Kuckucksspucke. Gloria Fröhlich

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Kuckucksspucke - Gloria Fröhlich

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Jungen hingegen waren voller Respekt und bekundeten das mit einem anerkennenden „Ohuu!“

      Grün im Gesicht und mit der Hand noch fest mit der Mauer verbunden, drehte sich Tim stolz nach seinem Publikum um. Dabei vermied er es sorgsam, sein Knie anzusehen, das jetzt heftig blutete. Das Blut, das als dünner, glänzender Streifen an seinem Bein herunter lief, im Strumpf verschwand und ihn nicht wehklagen ließ, machte ihn zu einem wahren Helden.

      War die Warze jetzt wirklich weg?

      Um das zu ergründen, beugten sich ausschließlich die Jungen über das blutende Knie und stellten laut und deutlich fest, dass es keine Warze mehr gab.

      Doch nun tauchte die nächste Frage auf: „Wo war sie?“

      In die Hocke gegangen, durchwühlten sie das Gras, wobei sie mit hellgrünen Flechten und Moosen umschlossene Stöckchen zu Hilfe nahmen, die der Holunderbusch beim letzten Sturm abgeworfen hatte.

      Als alle Köpfe zusammensteckten und viele Hände und Augen bis hinunter an die Grasnarbe alles gründlich absuchten, war die Warze endlich mit einem Freudenschrei gefunden und auf einem großen Spitzwegerichblatt, blutleer und kaum wieder zu erkennen, zwischen den Jungenfüßen im Gras aufgebahrt worden.

      Tim, noch immer grün im Gesicht, grinste gefasst aber unendlich zufrieden.

      Line und die anderen Mädchen hatten den Ort des Grauens zwar angeekelt, aber mit unsagbar großer Bewunderung für Tims Heldentat, sich das getraut und das Blut und den Schmerz ohne zu jammern ertragen zu haben, längst verlassen.

      Line ging nicht mit ihnen und hatte sich dann mal wieder abgesondert.

      Ihr war der wunderschöne, hellgrüne, samtene Teppich aus Entengrütze wieder eingefallen, den sie Tage zuvor entdeckt hatte. Der Teppich war so groß, dass er den breiten Graben von einem Ufer zum anderen bedeckte. Sie ging rasch ihrem Ziel entgegen und am Ufer des Grabens in die Hocke. Mit großer Ergriffenheit schaute sie auf die Millionen winziger, hellgrüner Blättchen, die dicht aneinandergedrängt keinen Blick auf das dunkle Grabenwasser zuließen, und sie wünschte sich nichts mehr, als diesen Teppich nur einmal ganz wenig mit den Fingerspitzen zu berühren. Doch dabei wagte sie sich zu weit vor, erkannte schnell, dass sie das Gleichgewicht zu verlieren drohte, ruderte noch Hilfe suchend mit den Armen und kippte dann wie in Zeitlupe nach vorn und dann unaufhaltsam mit dem Gesicht voran in die Entengrütze.

      Line spürte staunend, wie sie langsam in dem wunderschönen Hellgrün versank.

      Sofort spürte sie das kalte Wasser, das durch ihre dicke Schafwolljacke über ihre Haut kroch und hörte es in den Ohren glucksen und leise rauschen.

      Mit offenen Augen erlebte sie die alles verschlingende, dunkle Unterwasserwelt, in der sie nichts, aber auch gar nichts erkennen konnte.

      Und ohne sich zu bewegen, tauchte sie dann wieder auf und begann sofort wild mit Armen und Beinen zu strampeln.

      Aus ihrem Mund war kein Laut zu hören.

      Nur eine ordentliche Menge Grabenwasser und mindestens einen gehäuften Löffel voll Entengrütze spuckte sie in weitem Bogen aus. Dann holte sie mit einem tiefen Atemzug Luft, während sie weiterhin alles tat, um nicht wieder zu versinken.

      Aus ihrer nassen Fischperspektive, waren nun schwarze Stiefel zu sehen, die kraftvoll immer wieder von einem Ufer zum anderen sprangen.

      Für Line unbegreiflich, weil sie darin keine direkte Aktion für ihre Rettung erkennen konnte, mit der es doch etwas eilte, wenn sie noch lebend geborgen werden sollte.

