Operation Eismeer. Patrick Osborn
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„Tut mir leid, Bob. Aber ich habe keine Ahnung. Soweit mir bekannt ist, war ein Besuch in Camp David für dieses Wochenende nicht eingeplant. Aber vielleicht möchte er einfach nur ein bisschen relaxen. Die kommenden Monate werden schließlich für uns alle nicht einfach werden.“
„Das nehme ich Ihnen nicht ab, Rachel. Aus einer anderen zuverlässigen Quelle weiß ich, dass der Präsident für heute Vormittag ein Treffen mit seinem Wahlkampfteam angesetzt hat. Dieses Treffen würde er doch nicht riskieren, wenn nicht etwas Wichtiges passiert wäre. Dafür waren die letzten Umfrageergebnisse zu schlecht.“
„Wie gesagt, Bob. Ich kann Ihnen wirklich nicht helfen.“
„Dann wissen Sie auch nicht, warum eine Einheit der Marines heute Nacht auf unseren Stützpunkt nach Narvik verlegt wurde?“ Bobs Stimme hatte deutlich an Schärfe gewonnen.
„Woher wollen Sie das wissen?“
„Sie wissen doch, Rachel, dass ich meine Quellen habe. Aber es gibt noch etwas Merkwürdiges.“ Rachel merkte, wie sie zu frösteln begann, obwohl es in ihrem Schlafzimmer warm war.
„Und das wäre?“, fragte sie, und war sicher, dass die Antwort ihr unruhiges Gefühl nur verstärken wird.
„Nicht nur der Präsident ist in Camp David, sondern auch eine vollgetankte F-14. Haben Sie vielleicht dafür eine Erklärung?“
Spätestens jetzt war Rachel wach. Ihr Gehirn arbeitete fieberhaft und suchte nach einer Erklärung.
„Hören Sie Bob“, sagte Rachel in ihrem unverfänglichsten Plauderton. „Es wird für alles eine ganz einfache Erklärung geben. Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ich werde mich erkundigen und rufe Sie zurück. Ich bin sicher, dass sich alles als ganz harmlos herausstellt.“
„Okay, Rachel. Ich vertraue Ihnen. Ich warte dann auf Ihren Anruf.“ Ohne eine weitere Antwort abzuwarten, hatte der Reporter das Gespräch beendet.
Rachel saß im Bett und versuchte ihre Gedanken in den Griff zu bekommen. Sicher musste es für alles eine logische Erklärung geben, denn wenn etwas passiert wäre, hätte der Präsident sie doch sicher schon längst informiert.
Rachel schwang sich aus dem Bett und ging unter die Dusche. Doch ein Gedanke ließ sie nicht mehr los. Hatte Nathan Frederik Spencer zum ersten Mal etwas vor ihr verheimlicht?
Kapitel 3
Camp David
Präsident Nathan Frederik Spencer hatte die Nachricht mitten in der Nacht erhalten, auf einem Apparat, dessen Nummer nur wenigen Menschen bekannt war. Zum Glück hatte Caroline nichts davon mitbekommen, denn sie schlief seelenruhig weiter, während er das Schlafzimmer verließ, um mit dem nächtlichen Anrufer alles zu klären.
Eine Stunde später ließ er sich mit dem Helikopter nach Camp David bringen. Seiner Frau hinterließ er eine kurze Nachricht, dass er nach dem Frühstück wieder zurück sei.
Eigentlich hatte er vorgehabt, den Tag ruhig anzugehen und später mit seinem Team den anstehenden Wahlkampf zu planen. Doch die Nachricht, die Spencer erhalten hatte, sorgte dafür, dass sein sonnengebräuntes Gesicht tiefe Furchen zeigte.
Jetzt stand er in seinem Arbeitszimmer von Camp David, das behaglich aber trotzdem modern eingerichtet war und erkennen ließ, dass der Präsident mit beiden Beinen in der heutigen Welt stand. Die schwere Schreibtischplatte war aus Rauchglas und wurde lediglich von einem Laptop modernster Bauart verziert. Er war stolz darauf, dass er im Umgang mit Computern fast mehr verstand, als eine Vielzahl seiner jüngeren Mitarbeiter.
Es klopfte an der Tür und ein kurzhaariger Secret Service Agent hielt den Kopf ins Zimmer.
