Aidan und die Meerjungfrau. Albertine Gaul
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„Wir wollen auch an die Küste“, meldete sich Aidan. „Wir nehmen ihr Angebot gerne an.“
„ Schön, dann treffen wir uns hier in einigen Tagen wieder. Bis dahin sollte ich meine Geschäfte abgewickelt haben“, meinte der Kaufmann. „ Wir sehen uns.“ Damit verließ er die beiden hinter dem Tor und verschwand mit seinem Karren in der Menge.
„ Komm, Aidan. Wir besuchen meinen Onkel,“ sagte Caoilte. Er war vom Pferd gerutscht und führte es jetzt durch die Gassen der Stadt. Aidan folgte ihm schweigend und neugierig die Häuser betrachtend. Durch viele Städte war er schon gereist, aber Pimpfort war anders, lebendiger und quirliger. Eine Stadt des Handels und der Handwerker.
Dicht gedrängt standen die Fachwerkhäuser in den Gassen, davor Massen von Menschen. Händler, Soldaten und Handwerker drängten sich durch die Straßen auf der Suche nach einem günstigen Geschäft. Es gab alle Waren, die man sich wünschen konnte und noch viel mehr. Aidan entdeckte feinste Silberwaren, als sie die Gasse der Silberschmiede querten und Stände mit Obst und Gemüse eine Gasse weiter. Aber auch Wolle, Leder, Töpferwaren und exotische Gewürze wurden angeboten.
„ Da hinten ist es“, rief ihm Caoilte über die Schulter zu. „ Nicht mehr weit.“ Er deutete die Gasse hinauf zu einem hohen Backsteinhaus, welches in all dem Fachwerk wie fehl am Platze wirkte. Grüne Türen und Fensterrahmen rundeten das Bild des Hauses ab.
„ Es gibt einen Stall im Hof“, sagte der Krieger. „ Aber zuerst werde ich meinen Onkel treffen. Er müsste im Kontor sein. Komm, Aidan. Binden wir die Pferde vor dem Haus an.“ Die Haustür war offen, so traten sie einfach ein.
Das Innere des Gebäudes wirkte weniger bombastisch wie seine Außenfassade vermuten ließ. Hinter der Tür verbarg sich ein weiß geputzter Flur, durchbrochen nur von verschiedenen Türen. Caoilte klopfte an der ersten an und trat nach kurzem Zögern ein.
Hinter einem Schreibtisch saß ein zierlicher Mann, der mit einem Federkiel in seinen schmalen Händen Eintragungen in ein Buch machte. Vor ihm auf dem Tisch lag eine Reihe von Münzen, die er immer wieder zählte und sie dann in einen dunklen Stoffbeutel verschwinden ließ.
„ Bin ich hier richtig bei der Familie Zwergenbart“, fragte Caoilte und näherte sich zögernd dem Schreibtisch.
„ Richtig! Ich bin Eran Zwergenbart. Was kann ich für Sie tun? Wollen Sie Wolle oder Getreide kaufen?“ Der Mann hatte den Kopf gehoben und musterte Caoilte aus kurzsichtigen Augen.
„ Nichts dergleichen. Ich bin Caoilte Zwergenbart, ihr Neffe. Mein Vater verließ vor Jahren die Stadt um Abenteuer zu suchen. Sie erinnern sich an ihn“, fragte ihn der große Krieger.
„ Oh, ja.- Was wollen Sie genau von mir? Wenn es stimmt, was Sie sagen, hat Ihr Vater sein Erbe verwirkt als er ging.“ Der Kaufmann schob die letzte Münze in den Beutel. „ Es gibt hier nichts zu holen.“
„ Ich will kein Erbe. Ich bin Abenteuer wie mein Vater. Aber ich habe ein Anliegen. Mein Freund und ich sind auf der Reise an die Küste und wir brauchen ein Nachtlager in der Stadt.“
„ Es gibt Herbergen“, wehrte Eran energisch ab. „ Eine ist ganz in der Nähe.“
„ Ich wollte aber meine Familie kennen lernen, von der mein Vater so viel erzählt hat“, sagte Caoilte und hoffte, das Herz seines Verwandten zu erweichen. „ Mir reicht auch ein Platz im Stall.“
„ So viel Platz haben wir nicht!-Aber wartet, ich werde mit meiner Frau sprechen. Sie ist für das Haus zuständig.“ Eran erhob sich und verließ den Kontor durch eine Hintertür in seinem Rücken.
