Marattha König Zweier Welten Teil 2. Peter Urban

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Marattha König Zweier Welten Teil 2 - Peter Urban

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war einfach zu günstig...

      Charlotte Hall war kreidebleich, als sie die Schärpe um Arthurs Hüften legte und das Schwertgehänge schloss. Sie hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan. Zum ersten Mal seit Wochen war sie in dem großen Zelt alleine gewesen. Keine Schulter, an die sie sich hätte lehnen können, um einzuschlafen; keine beruhigenden Worte, wenn sie trotz ihrer Abenteuerlust doch ein bisschen Angst vor der eigenen Courage bekam; keine zärtliche Berührung und die Nähe seines lebendigen, warmen Körpers, bevor sie die Augen schloss, um sich von einem langen und anstrengenden Tag auszuruhen.

      Arthur hatte die Nacht mit den Offizieren des Stabes und Meer Allum zugebracht. Sie hatten an ihrem Plan gefeilt, Einheiten in Stellung gebracht, Geschütze bewegt, Palisadenzäune errichten lassen. Als er Charlotte zum Abschied umarmte und sich ihre Lippen zu einem innigen Kuss trafen, schaute sie in die Augen ihres Verlobten. Sie waren anders als sonst – kalt und berechnend. Sie erinnerten Charlotte an den Blick des großen bengalischen Königstigers, dem sie vor langer Zeit gemeinsam in den Sunderbans begegnet waren. Alles schien nur noch Jagdtrieb und Mordlust. Irgendwie fehlte seinen Augen an diesem kühlen Märzmorgen die Menschlichkeit.

      Mary Seward hatte die ganze Nacht geweint und Rob bittere Vorwürfe gemacht, weil er damals in Schottland den Trommeln des Anwerbungssergeanten gefolgt war, statt sich brav in sein Schicksal zu fügen und wie seine Väter und Vorväter Schafe zu züchten. Irgendwann war Rob die Heulerei auf die Nerven gegangen, und er hatte sich zu seinen Kumpels verzogen, um die Nacht friedlich an einem Lagerfeuer zu verbringen, Karten zu spielen und nicht an den nächsten Tag und den Kampf zu denken, der sie erwartete. Als Rob schließlich um fünf Uhr früh seinen Tornister und sein Gewehr aus dem Zelt holte, hatte Mary so getan, als würde sie tief und fest schlafen, und hatte sich nicht gerührt. Seine Worte klangen ihr jetzt noch in den Ohren. »Albernes Weibervolk!« hatte er geschimpft und war in der aufgehenden Sonne des indischen Morgens verschwunden. Mary hatte sich um sechs Uhr früh schließlich aus ihrer Decke geschält und war wie ein geprügelter Hund zum Zelt von Oberst Wesley und Madam Hall geschlichen. Erst als sie Charlottes rotgeweinte Augen sah, fasste die junge Frau von Sergeant Seward sich wieder.

      »Ist das eigentlich immer so, wenn die Männer in den Krieg ziehen?« fragte Charlotte verschämt ihr Mädchen. Sie flüsterte, denn irgendwie hatte sie Angst, Arthur könne sie hören und würde sie zurück nach Kalkutta schicken, weil er keine Lust hatte, seine Zeit mit einer Heulsuse zu vergeuden. Charlotte war überzeugt, dass Mary einen reicheren Erfahrungsschatz als Soldatenfrau besaß als sie selbst.

      Mary Seward blickte verlegen zu Boden. »Weiß nicht, Ma’am! Ist das erste Mal, dass mein Rob in den Kampf zieht. Wir sind noch nicht lange bei den Soldaten.«

      Ein dumpfes Dröhnen ließ das Zelt erzittern, und Mary warf sich hilfesuchend in Charlottes Arme. Tränen rannen ihr über die Wangen. »Wenn sie mir meinen Rob totschießen, was soll ich dann bloß machen? Wie soll ich dann bloß zurück nach Hause kommen?« schluchzte sie.

      »Pssst, Mary! Was soll denn das?«

      »Sie schlagen sich gegenseitig tot!« rief die Kleine verzweifelt. »Und Johnny hat mir gesagt, man würde sich nicht um uns kümmern, wenn unsere Männer fielen. Dann müssten wir selbst sehen, was aus uns wird, oder zu Hause bleiben und den Priester um Almosen bitten. Denn den Sold bekämen wir nicht im Hochland.«

      Charlotte wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Angesichts der

      Verzweiflung Marys kamen ihr die eigenen Sorgen um Arthur lächerlich und unerheblich vor. Sie war die Tochter von Sir Edwin Hall. Sollte ihrem Verlobten etwas zustoßen, würde sie als »Witwe« eines Helden zu ihren Eltern zurückkehren und genauso weiterleben wie früher, bevor sie Arthur kennengelernt hatte. Geld besaßen die Halls im Überfluss, und als »Witwe« eines toten Helden würden Englands Soldaten sich – nach einer angemessenen Trauerzeit – um Charlottes Hand reißen. Sie hatte nichts zu befürchten, außer Trauer und Tränen. Aber Tränen trockneten wieder, wenn man gerade erst zwanzig Jahre alt und viel zu unbekümmert und sorglos war.

