Kuckucksspucke. Gloria Fröhlich

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Kuckucksspucke - Gloria Fröhlich

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hinter der wenig später ein Geräusch zu hören war.

      Die Tür wurde von Fräulein Feurig nur einen winzigen Spalt weit geöffnet.

      Line wurde von aufmerksamen Augen gemustert.

      Und ohne abzuwarten, ob Fräulein Feurig wissen wollte, was denn los wäre, weinte Line zaghaft und flehentlich in den Türspalt hinein und bat schluchzend um ein neues Püppchen, ihres läge zerbrochen auf dem Steinfußboden in der Küche.

      Nun flog die Tür ganz auf.

      Line erwartete aufgrund dieses Ungestüms, Arme voller Trost und viele verständnisvolle Worte für ihr großes Unglück und erschrak heftig, als aus dem lieben und netten Fräulein Feurig eine blutleere, keifende Furie wurde, die die Hände in die Hüften stemmte, die Stirn zu einem Waschbrett wellte und Line anfunkelte.

      Ihr schmaler Mund öffnete sich zu einer finsteren Ritze, aus der es zischte:

      „Ein neues Püppchen?

      Du willst ein neues Püppchen haben?

      Einfach so?

      Von mir?

      Nein, nein, nein, das bekommst du nicht!

      Hast du mir nicht gerade eben noch hoch und heilig versprochen, dass du auf deine Puppe aufpassen wirst?“

      Line nickte heftig mit dem Kopf und starrte das Fräulein fassungslos an.

      Dann schwiegen beide, und Line sah, dass sich über Fräulein Feurigs Gesicht eine große Wehmut legte, die sie jetzt ganz milde erscheinen ließ und hörte sie gepresst flüstern:

      „Ich habe damals auch nicht auf meinen Vater gehört und eine Puppe zerbrochen.

      Er hat gesagt, ich wäre zu dumm, um mit den Puppen zu spielen und auf sie aufzupassen.“ Nun wurde ihre Stimme noch leiser, sie wirkte sehr traurig, und ihre Augen sahen durch Line hindurch, als sie hauchte:

      „Und er nahm sie mir alle weg.

      Ich durfte niemals mehr mit ihnen spielen, niemals mehr, verstehst du?“

      Und ohne Line noch eines Blickes zu würdigen, schloss Fräulein Feurig sehr langsam und leise die Tür.

      Ratlos stand Line auf der Fußmatte.

      Die Tränen liefen über ihr Gesicht. Und als sie die grausame Unabänderlichkeit ihres Unglücks begriff, legte sich ein dunkler Schleier über sie, unter dem sie sich dann den Rest des Tages in Bitterkeit verkroch.

      Lines Verhältnis zu Fräulein Feurig war seitdem ganz erheblich gestört, während Fräulein Feurig ihr weiterhin sehr zugetan und fest davon überzeugt war, dass Line durch sie etwas für ihr Leben gelernt hatte.

      Als Frau Mu von Lines Kummer und der Aussichtslosigkeit, ein neues Püppchen von Fräulein Feurig zu bekommen, erfuhr, rührte sich in ihrer Brust das für sie typische, tiefe Mitgefühl für Lebewesen jeglicher Art in physischer und psychischer Not.

      Ihrem Großmut verdankte Line dann eines Tages den Puppenwagen aus einem engen Weidengeflecht mit klappbarem Verdeck und großen Holzrädern, der für sie abgegeben wurde. Für die hässliche Puppe, die Birte ausrangiert und Line überlassen hatte, war darin überhaupt kein Platz, weil in ihm zu Lines Überraschung schon eine Puppe lag. Aber die hatte nichts von der Schönheit der zerbrochenen Erinnerung, die Line nicht losließ, sondern war ein etwa dreißig Zentimeter langes, ganz erbärmliches, bleiches Geschöpf ohne Hals und Taille, für das ein geripptes Unterhemd mit Grauschleier hergehalten hatte.