„ Glaubst du, er lässt uns in diesem Haus schlafen“, fragte Aidan.
„ Ich hoffe es. Die Herbergen sind alle voll, denke ich. Du hast die Menschen auf den Straßen gesehen. Es ist Markttag in der Stadt. Nein, wenn nicht hier, dann bekommen wir nirgends einen Platz zum Schlafen.“ Caoilte schüttelte verneinend den Kopf.
„ Mir ist es egal, wir könnten auch weiter reiten“, meinte Aidan, wenig überzeugt von seinen Worten.
„ Nein, die nächste Herberge ist zu weit weg. Ich schlafe auch im Stall, Hauptsache warm und trocken“, antwortete ihm Caoilte energisch.
Kurz darauf erschien der Kaufmann wieder im Kontor.
„ Ihr habt Glück, Verwandter. Mairi, meine Frau hat unter dem Dach noch eine kleine Kammer, die frei ist. Leider müsst ihr euch ein Bett teilen. Ich hoffe, das macht keine Probleme?“
„ Nein, wir können abwechselnd schlafen“, beeilte sich Caoilte erleichtert zu sagen.
„ Nun gut. Dann geht mit meiner Frau. Seid pünktlich zum Abendessen. Ich habe so viele Fragen über meinen Bruder. Wie geht es ihm“, erkundigte sich Eran.
„ Gut. Er lebt mit meiner Mutter auf einem Bauernhof. Ich soll grüßen“, meinte Caoilte.
Hinter dem Kaufmann öffnete sich erneut die Tür und eine ältere, rundliche Frau mit braunen Haaren trat ein.
Eran deutete auf die beiden und bat sie, sie mit nach oben in die Wohngemächer zu nehmen. Mairi nickte und winkte ihnen ihr zu folgen.
Es ging eine steile Treppe hinauf, vorbei an gemütlich eingerichteten Zimmern bis zum Dachboden.
„ Hier ist es“, sagte Mairi und öffnete die knarrende Tür. „ Nichts besonders, aber immer noch besser als draußen zu schlafen.“
Die Dachkammer war winzig und beinhaltete außer einem Bett nichts anderes. Rückwärtig gab es ein kleines Fenster, das zum Hof ging.
„ Ihr habt Recht, Frau Zwergenbart. Ich danke Euch.“ Caoilte verneigte sich.
„ Sagt, Ihr seid wirklich ein Neffe meines Mannes“, fragte Mairi zweifelnd und musterte Caoilte kritisch.
„ Ja. Der Sohn seines Bruders“, antwortete ihr der Krieger freundlich lächelnd.
„ Ich erinnere mich an ihn“, seufzte die Frau. „ Ein stattlicher Mann, so wie ihr. Ihr seht ihm ähnlich, besonders die Augen. Grün wie das Meer.“
„ Danke. Mein Vater sprach nur wenig von seiner Familie. Euch erwähnte er nie.“
„ Wir waren Nachbarn. Damals schwärmte ich für Euren Vater. Es brach mir fast das Herz, als er ging. Dann lernte ich aber Eran kennen und so heiratete ich in die Familie ein. Er ist ein guter Mann, aber nicht wie Euer Vater.“ Mairi lächelte Caoilte traurig an. „Achtet nicht auf meine Worte. Es ist lange her.“
„ Er hätte Euch erwähnen sollen“, meinte der Krieger. „ Schade, dass er es nicht tat.“
„ Euer Vater wusste nichts von meinen Gefühlen. Damals war ich zu schüchtern, sie ihm zu gestehen. Sagt ihm bitte nichts davon, ja“, bat die Frau eindringlich.
„ Versprochen“, antwortete Caoilte.
Mairi ließ die beiden alleine und Aidan hockte sich auf das Bett.
„ Zu zweit ist es viel zu eng“, meinte er, das