Kuckucksspucke. Gloria Fröhlich

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Kuckucksspucke - Gloria Fröhlich

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„Geh’ ihm aus dem Weg, er hat nichts Gutes im Sinn.“

      Und Line wusste, dass nichts Gutes im Sinn etwas Böses im Sinn war, und wurde ängstlich. Trotzdem blieb sie neugierig wegen des Unterhosenspiels, dass sie nicht zu Ende gespielt hatten. Line wollte um ihn einen großen Bogen machen, aber dazu kam es nicht, denn der Unhold war wie vom Erdboden verschluckt. Er traute sich kaum noch aus dem Haus.

      „Gottes Mühlen mahlen langsam, aber gerecht“, sagte drei Wochen später die Großmutter mit einer Genugtuung in der Stimme, die Line bei ihr so noch nicht gehört hatte.

      Der geächtete Unhold war tot!

      Er war nach einem Unfall mit seinem Fahrrad an der schweren Verletzung seiner Halsschlagader verblutet. Seine Helfer hatten ihm aus Verzweiflung noch eine Handvoll Heu auf die sprudelnde Wunde gepresst, weil nichts anderes da war. Aber das Blut hatte die Weide unter ihm unaufhaltsam, dunkelrot getränkt und ihn leblos und weiß wie ein Bettlaken zurückgelassen.

      Line war von seinem Ableben wenig beeindruckt, insgeheim aber freudig erregt, weil sie wieder mit einem Begräbnis rechnen konnte. Doch Fritz wurde an einem Vormittag beerdigt, während Line in der Schule saß. Lüder fehlte an diesem Tag, und Line wusste, wo er sich aufhielt, war ein wenig neidisch und vermisste ihn.

      Sie ging gern in die mit Kindern prallgefüllte Dorfschule, die auf einem großen, sandigen Schulhof stand. Und Line musste weit laufen, um zu dem riesigen, schwarzen Bretterverschlag zu gelangen, hinter dem sich die Plumpsklos, getrennt für Jungen und Mädchen, befanden, die schon von weitem fürchterlich stanken. In der Schule gab es vier große, helle Klassenzimmer. Von einem ging es durch eine breite, hohe Doppelglastür in den Lehrmittelraum, der stets abgeschlossenen war. Dort befanden sich einige verschieden große Gläser, in denen Gruseleien zur Ansicht in Spiritus schwammen. Eine verstorbene, giftige Kreuzotter und zum Vergleich eine harmlose Blindschleiche. Und ein nacktes Mausebaby, erschütterte immer wieder die Mädchenseelen.

      Unter anderem schockten auch das menschliche Skelett, das in der Ecke stand und die unterschiedlichen Greifvögel, ein Eichelhäher, eine Eule und eine Menge kleiner Nager, die ausgestopft und aus blanken Glasaugen starrend, auf dicken Zweigen und lackierten Holzbrettchen saßen.

      Die Landstraße hieß für Line nun schon lange auch „mein Schulweg.“

      Was Line in der Schule nicht gefiel, dass war das wüste Gerangel und das Schubsen der Kinder auf dem Schulhof in den Pausen.

      Ein einziges Mal hatte sie allen Mut zusammengenommen und einfach mal mitgeschubst und mitgerangelt, war dabei aber widerwillig in einen Pulk wild agierender Jungen geraten und bekam einen heftigen Faustschlag in den Magen, dass ihr Hören, Sehen und für entsetzliche Augenblicke das Atmen verging.

      Seitdem stand sie immer etwas abseits, sozusagen in Sicherheit.

      Aber das, wovor Line sich inzwischen zu schützen versuchte, geschah eines Morgens dann doch. Obwohl sich alle Kinder morgens nach Klassen sortiert in ordentlichen Reihen vor der großen Schultür aufstellen mussten und keinen Laut mehr von sich geben durften, bis der Lehrer mit strengem Gesicht und dem Blick auf seine Taschenuhr und dann auf seiner schwarzen Trillerpfeife das Signal gab, in die Klassen zu marschieren, wurde gleich wieder auf dem Flur, außer Sichtweite des Lehrers, gedrängelt und geschubst, und Line konnte nicht verhindern, dass sie zwischen die Großen und ihr kleiner Fuß unter den schweren Lederstiefel eines der rempelnden Jungen geriet.

