Virus. Kristian Isringhaus

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in seinen vielen Dienstjahren gelernt. Er dachte daran zurück, wie blauäugig er gewesen war, als er sich für den Beruf des Polizisten entschieden hatte. Damals hatte er gedacht, die Welt verbessern zu können. Er hatte seinen kleinen Beitrag dazu leisten und Kriminalität bekämpfen wollen. Vielleicht nur im wirklich kleinen Rahmen. Vielleicht würden es an einigen Tagen nur ein paar Parksünder sein, hatte er damals gedacht, aber er würde seinen Beitrag leisten.

      Vielleicht würden sie eines Tages in Schwerin auf ihn aufmerksam werden, wenn er seinen Job nur gut genug machte. Vielleicht würde er eines Tages befördert werden und mit etwas Glück würde es bis zum LKA oder sogar bis hinauf zum BKA reichen. Dann würde er sogar einen großen Beitrag dazu leisten können, die Welt ein bisschen besser zu machen.

      Heute konnte Wegmann kaum noch fassen, wie naiv er damals gewesen war.

      Der Anruf aus Schwerin war nie gekommen, aber Wegmann hatte schnell gelernt, wie diese Welt funktionierte. Man konnte sie nicht verbessern. Man konnte sich nur bestmöglich in ihr arrangieren. Er hatte von seinen älteren Kollegen gelernt, wie man die Hand aufhielt und wie man sämtliche dienstlichen Vorgänge auf dem Weg des geringsten Widerstands abschloss.

      Im Laufe der Jahre hatte er sogar selbst eine gewisse Kreativität im Finden von Mitteln und Wegen entwickelt, mit möglichst wenig Arbeit möglichst weit zu kommen. Auf diese Art und Weise hatte er es immerhin bis zum Hauptkommissar gebracht und neben seinem normalen Lohn immer noch eine kleine Extramark mit nach Hause gebracht.

      So funktionierte diese Welt eben.

      Ein leises Grinsen schlich über sein Gesicht, als er daran dachte, mit welchem Idealismus er seinen Job begonnen hatte. Idealisten waren nichts weiter als dumm. Das sah man ja auch an diesem linken Pack, das noch am Nachmittag die Randale am Kongresszentrum veranstaltet hatte. Diese roten Zecken glaubten, Weltverbesserer zu sein, während sie in Wirklichkeit nur die Ziellosigkeit ihres Seins zu vertuschen versuchten, um irgendwann festzustellen, dass sich die Welt nicht verbessern ließ, und sie noch immer arbeitslos waren. Dann würde ihre Einstellung sich um hundertachtzig Grad drehen. Sie würden diese Welt hassen, zu Alkoholikern werden und aus Langeweile Parksünder, die sie vom Fenster ihrer Sozialwohnungen aus beobachteten, der Polizei melden.

      Er dagegen hatte sich arrangiert. Er hatte ein Haus, eine Frau, zwei Kinder, einen Hund und einen kleinen Garten. Und das alles für den äußerst geringen Preis seiner Wertvorstellungen und seiner Integrität. Billiger bekam man das heute nicht mehr.

      Diese Gedanken ließen ihn seine Wut über die späte Stunde fast vergessen. Worüber beklagte er sich eigentlich? Ein schrecklicher Unfall war passiert. Da konnte man nichts dran machen. Aber dank seiner besonnenen Gespräche mit dem Notarzt und dem Brandursachenermittler würde es ihn außer den heutigen kaum weitere Überstunden kosten.

      Nunmehr zufrieden über die glimpfliche Entwicklung erhob er sich, um zu gehen, als seine Bürotür ohne Klopfen geöffnet wurde, und ein Mann das Büro betrat. Der Mann war Mitte fünfzig, nicht besonders groß, aber schlank. Er hatte ruhige Gesichtszüge, kurze, größtenteils graue Haare, trug einen gut sitzenden und nicht ganz preiswerten Anzug und strahlte eine Aura von Überlegenheit und Macht aus.

      Wegmann erkannte ihn sofort. Es war Herbert Bruncke höchstpersönlich, der Leiter des Bundeskriminalamts.

      „Kommissar Wegmann?” fragte Bruncke höflich.

      Wegmann musste sich sammeln. Brunckes Besuch konnte nichts Gutes bedeuten. Was wollte das BKA von ihm? Was wollte der Leiter des BKAs von ihm?

      „Ja”, war alles, was Wegmann zunächst zu erwidern in der Lage war. Er war verunsichert.

