pfuhrs zu sprechen. Seine Eltern verstanden sich gar nicht mit den Vermietern. Die hatten an allem was auszusetzen. Mal war das Treppenhaus nicht ordentlich gewischt, dann krähten die Kinder zu laut und meistens zur falschen Zeit, und im Vorgarten spielen durfte eh niemand. Wegen Agathes kostbaren Rosen.
„Naja“, grinste Freddie, der die Geschichte mit der Schultasche kannte. Aber Jan war in diesem Punkt längst das Lachen vergangen. Das Donnerwetter seiner Mutter war nicht von Pappe gewesen. Und nachher hatte der Familienrat getagt. Auf Dauer gab es nur eins: Die Müller-Pfuhrs oder wir.
Den weiteren Weg schwiegen sie. Als die Fischteiche umrundet waren, lenkten sie ihre Schritte, ohne dass es einer Verabredung bedurfte, an der Grundschule vorbei Richtung Eisdiele Favretti. Lisas Vater hatte immer eine Kugel für sie übrig.
Tags drauf waren alle Ratten tot. Im Keller von Haus Nummer 153 an der Breselner Landstraße.
Agathe Müller-Pfuhr hatte drei Versuche gebraucht. Zuerst mit Schwarzbrot, dann mit Weißbrot. Mit Rosinenstuten hatte es dann geklappt. Ganz schön wählerisch, die Biester. Agathe hatte das süße Brot gewürfelt, mit dem roten Saft aus dem kleinen Fläschchen beträufelt, und die Bröckchen im Keller verteilt. Und die verflixten Ratten hatten sie genussvoll verspeist. Mmh, lecker! Vierundzwanzig Stunden später: Aargh! Tot! So kann's gehn!
Nett von Agathe wäre nun gewesen, den Keller für die Kinder wieder frei zu geben. Zum Beispiel zum Verstecken spielen. Doch Agathe war nicht nett. Und auch darüber war Agathe sehr zufrieden!
Burgfest
Es kamen die Ostertage. Bürgermeister Schwobenhammer wurde 66, und kurz darauf trieb der erste Mai mit strahlendem Sonnenschein die Breselner Bürger ins Grüne. Die ganze Stadt summte wie ein Bienenkorb und bereitete sich auf das kommende Wochenende vor. Auf die Tausend-Jahr-Feier von Stadt und Burg und das große Fest auf Knittelstein, zu dem alle Breselner geladen waren.
Freitag, 2. Mai.
Die Sonne lachte über dem Breselner Land. Alles war auf den Beinen, hatte sich herausgeputzt und flanierte mit frischgewaschenen Gesichtern zur Sankt-Urban-Kirche. Am Portal winkte Pastor Ambros Himmelmeyer seine Schäfchen ins geweihte Gewölbe.
Vorne im Westchor hatte schon das spärliche Trüppchen der Sankt-Florian-Mönche Platz genommen. Abt Florestan blinzelte mit altersmüden Augen zur Apsis empor. Bruder Bramsch mit der Narbennase und der kleine Bruder Girsch spielten Schiffeversenken unter der Betbank. Der Koch Bruder Schorff steckte dem Kellermeister Bruder Klumpp eine Packung Zigaretten zu. Für danach. Der breite Bruder Bankratz schlief.
Nun betrat die Knittelsteiner Baronenfamilie das Kirchenschiff. Tusnelda mit turmhoch toupiertem Haar am Arm ihres Gatten Eduard. Dicht gefolgt von Jo mit langem dunklen Zopf, quietschrosa Rüschenkleid und einem Ich-ertrage-das-alles-ohne-mit-der-Wimper-zu-zucken-Blick. Dahinter im mausgrauen Kostüm Fräulein Sibylle von Oelmütz. Selbstverständlich nahmen sie in der erste Reihe Platz. Rechts. Die war für sie reserviert, wie schon für alle Knittelsteiner zuvor.
Die zweite Reihe füllten Bürgermeister Aloisius Schwobenhammer, seine Frau und die zwei erwachsenen Töchter. Nebendran Agathe und Radolf Müller-Pfuhr. Radolf mit kecker Fliege unterm Kinn und einem strahlenden Lächeln darüber. Jeder sollte sehen, wer neben dem Bürgermeister sitzen durfte.
Der Rest der rechten Bankreihen war grün. Grüne Hosen, grüne Jacken, grüne Mützen mit grünen Plastikeichenblättern: Sankt Luitprand, die Schützenbruderschaft von Bresel. Und ihre Frauen in den Reihen dahinter.
In der letzten Bank auf der äußersten Kante hockte Friedrich Morchel, schneuzte sich die Triefnase und winkte den Heiligenbildern zu. Ehemaliger Schnapsbrenner und in Bresel bekannt und beargwöhnt als der alte Fritz.
Pastor Himmelmeyer ließ seinen Blick durch das barocke Kirchengewölbe gleiten. Auf der linken Seite ganz vorn, brav und mucksmäuschenstill die Klassen eins bis vier der Friedrich-von-Spee-Grundschule. Dahinter die Unterstufe des Adalbertinums.
In Klasse 5b stieß Freddie Jan in die Seite und flüsterte: „Guck mal, die Grafen!“
„Quatsch, das sind Barone.“
Lisa kicherte: „Hat die aber ein bescheuertes Kleid an.“
„Pssst!“ Das war Anke Rufus, die ihre Schüler von der allerbesten Seite präsentieren wollte. Also ebenfalls mucksmäuschenstill.
Die folgenden Bankreihen ertrugen einen ungeordneten Haufen Schüler höherer Klassen unter den wachsamen Augen von Direktor Zuffhausen. Vier Vincentinerinnen vom Vincenzkrankenhaus versteckten sich dahinter. Eine weitere Reihe füllte sich mit den Betreibern der besten Eisdiele weit und breit. Annamaria und Giacomo Favretti und ihre bereits volljährige Tochter Franka, neben die sich Elfriede Sievers (wie immer im braunen Kamelhaarmantel) und ihr Oskar pflanzten. Die Damen-Doppelkopfrunde Hilde Pomsell, Ludmilla Reisich, Martina Dall und Monika Ziehar rutschte neben Sparkassendirektor Schönemann und Kaufhausbesitzer Fridolin Rausch. Dahinter mit leicht angestrengter Miene Hauptkommissar Franz van der Velde und mit leicht abwesendem Blick auf den Hinterkopf von Franka Favretti sein Assistent Hinrich. Es folgten noch ein paar Reihen Eltern und sonstige Breselner. Den Abschluss bildeten traditionsgemäß die Vertreter der Handwerksberufe. Frisör Fernandel, Bäcker Blume, Schneider Böck und Totengräber Todd Emmerich, dem wie üblich die Augen schon zufielen, sobald er seinen betagten Rücken an die Kirchenbank lehnte.
Alle da? Dann konnte es ja losgehen. Pastor Ambros Himmelmeyer schloss die Kirchentür und gab dem Herrn Bächle einen Wink. Der griff in die Tasten der Sankt-Urban-Orgel und stimmte jenes herzerweichende und augenbefeuchtende Kirchenlied an, in das die versammelte Gemeinde mit Wonne einfiel: Wir sind nur Gast auf Erden und wandern ohne Ruh der ewigen Heimat zu.
Nach anderthalb Stunden hatten die Breselner genug fürs Seelenheil getan. Die Schützenkapelle nahm im Mittelgang Aufstellung, spielte den berühmten Breselner