„Entschuldigung Mr. President. Aber ich wollte Ihnen mitteilen, dass Captain Kinnear sich gemeldet hat. Mister Reilly sitzt im Black Hawk und ist auf dem Weg hierher.“
„Danke, Charlie.“ Zufrieden nickte Spencer dem Agenten zu. „Stellen Sie bitte bis zur Ankunft von Mister Reilly keine Gespräche mehr durch, außer wenn meine Frau anruft. Ich möchte etwas Ruhe haben.“
„Selbstverständlich, Mr. President.“
Gedankenversunken stand Spencer am Fenster und blickte hinaus, auf das großzügige Gelände von Camp David, welches von der grandiosen Morgensonne in verschiedene Farben getaucht wurde. Die letzten Stunden hatte Spencer mit Grübeln verbracht, immer mit dem Druck, eine Entscheidung treffen zu müssen. Und egal, wie er das Blatt auch drehte, die Entscheidung würde schmerzlich ausfallen.
Im Licht der Sonne sah Spencer sein Spiegelbild und stellte fest, dass er in den letzten Jahren doch etwas gealtert war. Auch wenn seine Berater behaupteten, dass ein paar graue Schläfen ihn nur noch seriöser machten. Er war einen Meter neunzig groß und hatte volles, dunkles Haar, das aber nun in einen silbergrauen Ton überging. Dafür sah er immer noch athletisch aus und hatte sich etwas von seiner körperlichen Statur bewahrt, als er der Footballstar in Stanford gewesen war. Seine wachen, blassblauen Augen und sein schmales Gesicht wirkten in einer Unterhaltung einnehmend und waren einer der Gründe, weswegen oft seine charismatische Ausstrahlung gelobt wurde.
Als Spencer vor knapp vier Jahren das Amt des Präsidenten übernahm, hatte er sich selber geschworen, dass ihn dieses Amt nicht kaputt machen würde. Dafür joggte er jeden Tag dreißig Minuten und nutzte den Fitnessraum im Weißen Haus intensiv. Seit dieser Zeit hatte er an Muskeln zugelegt und an Gewicht verloren, was nicht unbedingt einherging mit den Essgewohnheiten, die dieses Amt mit sich brachte.
Nathan Frederik Spencer hatte es nie in die Politik gedrängt. Im Gegenteil. Die Politik hatte ihn gefunden. Er war einer der besten Strafverteidiger der Bezirksstaatsanwaltschaft in Miami gewesen, als die demokratische Partei auf ihn aufmerksam wurde. Mit seiner Frau Caroline und den beiden Söhnen Nathan Jr. und Jim an seiner Seite, begann ein müheloser Aufstieg, der ihn erst zum Justizminister und später zum Vizegouverneur von Florida werden ließ. Es folgte eine Amtsperiode im Senat, ehe er als Gouverneur nach Tallahassee zurückkehrte – eine ideale Ausgangsposition für den Kampf ums Weiße Haus.
In seiner gesamten politischen Laufbahn waren seine Berater stets darum bemüht gewesen, ein bestimmtes Image für Nathan Spencer aufzubauen. Er galt als moderner, aufgeschlossener Mann mit gesundem Menschenverstand, dem man vertrauen konnte. Trotz seines Sunnyboy Aussehens war er ein Mann, der zupacken konnte. Er war genau der Mann, den die Demokraten suchten. Ein moderater Politiker von angenehmer Erscheinung. Nach acht Jahren republikanischer Herrschaft hatte Amerika das Bedürfnis nach einem Wechsel und wählte Spencer.
Jetzt, vier Jahre später, war seine Wiederwahl alles andere als gesichert. Er wandte sich vom Fenster ab und ging zu einem kleinen Beistelltisch. Er goss sich eine Tasse Kaffee ein und versuchte sich nochmals vorzustellen, welche Konsequenzen die Nachricht haben könnte, die er vor ein paar Stunden erhalten hatte. Sollte die ganze Wahrheit ans Licht kommen, wäre er sicherlich politisch erledigt. Aber das, da war sich Spencer sicher, war dann seine geringste Sorge. Aber er hatte Vorkehrungen getroffen, um alles wieder ins rechte Licht zu rücken. Und vielleicht ließ sich daraus auch Kapital schlagen, denn das amerikanische Volk hatte schon immer Präsidenten verehrt, die in Krisensituationen