      Bei Mary Seward sah die Sache anders aus. Sie überlebte nur deshalb, weil Zahlmeister Dunn ihrem Mann einmal im Monat den Shilling des Königs in die Hand drückte. Sollte Rob fallen, stand sie ohne einen Penny da – neun Monate und eine teure Seereise von zu Hause entfernt. Viele Soldatenfrauen fanden ihr Heil nur darin, sich am Abend nach der Schlacht dem Erstbesten an den Hals zu werfen, der heil zurückgekommen war. Die Frauen, die zu alt oder hässlich waren, um einen neuen Versorger aufzutreiben, verhungerten oder verkauften sich in finsteren Löchern an Inder, die Lust auf weißes Fleisch hatten. Es war eine grausame Welt.

      »Mary, deinem Rob wird nichts passieren!« versuchte Charlotte zu trösten, während von draußen der Lärm des Kampfes ins Zelt drang. Die Worte kamen der jungen Frau hohl und leer vor, aber sie konnte in diesem Augenblick nichts anderes tun, als zu warten, bis das Donnern der Geschütze und das Geschrei der Männer sich legte – und dann zu hoffen, dass niemand kam, der ihr eine schreckliche Nachricht überbrachte ...

      Die sieben Bataillone marschierten auf die Anhöhe zu. Sie waren in Kolonne formiert, jeweils eine halbe Kompanie stark. Aus der Vogelperspektive hätten sie wie einhundertundvierzig kleine, scharlachrote Rechtecke im grünen Feld ausgesehen, als sie sich zielstrebig auf die feindlichen Kanonen zubewegten. Neben jeder halben Kompanie marschierte ein Sergeant. Die Offiziere ritten oder marschierten voraus. Aus der Ferne sahen die Rechtecke ordentlich aus, wie mit dem Lineal gezogen, denn die Männer trugen ihren scharlachroten Rock mit weißem Lederzeug und schwarzem Tschako. Aus der Nähe betrachtet konnte der aufmerksame Beobachter allerdings feststellen, wie staubig und zerrissen alle waren. Der lange Marsch von Madras zum ersten Treffen mit Tippu hatte seinen Tribut gefordert. In den Haaren der Männer, die gefettet und gepudert worden waren, tummelten sich die Läuse. Viele hatten blutigen Ausschlag im Nacken, der von dem hohen, harten Lederkragen und dem Schweiß stammte, den kaum einer abwischte, obwohl Indiens Hitze die Hölle war.

      Die Sepoys der Ostindischen Kompanie wuselten durchs hüfthohe Gras. Endlich fand eine feindliche Kanonenkugel ihr Ziel, und eine halbe Kompanie des Dreiunddreißigsten stob auseinander wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen. Niemand war getötet oder verletzt worden, lediglich die Marschordnung war durcheinander.

      »Zurück in die Formation, ihr feigen Säcke!« brüllte Major Shee aufgebracht zu Sergeant Seward und seinen Männern hinüber. Die Trommlerjungen schwangen ihre Stöcke, und von neuem übertönte schon bald der tiefe, durchdringe Klang das dumpfe Grollen der Kanonen.

      »Wann können wir endlich laden?« fragte Soldat Coley den Sergeanten Seward mit zitternder Stimme.

      »Bald, Junge, bald! Bleib nur ganz ruhig und befolg die Befehle der Offiziere.« Rob lächelte den jungen Soldaten an. Er machte sich vor Angst zwar selbst in die Hose, doch er war Sergeant, und seine Aufgabe bestand darin, die Jungs heil in die Schlacht und heil nach Hause zu bringen.

      »Maul halten, ihr Säcke, oder ich lasse dem Erstbesten, der mir in die Finger kommt, Disziplin einprügeln!« brüllte Shee von seinem grobknochigen Schimmel aus die halbe Kompanie an. Er war überzeugt, dass die Soldaten nur nach vorn gingen, weil ihnen die Angst vor der Neunschwänzigen und ihren eigenen Offizieren im Nacken saß.

      Oberst Wesley hatte den heftigen Wortwechsel in seinem Regiment mitbekommen, obwohl er in diesem Augenblick alle Hände voll zu tun hatte. Er stieß seinem Pferd die Sporen in die Flanken und sprengte zu Shee hinüber. »Zügeln Sie sich! Diese Männer müssen kämpfen!« fauchte er den Major böse an. Er konnte Shee auf den Tod nicht ausstehen. Der launische und ständig betrunkene Offizier war ihm schon seit Jahren ein Dorn im Auge.

      Shee senkte die Augen, damit sein Kommandeur nicht den Hass darin lesen konnte. Wie sehr wünschte er sich in diesem Moment, dass es Nacht wäre und er sich mit diesem Buchhalter allein an irgendeinem abgelegenen

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