      Bruncke trat an Wegmanns Schreibtisch, bot ihm die Hand an und stellte sich vor. Wegmann war sich sicher, dass Bruncke wusste, dass er eigentlich keiner Vorstellung bedurfte, und fragte sich, ob er sich dadurch einen Vorteil für das folgende Gespräch erhoffte. Wahrscheinlich wollte Bruncke seinem Gegenüber das Gefühl geben, auf der gleichen Stufe zu stehen, um durch die Ungezwungenheit, die er dem Gespräch damit verlieh, mehr Informationen zu erhalten, als das in einer gezwungenen Atmosphäre der Fall gewesen wäre. Wegmann würde darauf nicht reinfallen. Er war gewarnt.

      Er bot Bruncke einen Stuhl ihm gegenüber und einen Kaffee an, doch dieser bat lediglich um ein Glas Wasser. Wegmann schenkte ihm eins ein und setzte sich dann hinter seinen Schreibtisch.

      „Womit kann ich Ihnen behilflich sein, Herr Bruncke?” fragte er schließlich. Bruncke nahm einen Schluck von seinem Wasser.

      „Nun, ich wollte mich mal persönlich nach dem Stand der Ermittlungen zum Tod von Professor Wang erkundigen”, antwortete dieser. „Und ehrlich gesagt bin ich ein wenig verwundert, dass gerade heute, am Tag des Todes, um halb zehn schon fast niemand mehr in der Dienststelle anzutreffen ist. Um präzise zu sein, scheinen Sie der Einzige zu sein, der aus Ihrer Abteilung noch zugegen ist.”

      Wegmann war erleichtert. Das war also alles.

      Er hatte alles in die Wege geleitet, was es in die Wege zu leiten gab, seinen Job gemacht und sogar schon ein erstes Ergebnis, das er Bruncke präsentieren konnte. Es gab absolut keinen Grund, sich Sorgen zu machen.

      „Dass die meisten Kollegen schon nach Hause gegangen sind, liegt einfach daran, dass wir im Moment nicht viel tun können”, erwiderte er. „Wir warten auf die Ergebnisse der Sachverständigen. Erst dann können wir uns ein Bild machen. Und der Stand der Ermittlungen ist dementsprechend natürlich ebenfalls absolut von den Erkenntnissen der Sachverständigen abhängig. Alles, was es dort bislang an Ergebnissen zu berichten gibt, ist, dass der Blitz, der den Professor erschlug, registriert und identifiziert wurde.”

      „Aha”, brummte Bruncke bedächtig.

      Aha? Was sollte das heißen, aha? Wegmann sah ein, dass Bruncke gut war, sehr gut sogar. Mit diesen winzigen zwei Silben hatte er ihn völlig verunsichert. War es eine Aufforderung an Wegmann, weiterzureden? Er hatte doch alles gesagt. Oder wollte Bruncke sich selbst nur etwas Zeit geben, nachzudenken, das Gesagte zu verarbeiten? Würde Wegmann seine Unsicherheit preisgeben, wenn er jetzt erneut ansetzte? Sollte er auf eine weitere Frage Brunckes warten?

      Es kam keine.

      Wegmann spürte, wie sich kleine Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten. Er beobachtete Bruncke. Dieser hatte die Handflächen wie zum Gebet gegeneinander gelegt und berührte mit beiden Zeigefingern nachdenklich seine leicht geschürzten Lippen. Spielten sie hier Poker?

      Schließlich setzte Wegmann erneut an. „Wir warten noch auf den Bericht der Elektrotechniker, die ergründen, wie der Blitz durch das Dach schlagen konnte. Je nach Sachlage werden wir dann Ermittlungen gegen die Baufirma einleiten, um zu ergründen, ob man ihr nachweisen kann, dass sie beim Blitzableiter gepfuscht hat. Zudem geht der zuständige Brandursachenermittler noch der Frage nach, warum sich das Feuer so schnell bis zur Bühnenrückwand ausbreiten konnte. Und dann können wir den Fall als solchen wohl als abgeschlossen betrachten.”

      Wegmann hoffte inständig, dass Bruncke das genauso sah. Was wollte er noch hier? Die Sachlage war doch völlig klar. Doch Bruncke saß noch immer in unveränderter Haltung vor ihm und schwieg.

      „Haben Sie Leute in den Krankenhäusern, um die Zeugen zu befragen? Haben Sie Ihren Leuten eine Nachtschicht verordnet, um dieselben auszuwerten?” beendete der BKA-Chef endlich sein Schweigen. Es war Wegmann vorgekommen wie eine halbe Ewigkeit. Er wischte sich über die Stirn und senkte den Blick.

      „Ich dachte, dass wir zuverlässigere Angaben erhalten, wenn der erste Schock überstanden ist”, erwiderte er kleinlaut.

      „Sie

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