Kuckucksspucke. Gloria Fröhlich

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Kuckucksspucke - Gloria Fröhlich

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sich gleich darauf, wieso die alte Frau wusste, dass sie sich schon Bonbons abgezählt und beiseite gelegt hatte, denn sie streckte sofort die Hand nach den übrigen Bonbons aus und sammelte sie ein.

      Dann war Line sich sicher, dass sie doch noch ein wenig sehen konnte.

      Außerdem, wenn sie wirklich ganz und gar blind war, warum stieß sie auf dem Weg von der Küche bis zum Tresen nirgends an?

      Niemals, niemals hätte Line auch nur einen Bonbon mehr genommen, als ihr zustand und niemals, niemals gab ihr die alte Frau auch nur einen mehr, als sie musste, bevor sie die restlichen Bonbons aus ihrer Faust zurück ins Glas fallen ließ und es mit dem Deckel wieder fest verschloss.

      Die Bonbons versprachen unbeschreiblich sahnige, süße und köstliche Augenblicke, die Line unendlich genießen würde. Sie saß auf dem Steg am Fleet und fühlte, wie weich sie in ihrer Hand wurden und reihte sie auf dem grauen Brett des Stegs nach Farben sortiert auf. Grün stand für Nuss, gelb für Sahne und braun für Schokolade. Sie musste sich zwingen, den, den sie sich jetzt in den Mund gesteckt hatte und der bereits weich an ihrem Gaumen klebte, nicht zu kauen und ihn bis auf das letzte flache Stückchen zu lutschen und sich die Bonbons einzuteilen, jeden Tag einen. Mit diesem Vorsatz sammelte sie sie wieder ein und ließ sie in der Tasche ihres Kleides verschwinden. Sie stand auf, betrat die unterste Stufe der Steintreppe, rutschte weg und verletzte sich das Schienbein bis auf den weißen Knochen. Sie verzog vor Schmerzen das Gesicht und sah dann entsetzt auf den kleinen Hautlappen, der von der messerscharfen Steinkante an dem Schienbein nach oben geschoben worden war. Bei dem Anblick wurde ihr übel. Es blutete nur wenig, tat aber schrecklich weh. Der Sahnebonbon fiel aus ihrem Mund auf die sandige Steinstufe, als sie tief durchatmete, um nicht zu heulen. Trotz des Schmerzes an ihrem Bein nahm sie ihn mit den Fingerspitzen auf, humpelte zurück auf den Steg, bückte sich, wusch ihn im Fleet ab und steckte ihn wieder in den Mund. Dann erreichte sie hinkend den Sommerweg und schlich, jetzt nur noch halb so zufrieden mit sich und der Welt, nachhause. Ihre Mutter kam sofort mit der stinkenden, braunen Flüssigkeit und bückte sich zu ihrem Schienbein hinunter, dem sie den abgeschabten Hautfetzen vorsichtig wieder andrückte, damit er die Wunde verschloss und wieder anwachsen konnte, während Line tapfer den Schmerz aushielt und weiter ihren Bonbon genoss.

      7. Kapitel

      In der Mansarde im Haus von Frau Mu, lebte still und zurückgezogen ein altes, aschfahles Fräulein, das früher als Lehrerin gearbeitet hatte.

      Line kannte nun schon eine alte Jungfer, die keinen Mann gehabt hatte, und von der Großmutter hatte sie mit Bedauern in der Stimme erfahren, dass junge Mädchen, die auch keinen Mann abbekamen, nie Frauen wurden, sondern für immer Fräuleins blieben. Und dass sie großen Wert darauf legten, auch so angesprochen zu werden.

      Und Fräulein Feurig aus der Mansarde, die dem Temperament einer mazedonischen Landschildkröte eher alle Ehre gemacht hätte, als ihrem Namen, trug ihr mannloses Dasein mit betontem Stolz und erhobenen Hauptes.

      Nicht, dass da kein „Anwärter“ gewesen wäre.

      Doch, doch, schließlich sei sie in jungen Jahren ein hübscher Anblick gewesen.

      Aber ihr Entschluss, sich das Problem verheiratet zu sein, zu ersparen, stand schon sehr früh fest, versicherte sie gern immer wieder mit Nachdruck und nicht zu übersehendem eingefrorenem Lächeln. Und damit sie in der Beziehung auch den klaren Durchblick behielt, putzte sie, während sie das allen klar machte, mit einem kleinen, weißen Spitzentaschentuch sehr schwungvoll und ausgiebig ihre Brillengläser.

