Virus. Kristian Isringhaus

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Virus - Kristian Isringhaus страница 22

Автор:
Серия:
Издательство:
Virus - Kristian Isringhaus

Скачать книгу

Holger. „Ich habe meinen herausragenden Intellekt stets und ausschließlich in den Dienst der Geisteswissenschaften gestellt.”

      Da war wieder dieses arrogante Leiern, das Debbie so nervte. Eigentlich, so fiel ihr jetzt auf, war es die ganze Zeit da gewesen, sie hatte es nur wegen ihrer Aufregung über die Tatsache, dass er ihr glaubte, bislang nicht wahrgenommen. Es musste der arrogante Inhalt seiner Worte sein, der sie nun wieder auf die Überheblichkeit seines Tonfalls aufmerksam gemacht hatte.

      „Es gibt etwas, wovon du keine Ahnung hast?” fragte sie provozierend. Debbie wusste, dass es nicht besonders klug war, die einzige Person, die ihr glaubte, zu provozieren, aber sie trug ihr Herz nun mal auf der Zunge.

      „Wenig, aber durchaus, ja”, antwortete Holger, ohne weiter auf ihre Provokation einzugehen. Ein kurzes Schweigen folgte.

      „Was für eine Funktion hatte der Mörder deiner Meinung nach wohl der Schrift zugedacht?” fragte Holger schließlich.

      „Er will eine Aussage treffen. Eine Botschaft aussenden. Uns etwas mitteilen.”

      „Er protestiert gegen eine Autobahn?” Holger klang wenig überzeugt. „Bastard aus Beton! Analgeburt aus Asphalt! Abkömmling Adolfs! Nieder mit ihr!” rief er im Tonfall eines Demonstrationsführers. Debbie ignorierte seinen Sarkasmus.

      „Es handelt sich nicht um den Namen einer Autobahn. Es ist ein ICD Code”, sagte sie sachlich.

      „Ein was?”

      „Ein Code der International Classification of Diseases”, erklärte Debbie. „Für jede mögliche Erkrankung gibt es einen Code. A87 steht für Virusmeningitis.”

      Hagen brachte den Krabbenkorb. Debbie war selten in ihrem Leben dankbarer für eine Mahlzeit gewesen. Sie fühlte sich fast wie zu Hause. Panierte und frittierte Krabben, zusammen in einem großen Korb mit Pommes Frites, dazu Knoblauchmayonnaise. Man aß mit den Fingern und trank Bier dazu. Amerikanischer ging es kaum.

      Während beide aus dem Korb aßen, erzählte Debbie Holger von den Theorien, die sie mit Bobby aufgestellt hatte. Von der Idee, dass ein Globalisierungsgegner hinter dem Mord stecken könnte, der auf ein Ereignis in einem bestimmten Jahr hindeuten möchte, und von der Idee, dass ein Umweltschützer der Mörder sein könnte, der auf die Erkrankung der Erdoberfläche hindeuten wolle.

      Debbie erzählte mit Enthusiasmus. Zwar hatte sie gegen Ende des Telefonats mit Bobby beide Theorien stark angezweifelt, aber das Essen gab ihr neue Kraft und das Bier neuen Mut.

      Doch irgendwie hatte sie das Gefühl, Holger nicht recht überzeugen zu können. Er unterbrach sie zwar nicht, legte aber gelegentlich die Stirn in Falten, und zu keinem Zeitpunkt gab er irgendein Zeichen der Zustimmung von sich. Als sie fertig war, blickte sie ihn erwartungsvoll an.

      „Und?”

      Holger griff nach einer Krabbe, kaute länger als nötig auf ihr herum und spülte sie dann mit einem kräftigen Schluck Bier herunter. „Klingt sehr kryptisch”, sagte er schließlich. „Und woher nimmst du überhaupt die Sicherheit, dass es sich tatsächlich um einen ICD Code handelt?”

      „Ein Epidemiologe wird ermordet und hinter ihm steht der Code für eine Virusmeningitis. Was soll das denn sonst bedeuten?” fragte sie, enttäuscht über Holgers Zweifel.