      Und während ihre Muskeln erschlafften und sie erneut versank, dabei wieder reichlich Grabenwasser schluckte und über ihr wild hin und her gesprungen wurde, versuchte sie mit letzter Kraft zu überleben und strampelte durch den hellgrünen Entengrützenteppich ebenfalls von einem Ufer zum anderen, nur nicht synchron mit den Stiefeln, so dass es ihrem Retter nicht möglich war, sie mit der Hand, die er immer wieder nach ihr ausgestreckt hielt, zu packen. Die Aussichtslosigkeit, ihrer habhaft zu werden, ohne dass er selbst im Graben landete, ließ ihn barsch nach einer Forke schreien, mit der man Kuh- und Schweineställe ausmistet, die ihm auch umgehend im Laufschritt gebracht wurde.

      Line sah entsetzt auf die langen, spitzen und dreckverkrusteten Zinken der Forke über sich und bekam grauenhafte Angst, entweder durchbohrt oder ertrinkend, jeden Augenblick sterben zu müssen.

      Und wie von ihr befürchtet, kam die Forke näher und näher und spießte sie tatsächlich auf. Sie fühlte deren Aufdringlichkeit an ihrem Rücken, jedoch ohne einen Schmerz zu empfinden, den sie erwartet hatte und der beim Durchbohren ihrer Haut doch nicht ausbleiben würde. Aber ihr Retter hatte mit der Forke geschickt in die groben Maschen ihrer dicken Schafwolljacke gestochen, sie dann wie einen dicken Fisch aus dem Wasser geangelt und eine Winzigkeit lang über dem Graben in die Höhe gehalten.

      Zu ihrem Entsetzen hatte Line ein großes, schwarzes Wasserloch in dem wunderschönen, hellgrünen Entengrützenteppich unter sich gesehen und eigentlich nur deshalb bittere Tränen geweint, während ihr über alle Maßen kalt war, ganz davon abgesehen, dass sie ununterbrochen triefte. Auf den Armen ihres Retters wurde sie dann im Galopp durch den großen Gemüsegarten des Verrücktenheims und unter Frau Mus Obstbäumen hindurch getragen und ihrer Mutter übergeben, die dem Retter über alle Maßen dankte.

      An ihrer Schafwolljacke hielten sich die kleinen, flachen, hellgrünen Wasserpflanzen mit ihren zarten Wurzeln fest und entlockten Lines Mutter mehrere tiefe Seufzer, als sie später versuchte, sie mit den Fingerspitzen aus der Wolljacke zu ziehen, nachdem sie Line trocken gerieben und erst einmal ins Bett gesteckt hatte.

      Die Großmutter hielt den Tod durch Ertrinken nicht für so schlimm, weil das wie ein Rausch sein sollte, beinahe wie ein Traum, aus dem man nicht wieder erwachte, nachdem sie Line in die Arme genommen und bezeugt hatte, wie glücklich sie doch sei, sie noch lebend wieder zu sehen. Und dann sagte sie, dass das Unglück nicht schläft und dass ein Unglück selten allein kommt und dann auch noch, wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um. Und als sie in Lines ängstliches Gesicht schaute, sagte sie schnell, um Line nicht völlig zu verstören, dass alles Schlechte aber immer auch eine gute Seite hätte. Line war dann trotzdem ganz durcheinander.

      Die gute Seite konnte sie überhaupt nicht erkennen. Sie wollte auch nicht darüber nachdenken, welches Unglück denn noch kommen würde. Aber dass sie nicht mehr so abenteuerlustig sein sollte, wie ihr Retter meinte, dass dieses unfreiwillige Bad verhindert hätte, nachdem er sie triefend bei ihrer Mutter abgeliefert hatte, darüber wollte Line nicht mit Tim, aber mit Lüder reden, weil Lüder viel mehr Mitgefühl mit Mädchen hatte und geteiltes Leid halbes Leid ist, wie sie von der Großmutter auch noch in anderer „Situation“ getröstet worden war.

      6. Kapitel

      Line hatte aber auch schon häufig miterlebt, dass Tiere die gleichen Chancen auf so ein Wasserabenteuer hatten und fand es immer sehr aufregend, wenn in der Beziehung irgendwo mal wieder „etwas los war“.

      Das bekam nicht nur sie, sondern alle Kinder schnell mit.

      An solchen Tagen rannte eine Handvoll Männer mit langen Leitern und dicken Stricken über den Schultern in dieselbe Richtung. Manche vor Aufregung schon gleich mit hochrotem Kopf. Auch Line lief dann, meistens an der Hand von Lüder, einfach hinter ihnen her, und dieses Mal auch bis zu einem Graben, in dem ein Schaf zu ertrinken drohte.

      In Line begannen Mitleid mit dem Schaf und wahnsinnige

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