Kuckucksspucke. Gloria Fröhlich

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Kuckucksspucke - Gloria Fröhlich

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betont langsam und beinahe singend:

      „Das sind Puppen, wundeschöne, kleine Puppen!“

      Mit behutsamer Zärtlichkeit nahm sie eines der kleinen Lumpenbündel aus dem Karton und wickelte es unter Lines neugierigen Blicken viel, viel zu langsam aus.

      Voller Erwartung sah Line auf die verschmelzenden Bewegungen der Finger, aus denen das fusselige Papier zu Boden fiel und in denen jetzt eine kleine Puppe lag, die langsam vom Bauch auf den Rücken gedreht wurde.

      Line schaute gebannt auf das wunderschöne Spielzeug.

      Und dann machte ihr Herz einen Freudensprung, als sie Fräulein Feurig wie im Traum sagen hörte: „Ich möchte dir eine von diesen Püppchen schenken, ja, du darfst dir eine aussuchen. Mit diesen Puppen habe ich schon als Kind gespielt.“

      Für Line wurde die alte, grauhaarige Lehrerin im Ruhestand in wenigen Augenblicken zu einer wunderschönen Glücksfee.

      Sie war vor Freude wie von Sinnen, schon bald im Besitz einer der Püppchen zu sein. Fräulein Feurig packte nun mit stoischer Ruhe alle Bündelchen aus und legte eine Puppe nach der anderen vor sich auf den Fußboden, bis sie alle der Länge nach nebeneinander dalagen, eine schöner, als die andere.

      Line hockte sprachlos neben Fräulein Feurig vor dieser Puppenfülle und wusste nicht, wo sie zuerst hinsehen sollte. Es gab ganz kleine, kleine und größere Püppchen, aber keine war größer als die Hand von Fräulein Feurig.

      Einige hatten weiße Stoffkörper und ebensolche Oberschenkel und –arme, an denen wacklig Unterarme und Unterschenkel aus mattem, weißem Porzellan hingen.

      Andere waren ganz und gar aus diesem Material.

      Aber alle hatten etwas gemeinsam.

      Sie waren nackt und schauten mit blauen Augen geradewegs hinauf zu den dicken Dachbalken und den mit Zement verschmierten „Dachpfannen von hinten.“

      Sie hatten kleine, verschwiegene, rote Münder, blassrosa Wangen, und auf ihre Köpfe

      waren mit zartem Pinselstrich einige wenige hellbraune Haare gemalt worden.

      „Na, welche möchtest du haben?“

      Fräulein Feurig hatte die Frage für ihre Verhältnisse ausgesprochen lebhaft gestellt, so, als gäbe es da nichts zu zögern, und als wäre es ganz einfach, sich augenblicklich zu entscheiden.

      Line ließ sich Zeit, schaute nun noch genauer hin, überlegte, besah erneut mit liebevoll prüfendem Blick eine Puppe nach der anderen, bis ihr Entschluss feststand.

      Und während Fräulein Feurig schwieg und liebkosend und verträumt mit ihren Fingerspitzen über die kleinen, glatten Puppengesichter strich, drückte Line mit ihrem Zeigefinger vorsichtig auf den harten Porzellanbauch ihrer Favoritin und hauchte:

      „Diese, diese möchte ich bitte.“

      Danach hielt sie die Luft an, als befürchtete sie, durch einen einzigen Atemzug aus diesem wunderschönen Traum zu erwachen.

      „Gut“, freute sich Fräulein Feurig.

      Sie lächelte, als sie das Püppchen mit beiden Händen liebevoll vom Fußboden nahm und es in Lines ausgestreckte, geöffnete Hand gleiten ließ, in die es gerade so hineinpasste.

      Das Püppchen fühlte sich kühl an.

      „Pass nur gut darauf auf, es ist aus Biskuit-Porzellan und zerbricht, wenn du es fallen lässt!“ Ein grauenhafter Gedanke für Line.