      „Ich weiß es nicht”, antwortete er. „Es gibt zahllose Möglichkeiten. Warum nicht wirklich eine Autobahn? Oder eine Schließfachnummer. Der Mörder hat sein flammendes Pamphlet in einem Schließfach deponiert und möchte, dass wir es finden. Vielleicht handelt es sich aber vielmehr um einen Serienkiller, der seine Opfer durchnummeriert. Oder er sucht über Chiffre A87 eine Serienkillerfreundin. Auch möglich wäre, dass der Mörder einfach nur eine Frühlingsrolle süß-sauer bestellen wollte. Immerhin war Wang Chinese.”

      Debbie starrte ihn fassungslos und mit stechendem Blick an. Es hatte ihr die Sprache verschlagen.

      „Warst du schon immer so oder wann bist du so geworden?” fragte sie nach einer ganzen Weile mit vor Zorn zitternder Stimme.

      „Was? Ein exzellenter Freizeitkriminalist?” fragte er zurück.

      „Nein, ein Arschloch!” Damit stand sie auf und ging.

      Draußen musste sie erst ein paarmal tief durchatmen. Wie konnte ein Mensch innerhalb weniger Sekunden zwei so verschiedene Gesichter zeigen?

      Im einen Moment war er noch der nahezu sympathische, aus unbekanntem Grund gebrochen wirkende Mann gewesen, der zwar einen Schutzwall aus gespielter Gleichgültigkeit um sich aufgebaut hatte, aber doch interessiert und hilfsbereit gewirkt und sie sogar zum Essen eingeladen hatte. Und im nächsten Moment hatte er sich in den geschmacklosesten Zyniker, den die Welt je gesehen hatte, verwandelt.

      Und ihm hatte sie sie ihre Theorien anvertraut! Fuckin’ asshole!

      Tränen rannen ihre Wangen herab, als sie sich langsamen Schritts auf den Heimweg machte.

      Sie war wieder allein.

      –––––

      Holger leerte sein Pils und bestellte ein neues. Er wusste, dass er zu weit gegangen war. Der Punkt, den er hatte machen wollen, war richtig gewesen – nicht allerdings die Art und Weise, auf die er ihn vermittelt hatte. Er hatte Debbie klarmachen wollen, dass der Schriftzug viele verschiedene Bedeutungen haben konnte, und dass es nicht sinnvoll war, sich zu früh auf eine Interpretation festzulegen. Zu dieser Grundaussage stand er.

      Doch das Beispiel der Essensbestellung beim Chinaimbiss war geschmacklos gewesen, und Holger wusste es. Besonders, wenn man Debbies schwierige Situation und ihre augenblickliche Verletzlichkeit in Betracht zog.

      Es war also erneut passiert. Wieder einmal war es ihm aufgrund eines schlecht gewählten Beispiels nicht gelungen, ein korrektes Argument zu vermitteln. Ebenso wie damals, als er Nietzsches ‚Antichrist’ in seiner Predigt zitiert hatte. Wieso passierte ihm das immer wieder?

      Die Antwort hierauf war nicht schwer zu finden. Weil er gleichgültig war. Weil die Gefühle anderer ihn nicht interessierten, hatte er seine Sensibilität dafür verloren, wann er sie womöglich verletzte.

      Zweifelte er jetzt etwa sogar an seiner Welt der Gleichgültigkeit? Früher am Abend war ihr bereits ihr Hauptquartier entzogen worden und nun stellte er sie sogar in Frage. Er durfte das nicht zulassen. Er musste diese Welt schützen, denn sie beschützte ihn.

      Und er würde sofort damit beginnen, indem er Debbie nicht hinterher ging, um sich zu entschuldigen. Er befand für sich, dass sie ihm gleichgültig war.

       17.

      Wegmann fluchte leise in sich hinein, als er seinen Computer herunterfuhr. Er guckte auf die Uhr. Fast halb zehn. Trotzdem war er froh, dass er auf Löscher gewartet hatte und dass dieser persönlich vorbeigeschaut hatte. Hätte er einfach nur am Telefon – oder noch schlimmer, per Email – durchgegeben, dass kein Blitz gemessen worden war, der in Frage kam, den Professor getötet zu haben, hätte Wegmann kaum die Möglichkeit gehabt, Einfluss auf ihn auszuüben.

      So hatte die Sache gerade noch einen glimpflichen Ausgang genommen. Wegmann dachte daran zurück, wie viel Mühe er schon gehabt hatte, den Notarzt von der Bescheinigung des natürlichen Todes zu überzeugen, und er fragte sich, wieso einige Menschen stets darauf bedacht waren, Probleme zu generieren, wo gar keine

Скачать книгу