      Von den nachfolgenden Kindern wurde sie unaufhaltsam vorwärts gedrängt.

      Line biss vor Schmerzen die Zähne zusammen, um nicht laut zu schreien.

      Doch dann schossen ihr die Tränen in die Augen.

      Ihr Fuß war ein einziger, brennender Schmerz!

      Verzweifelt suchte sie nach einer Möglichkeit, aus dem Pulk herauszukommen und erreichte schließlich humpelnd ihren Platz.

      Line weinte lautlos in sich hinein und hinunter zu ihrem Fuß.

      Der Schmerz ließ langsam nach und wurde dann von einer pochenden Wärme durchflutet.

      Aber die Tränen!

      Line weinte und weinte und wurde mehr und mehr von einer grenzenlosen Traurigkeit ergriffen, die nichts mehr mit ihrem Fuß zu tun zu haben schien.

      Ihr Kummer war nicht zu bremsen, und das alles noch völlig unbemerkt von Frau Beutel, der Lehrerin, kein Wunder, bei so vielen Kindern.

      Erst als es Line schüttelte, als sie gequält schluchzte und Hanna gerufen hatte: „Line weint“, wurde Frau Beutel auf sie aufmerksam.

      Schnell stand sie neben ihr.

      Frau Beutels mitfühlende Frage brachte Line nun noch mehr aus dem Gleichgewicht und verschlimmerte ihren Zustand sogar noch.

      Die große Sorge der Lehrerin war nicht zu überhören.

      „Warum weinst du, was ist los, tut dir etwas weh?“

      Dabei strich sie Line beruhigend über den Kopf, nahm sie an die Hand und mit sich nach vorn zu ihrem Stuhl neben dem Pult.

      Sie setzte sich und zog Line auf ihren Schoß.

      Alle Blicke waren nun auf sie und Frau Beutel gerichtet.

      Und Line befand sich jetzt wieder mal in einer „Situation.“

      Frau Beutel wiederholte ihre Frage noch einmal betont leise und ziemlich nah an Lines Ohr.

      Der Tritt auf ihren Fuß war nun schon eine ganze Weile her.

      Sie spürte nur noch die anhaltende Wärme und konnte doch jetzt unmöglich sagen, dass ihr ein großer Junge vor einer Ewigkeit mit seinem schweren Stiefel auf den Fuß getreten hatte.

      Kein Mensch würde deswegen jetzt noch heulen.

      Wie stünde sie denn da?

      Jetzt ging es einzig und allein darum, das Gesicht zu wahren und nicht als wehleidige Heulsuse ausgelacht zu werden.

      Und deshalb musste ihr jetzt rasch etwas einfallen.

      Etwas, das schockte und so richtig schlimm war und Grund genug für viel Mitleid, um ihre Heulerei zu rechtfertigen.

      Am besten eine richtige Krankheit, dachte Line.

      Und ihr fiel etwas ein.

      Dazu holte sie ganz tief Luft, hielt den Atem an, legte den Kopf mit schmerzverzerrtem Gesicht ein wenig auf die Seite und hob die Hand an die Stirn, um zu demonstrieren, wie katastrophal ihr gesundheitlicher Zustand war.

      Die andere Hand sackte kraftlos auf die Brust.

      Und nun klagte Line mit nur noch einem Hauch von einer Stimme über „starke Herzschmerzen.“

      Frau Beutel riss die Augen auf.

      „Herzschmerzen, du hast Herzschmerzen?“

      Sie stellte Line neben sich, ohne sie loszulassen und wurde hektisch, als galt es, bloß keine Zeit zu verlieren. Frau Beutel hatte ein besorgniserregendes Gesicht, und in der nächsten Sekunde schien sie sich an die „Erste Hilfe für ganz schwere Fälle“

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