      Und deshalb hielt sie ihre kleine Porzellanpuppe wie einen kostbaren Schatz fest mit ihren Fingern umklammert und drückte sie an ihr pochendes Herz. Sie platzte beinahe vor Glück, während Fräulein Feurig überaus nachdenklich damit beschäftigt war, die anderen Puppen wieder und sehr sorgsam in das zerlumpte, graue Seidenpapier zu wickeln, das unter ihren Händen fusselte. Sie legte die weichen Bündel zurück in den Karton und verschloss ihn mit dem Deckel. Dann trug sie ihn zurück in die dämmrige Dachbodenecke.

      Line drückte ihr großartiges Geschenk immer noch fest an sich, als sie mit Fräulein Feurig langsam und äußerst vorsichtig den Dachboden über die steile Holztreppe wieder verließ.

      Und während sie Stufe für Stufe hinuntergingen, wiederholte Fräulein Feurig noch einmal eindringlich:

      „Versprich mir, gut auf das Püppchen aufzupassen, tust du das?“

      Und wieder nickte Line, fest entschlossen, ihr Versprechen wirklich zu halten.

      Strahlend vor Glück lief sie zu ihrer Mutter in die Küche, um ihr die kleine Puppe zu zeigen. Und da war dieser Steinfußboden, von dem Line jetzt ahnte, wie gefährlich er in dieser „Situation“ werden könnte.

      Wie einen Feind sah sie ihn an und spürte ihn hart und kalt unter ihren Füßen.

      Sie hielt ihre Hand zu einer festen Faust geschlossen und öffnete sie dann langsam und vorsichtig, damit ihre Mutter die Puppe anschauen konnte.

      „Sieh mal, was mir Fräulein Feurig geschenkt hat“, rief sie freudestrahlend.

      Lines Mutter schaute auf die kleine geöffnete Hand, in der das Püppchen lag.

      Und Line hielt ihre Hand ganz still, schaute ins Gesicht ihrer Mutter und bewegte, ohne es zu wollen, dabei nur ganz wenig ihren Arm.

      Und in diesem Augenblick rutschte die kleine Puppe aus ihrer Handfläche, wie auf einer Rutsche nur wenig auf ihr Handgelenk, aber das so schnell, dass ihre andere Hand, die nach der Puppe griff, an Tempo zu schwach war und sie um Haaresbreite verfehlte!

      Das war der furchtbarste Augenblick in der Beziehung zwischen Line und ihrer kleinen, weißen Porzellanpuppe, als ihre schreckgeweiteten Augen ihr folgten und mit ansehen mussten, wie sie sich kurz in freiem Fall befand, dann hart auf dem Steinfußboden aufschlug und in tausende, kleine, weiße Scherben zerbarst.

      Entsetzter hätte niemand sein können, als Line in diesen Sekunden.

      Fassungslos starrte sie auf das große Unglück vor ihren Füßen und weinte nun herzzerreißend den größten Kummer der ganzen Welt von ganz unten aus ihrem Herzen in die Arme ihrer Mutter, die sie sofort tröstend auffingen und hielten.

      Doch Line war nicht zu trösten.

      Sie weinte und weinte über alle Maßen und wollte sich nicht damit abfinden, was geschehen war. Und während die Tränen über ihr Gesicht liefen, überlegte sie verzweifelt, was sie tun könnte, um nicht an dem Verlust des Püppchens zu sterben, denn danach war ihr.

      Sie hatte jetzt nur noch einen Gedanken, der immer deutlicher zu einem großen Hoffnungsschimmer wurde, weil sie wusste, dass oben auf dem riesigen, staubigen Dachboden noch verschwenderisch viele Porzellanpüppchen in einem Pappkarton lagen, und dass nur eine einzige von ihnen genügen würde, um ihren Schmerz zu ersticken.

      Es gab nur eine Möglichkeit, erneut an ein Püppchen zu kommen.

      Und so befreite sich Line aus den Armen ihrer Mutter, machte auf Zehenspitzen einen großen Schritt über die bleichen Überreste ihres schmerzlichen Verlustes und lief tränenüberströmt zu der Tür, hinter der Fräulein Feurig wohnte und noch

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