      Frau Mu hatte sich ganz gewiss Mühe gegeben, was ihre Fingerfertigkeit bezüglich der Herstellung einer gelungenen Nadelarbeit betraf.

      Ihre Unfähigkeit, ordentlich sticken zu können, gab der Puppe jedoch ein außerordentlich ausdrucksstarkes, aber auch sonderbares Gesicht. Die aus hellblauem Perlgarn knüddeligen und unterschiedlich großen Augen auf unterschiedlicher Höhe, gaben ihr sogar etwas Liederliches und schauten unter den zotteligen Augenbrauen durch Line hindurch.

      Für den schiefen Mund schien es nichts zu lachen zu geben, und an ihrem wackeligen verbeulten Kopf, der Watteklumpen zum Inhalt haben musste, hingen rechts und links aus dunkelbraunen Stoffresten feste, dünne Zöpfe.

      Line schaute die Puppe an und empfand absolut nichts für sie.

      Deshalb bekam sie auch keinen Namen und wurde lediglich als Füllmaterial für den Puppenwagen betrachtet.

      Für dieses arme Wesen gab es auch nur ein einziges Kissen mit einem blauen Tintenklecks. Aber obwohl Line die Puppe nicht lieben konnte, überlegte sie, was wohl besser wäre, sie mit dem Kissen zuzudecken oder weich darauf zu lagern.

      Und dann wurde das arme Ding über das holprige Kopfsteinpflaster um das große Rondell, auf dem der prächtige, uralte Rhododendron wohnte, geschoben, immer und immer wieder.

      Und eines Tages, der Himmel hing in cremiger Weichheit über dem verträumten Garten, beobachtete Frau Mu das ratternde Geschehen auf dem Kopfsteinpflaster und rief besorgt: „Deine arme Puppe wackelt sich ja zu Tode!“

      Line schaute auf das Elend unter dem Tintenkleckskissen und erwiderte völlig emotionslos und achselzuckend:

      „Die war schon immer tot.“

      Und Frau Mu stand mit hängenden Armen und einem dermaßen unglücklichen Gesicht da, als hätte man über ihr einen Eimer eiskaltes Wasser ausgeschüttet.

      8. Kapitel

      Line besuchte Frau Mu häufig in ihrer großen Küche. Die beiden hohen Sprossenfenster zum Hof, füllten den Raum mit so viel Licht, dass es keine dunklen, geheimnisvollen Ecken gab. Die blanken Kupfertöpfe hingen an langen Haken über dem Herd, und es duftete meistens nach gebratenem Fleisch oder frisch gebackenem Brot. Line bekam hin und wieder eine Scheibe davon, die Frau Mu sorgsam mit Sirup bestrich, der so braun war, wie Jauche.

      Line kannte auch die winzige Küche von Fräulein Feurig mit dem viel kleineren Fenster zum Obstgarten, dessen knorrige Apfelbäume von dort oben wie auf die Hälfte geschrumpft aussahen. Bei Fräulein Feurig bekam Line immer ein halbes Glas Wasser aus einer geriffelten hellblauen Porzellankanne und manchmal ein Stück Würfelzucker aus einer runden Pappschachtel, die Fräulein Feurig in einem kleinen Schrank aufbewahrte, zu dem sie sich hinunter bücken musste, um ihn zu öffnen.

      Aber die dunkle Küche, in die das tote Huhn verschleppt worden war, betrat Line nur noch ein einziges Mal.

      Das war an einem regnerischen Nachmittag, als die Tür zum Hof offen stand.

      Fritz, Lüders Cousin, lehnte am Türrahmen.

      Line beachtete ihn nicht und schlenderte über den Hof, als er sie ansprach.

      Darüber wunderte sie sich, denn er würdigte sie sonst keines Blickes.

      Und nun stellte er merkwürdige Fragen, auf die sie gar nicht antworten wollte.

      Für Line war er noch kein richtiger Erwachsener.

      Er war aber auch kein Junge mehr, weil er die Schule schon

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