      Fräulein Feurig hatte Line sehr in ihr Herz geschlossen, griff eines Vormittags nach ihrer Hand und flüsterte: „Komm, ich möchte dir etwas zeigen!“

      Zu Lines Überraschung stieg sie mit ihr tatsächlich, allerdings sehr gemächlich, die Holztreppe zum Dachboden hinauf.

      Das war Line bisher verboten gewesen.

      Und da sie noch nie dort oben gewesen war, erwartete sie mit Spannung, wie es dort aussah, und was es dort zu sehen geben würde.

      Fräulein Feurig drehte den Schlüssel, der in Lines Augenhöhe im Schloss steckte, krachend herum und öffnete die schmale Holztür, die ein gedehntes Wehklagen von sich gab.

      Fräulein Feurig ging ruhigen Schrittes voran und Line folgte ihr zögerlich.

      Und dann tat sich der Dachboden riesig und staubig vor ihnen auf.

      Es war heiß an diesem sonnigen Tag.

      Durch die Dachluken fiel das Sonnenlicht in breiten Strahlen auf die schmalen, dunklen Holzdielen, auf denen unzählige schwarze Astlöcher wie dicke Käfer saßen.

      Line fühlte sich wie in einer anderen, einer geheimnisvollen Welt und wagte nicht, sich auch nur einen Schritt von Fräulein Feurig zu entfernen.

      Neugierig schaute sie nach oben zu den dicken Dachbalken und auf die Dachpfannen „von hinten“. Die sahen genauso aus, wie die in der engen Abseite, die von dem Zimmer ausging, in dem Lines Bett stand, und in der sie nur stehen, sich aber kaum noch bewegen konnte, wenn die schmale Tür geschlossen war.

      Birte hatte sie eines Morgens dort eingesperrt und den Riegel zugeschoben, nachdem Line sich geweigert hatte, von ihr angezogen zu werden. Die winzige Dachluke hatte über ihr genügend Licht hereingelassen, so dass sie sich nicht vor Dunkelheit zu fürchten brauchte.

      Aber den großen Spinnen in den Ecken hätte sie nicht ausweichen können, wenn die auf sie zugekrabbelt wären. Line hatte sich fast zu Tode gegruselt, hatte geschrieen und geweint und mit den Fäusten gegen die Tür getrommelt, damit Birte sie öffnete.

      Gnadenlos hatte die ihre Freilassung davon abhängig gemacht, ihr dann aber das Kleid über den Kopf ziehen zu dürfen, das sie anziehen sollte.

      Line hatte überlegt, was schlimmer wäre, bei den dicken Spinnen eingesperrt zu bleiben oder bei Birtes Methode, ihr das Kleid über den Kopf zu ziehen, dem Erstickungstod anheim zu fallen, dem sie beim letzten Mal gerade noch so entkommen war.

      Die lebensbedrohliche „Situation“, hatte sie noch lebhaft in Erinnerung und Line hatte sich schnell und schluchzend durch die Ritzen der Holztür für die Quälerei mit dem Kopf durch das enge Loch des Kleides gezwängt zu werden, entschieden, als auch nur noch eine Sekunde bei den widerlichen Spinnen zu bleiben.

      Doch nun stand sie voller Erwartung neben Fräulein Feurig auf dem riesigen, heißen Dachboden, während die schmale Holztür hinter ihnen langsam zu, aber nicht ins Schloss fiel.

      Fräulein Feurig ging zwar gezielt, aber als habe sie alle Zeit der Welt, zu einem Stapel brauner und grauer, staubiger Pappkartons in eine Ecke des Dachbodens und nahm den obersten in ihre Hände. Sie balancierte ihn in die Mitte des Dachbodens und pustete mit zusammengekniffenen Augen den Staub von seinem Deckel, der in einem breiten Sonnenstrahl wirbelnd auf- und nieder tanzte.

      Fräulein Feurig stellte den Karton ab, hockte sich davor und winkte Line ohne ein Wort zu sagen, näher zu sich heran. Sie nahm den Deckel von dem Karton, hielt ihn eine Weile in der Hand, um ihn dann in Zeitlupe hinter sich abzulegen. Line war dicht an Fräulein Feurig herangerückt, nahm den Geruch von Kernseife wahr und schaute in den offenen Karton, in dem sie jedoch nichts anderes erkannte, als zerlumptes, graues Seidenpapier, in das etwas eingewickelt war.

      „Weißt du, was ich hier habe?“

      Die Frage wiederholte Fräulein Feurig noch einmal leiser,

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